Horst Schlämmer und das Spiel der Inszenierung
Es ist fast wie im wahren Leben: Auf dem Podium sitzt der Kandidat, die Journalisten werden ihre Fragen los, das Fernsehen ist live dabei.
Als sich am Dienstag "Horst Schlämmer" im Berliner Hotel Ritz Carlton den Medien stellt, läuft alles wie am Schnürchen. Zur Pressekonferenz für seinen neuen Film "Horst Schlämmer - Isch kandidiere!" hat nicht der Hauptdarsteller Hape Kerkeling eingeladen, sondern seine Kunstfigur, der schmierige Lokalreporter aus Grevenbroich. Die Inszenierung ist perfekt, alle Beteiligten spielen genussvoll mit. Die Anwesenheit von Politik- Journalisten aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen wie Werner Sonne (ARD) gibt der Show einen pikanten Dreh.
Wie Kerkeling setzen auch andere Medienstars zunehmend in der realen Welt auf schwindende Grenzen zwischen Fiktion und Realität. Als jüngst der britische Schauspieler Sascha Baron Cohen ("Borat") für seinen neuen Film "Brüno" warb, durfte er nur in seiner Rolle als schwuler österreichischer Modejournalist befragt werden. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" druckte ein ganzseitiges Gespräch von "F.A.Z"-Herausgeber Frank Schirrmacher mit "Uwe Wöllner", dem "TV-Spasty" aus der Serie "Mein neuer Freund". Jede Ähnlichkeit mit Christian Ulmen war rein zufällig.
"Es gibt einen wachsenden Trend zur Inszenierung von Realität, auch bei Pressekonferenzen", sagt die Medienwissenschaftlerin Ulrike Röttger (Universität Münster). Zu dieser "Aufmerksamkeits-Ökonomie" zählen für die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft nicht nur die Medienshows von "Schlämmer" und Co. Wenn etwa der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier seinen "Deutschland-Plan" im "Bärensaal" des Berliner Stadthauses vorstellt, ist ein solcher Auftritt vor altehrwürdiger Kulisse und Partei-Honoratioren eben auch eine inszenierte Botschaft.
"Es wird in den Medien immer öfter mit Pseudo-Ereignissen gearbeitet, die dramaturgisch aufgebaut werden", sagt Röttger. In nachrichtenarmen Zeiten könnten PR-Firmen dabei offene Türen einrennen. "Die Presse lässt sich darauf ein, die selbstkritischen Mechanismen sind ins Schleudern geraten", sagt die Medienexpertin. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht bei den Auftritten von "Schlämmer" oder "Brüno" den Schwarzen Peter bei den Medien. "Jeder Journalist muss wissen, ob er Teil dieser Vermarktungsstrategie sein will", sagt Vize-Verbandssprecherin Eva Werner. Den Fall solle man aber nicht so hoch hängen. "Ein bisschen Satire muss ein".
Nach Ansicht des Hamburger Hans-Bredow-Instituts sind die Journalisten in einer Zwickmühle. "Als Journalist muss man sich auf das Spielchen einlassen, wenn man von seinem weisungsberechtigten Arbeitgeber zu solch einer Pressekonferenz geschickt wird", sagt Christiane Matzen vom Medieninstitut. Die Vorgabe, etwa nur Fragen an die Kunstfigur und nicht an ihren Darsteller zu richten, sieht sie gelassener. "Als Zensur kann man das nicht bezeichnen, denn "Horst Schlämmer" verbietet nicht das Schreiben, er beantwortet nur bestimmte Fragen nicht."
Einen Beitrag zur politischen Kultur kann der Politik-Berater Michael Spreng dem Auftritt von Schlämmer abgewinnen. Mit seinem Film, der rechtzeitig zum Bundestagswahlkampf in den Kinos startet, halte Kerkeling als "Hofnarr" den etablierten Parteien einen Spiegel vor. Wenn Schlämmer etwa ausdrücklich nicht vier Millionen neue Arbeitsplätze verspricht, "entlarvt er manches Versprechen als unhaltbar", behauptet der einstige Berater von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU).
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