„Ich wollte meine Kinder groß werden sehen“
Sonja Hübner, Mutter zweier erwachsener Kinder, 49, Konditoreiverkäuferin aus dem Großraum Augsburg.
Ich liebe meine Kinder, sie waren Wunschkinder, und ich bin stolz auf sie, doch wenn ich es heute nochmal zu entscheiden hätte, auf jeden Fall keine Kinder. Für mich war die psychische Belastung mit Mann, zwei Kindern und einer kranken Mutter zu groß. Ich habe immer ja gesagt, auch wenn ich für mich das Gefühl hatte, Nein sagen zu wollen. Ich stehe dazu. Es ist eine Befreiung, das rauszulassen, so kriege ich besser Luft.
Im Jahr 2002 habe ich mit meinen zwei Kindern, die heute 26 und 24 Jahre alt sind, meinen Mann. Vier Jahre hatte ich hin und her überlegt und war wegen der Kinder geblieben. Die Kinder gingen nacheinander zum Vater zurück. Ich empfand das als großen Verlust. Das war schlimm für mich. Ich wollte meine Kinder groß werden sehen und hatte dann fast zehn Jahre keinen Kontakt mehr zu ihnen. Ich musste sie von heute auf morgen loslassen. Sie hatten mir übel genommen, dass ich den Vater verlassen hatte und mit ihnen wegzog. Aber die Ehe war kaputt. Ich hatte gedacht, wenn wir Kinder haben, wird alles besser. Aber so war es nicht. Ich war mit den Kindern viel alleine. Ich war eine Alleinerziehende in der Ehe. Weil ich die Kinder nicht im Stich lassen wollte, nahm ich sie mit. Als sie zurück zum Vater gingen und ich keinen Kontakt zu ihnen hatte, besuchte ich die Selbsthilfegruppe „Verwaiste Eltern“. Ich hatte einen Zusammenbruch und beziehe Erwerbsminderungsrente wegen meiner Erschöpfungsdepression. Seit ein paar Jahren habe ich nach vielen Versuchen endlich wieder Kontakt zu meinen Kindern. Das erleichtert mich sehr, ich habe Nachholbedarf. Meine Kinder sehen vieles jetzt mit anderen Augen. Ich weiß auch: Ich habe Fehler gemacht, dazu stehe ich. Ich kann sie leider nicht rückgängig machen.
Mit meinen Kindern habe ich über meine Gedanken gesprochen. „Wisst ihr, wenn ich nochmal die Wahl hätte, ich tät nicht so früh heiraten und keine Kinder kriegen.“ Mein eines Kind hat mich groß angeschaut, mein anderes sagte „das ist aber krass“. Meine Schwester war geschockt, als ich ihr das sagte. Sie meinte, ich sei eine 1000prozentige Übermutter. Frauen schämen sich, so etwas zu sagen. Es hat mich am Anfang auch viel Überwindung gekostet, das zu denken und zuzulassen. Ich hatte das Gefühl, ich hätte einen Stempel auf der Stirn. Man wird auch abgestempelt. Wenn ein Mann eine Frau verlässt, heißt es: Die taugt nix. Verlässt eine Frau einen Mann, heißt es: Der arme.
Ich war gerne Mutter. Ich bin als Mutter und Hausfrau geboren. Es war für mich selbstverständlich. Ich war da altmodisch. Ich habe alte Ansichten, ich kenne es nicht anders. Ich bereue, dass ich mich beruflich nicht entwickeln konnte. Wenn ich eine junge Frau in meinem Bekanntenkreis sehe, rate ich ihr: nicht so schnell heiraten, krieg keine Kinder, leb erst dein Leben – und wenn Kinder, dann erst spät, wenn der Kopf reif ist.
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