„Mütter sind nur Menschen, wir sind keine Engel und Heiligen“
Mutter von drei Teenagern, 48, verheiratet, Angestellte aus dem Allgäu.
Ich freue mich total, dass Sie das Thema aufgreifen, bei uns in der Region ist das ein Tabu, das habe ich bemerkt. Wenn eine Frau diesen Gedanken äußert, bricht für andere ein heiliges Mutterbild zusammen. Das hat bestimmt mit unserer Kultur zu tun. Ein Bild mit einer überforderten Maria gibt es nicht. Dabei sind Mütter nur Menschen, wir sind keine Engel oder Heiligen.
Das Bereuen des Mutterseins hat bei mir damit zu tun, dass die Anforderungen ans Muttersein unsäglich sind. Ich finde es schade, dass man nur als Mutter definiert wird, was man sonst tut, interessiert nicht. Ich bin nicht nur Mutter. Manche sagen: „Du hast ja deine große Familie“ – ja, die hat mein Mann aber auch. Und wenn dann mal etwas nicht so läuft, dann ist die Mutter schuld. Zu manchem Kind baut man ein eigenes Verhältnis auf, zu einem anderen weniger – das liegt auch am Charakter des Kindes. Liebe und Mütterlichkeit sind nicht immer da. Mein erstes Kind war zum Beispiel ein Schreikind, das war schrecklich gewesen. Mein Mann hat mich nicht groß unterstützt, ich war sozusagen alleinerziehend in der Ehe.
Die Gesellschaft ist egoistisch, wenn sie sagt, das muss die Mutter selber hinkriegen. Im Allgäu war da damals mit Krippe noch nichts. Der große Stress ist nicht, Familie und Beruf zu vereinbaren, sondern das schlechte Gewissen, sein Kind abzugeben. Bin ich eine Rabenmutter? Aber wo bleibe ich? Furchtbar sind auch der Neid und die Lästerei von anderen Müttern.
Mein Wiedereinstieg in das Berufsleben war nach 15 Jahren maßlos schwer. Man hatte keinen Kontakt mehr und war nur in einem Mutterkokon. Das bereue ich im Nachhinein. Würde nie mehr für meine Kinder zuhause bleiben, damals habe ich es aus schlechtem Gewissen und wegen des gesellschaftlichen Drucks auf dem Land aber doch getan. Ich wüsste ich nicht einmal, ob ich überhaupt nochmal Kinder bekommen würde. Was inzwischen entschieden dazukommt, ist die Überwachung in der Schwangerschaft. Jeder hat Tipps und weiß etwas besser oder sagt, was passieren könnte. Das ist ein großer Druck, der so auf einer Frau lastet. Und wenn sich eine beklagt, dann heißt es: Das ist halt so, das war schon immer so. Das ist ja das Schlimme: Die älteren Frauen, die das nicht sagen durften, erlauben das auch den jüngeren Frauen nicht.
Im Allgäu und in Deutschland gibt es einen Mutterkult und unsägliche Debatten, ob Frauen arbeiten sollten. Jeder erwachsene Mensch sollte doch das Recht haben, für seine Existenz zu sorgen. Und die Gesellschaft sollte dafür sorgen, dass das möglich ist. Als ich daheim nicht glücklich war, sagte mein Mann: Jetzt hast du dich dazu entschieden, jetzt ist es halt so. Für ihn hatte sich nichts geändert, er konnte weiter arbeiten und Karriere machen und ich habe mich um die große Familie daheim gekümmert. Er musste auf nichts verzichten, ich auf viel.
Frauen hatten schon immer Depressionen, wenn sie Zuhause bleiben mussten und mit ihrer Mutterrolle nicht klar kamen. Wenn eine Frau heute einen Burnout hat, ist immer der Beruf schuld, keiner Fragt, ob es nicht vielleicht an der Familie liegt. Zu viel schlechtes Gewissen vielleicht: weil man es im Beruf nicht recht macht, dem Mann nicht, im Haushalt nicht, die Kinder weggibt. Da könnte das Umfeld ganz viel machen und helfen.
Ich definiere mich nicht über meine Kinder. Ich bin nicht nur Mutter, beziehungsweise nicht mehr Mutter als der Vater Vater ist. Meine Kinder wissen schon, dass ich es als Frau wichtig finde, auch etwas anderes zu tun. Ich habe ihnen aber nicht gesagt, dass ich das Muttersein bereue, bloß, dass ich es heute anders machen würde und sie ja liebe. Ich würde mir eine gute Kinderbetreuung wünschen und die Perfektion im Haushalt weglassen und mir keinen Druck machen lassen, aber arbeiten!“ Rauskommen und am Ball bleiben. Ich glaube schon, dass ich so glücklicher geworden wäre. Aber ich wurde nicht von meiner Mutter auf das Muttersein vorbereitet. Sie hat immer nur betont, dass ich es meinem Mann recht machen soll, das hat mir nicht geholfen. Bei meinen Kindern werde ich das anders machen. Ihnen werde ich raten, genau zu überlegen, ob sie Kinder möchten. Wenn ich nicht Oma werde, werde ich eben nicht Oma.
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