Kritik zum Bremen-Tatort: Experiment gelungen
Überforderte Angehörige, zwielichtige Mitarbeiter: Im Tatort aus Bremen ging es in die Abgründe des Pflegesystems. Warum "Im toten Winkel" lohnt.
"Im toten Winkel" hieß der neue Tatort aus Bremen, der Sonntagabend im Ersten lief. Hier erfahren Sie, worum es geht, was bei den Kommissaren lief - und, warum sich das Einschalten lohnte.
Handlung: Darum geht es beim Tatort
Als der Rentner Horst Claasen (Dieter Schaad) seine demenzkranke Frau tötet, sehen sich die Bremer Ermittler Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) mit einem gesellschaftlichen Tabuthema konfrontiert. Nach jahrelanger Pflege der Alzheimerpatientin war der alte Mann am Ende, auch finanziell.
Geht es hier tatsächlich um Mord - oder um einen gescheiterten Doppelsuizid? Bei den Ermittlungen begegnen die Kommissare der russischen Pflegemafia, überforderten Angehörigen und zwielichtigen Mitarbeitern. Durch Gutachter Kühne (Peter Heinrich Brix) gelangen sie immer tiefer in die Abgründe des Systems. Dann gibt es einen weiteren Toten...
Trailer: Vorschau auf den Bremen-Tatort am Sonntag
Kritik: Darum lohnt es sich, "Im toten Winkel" einzuschalten
Wie selbstverständlich hat sich der Tatort seinen Platz als Plattform für Krimis erarbeitet, in der alle Facetten gesellschaftlicher Probleme in Deutschland aufgegriffen werden – und trotzdem dabei etwas Spannendes herauskommt.
Die Bremer Redaktion hat das Thema häusliche Pflege in einen Film gefasst, der deutlich mehr Drama als Krimi ist. Im „toten Winkel der Gesellschaft“ sehen sich die Angehörigen, die bis zur Selbstaufgabe ihre Angehörigen pflegen, mit körperlichem und seelischem Leidensdruck, der sich mitunter unschön Bahn bricht, wenn etwa Akke Jansen die demente Mutter anherrscht: „Ich wünsche, du wärst tot!“
„Im toten Winkel“ zeigt in ruhigen Bildern, wie häusliche Pflege Menschen überfordern kann, die trotz aller Liebe auch ein eigenes Leben führen wollen. Der Hardcore-Tatort-Fan wird hier nicht bedient. Aber der engagierte Film kann dank eines Millionenpublikums Anstöße geben, nachdenklich machen. Experiment gelungen.
Pressestimmen und Quote: Wie war die Resonanz auf den letzten Tatort?
Als der SWR im Februar 2017 "Babbeldasch“ zeigte, waren die Kritiken historisch mies. Die Bild sprach gar vom "schlechtesten Tatort aller Zeiten". Das TV-Experiment in Ludwigshafen verzichtete damals auf ein klassisches ausformuliertes Drehbuch und setzte stattdessen auf Improvisation. Viele Darsteller außerhalb der üblichen Ermittlerbesetzung waren Laiendarsteller und sprachen im Pfälzer Dialekt.
Am vergangenen Sonntag legte Regisseur Axel Ranisch mit "Waldlust" seinen zweiten "Impro-Fall" nach (darum ging es im Tatort aus Ludwigshafen). Die Reaktionen? Besser als im Vorjahr, aber auch nicht wirklich berrauschend. Von den Kritikern gibt es vereinzelt Beifall und ziemlich viel Spott (zu den Pressestimmen). Die Quote war mit 8,23 Millionen Zuschauer zwar ordentlich, im bislang so starken Tatort-Jahr aber auch der schwächste Wert seit Neujahr.
Beim SWR will man Filme mit improvisierten Dialogen vorerst ohnehin nicht mehr drehen. "In dieser Richtung ist nichts Weiteres geplant", teilte der Sender unter der Woche auf Anfrage mit.
Sendetermine: Das sind die kommenden Tatort-Folgen am Sonntag
18. März: "Tatort: Mitgehangen" (Köln)
25. März: "Polizeiruf 110: Starke Schultern" (Magdeburg)
01. April: "Tatort: Ein Fuß kommt selten allein" (Wdh., Münster)
08. April: "Tatort: Unter Kriegern" (Frankfurt)
15. April: "Tatort: Ich töte niemand" (Franken)
22. Aprlil: "Alles was Sie sagen" (Hamburg/Umgebung)
drs
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