
Meret Becker: #allesdichtmachen war "sehr lehrreich"


Exklusiv Schauspielerin Meret Becker erzählt, warum sie bei einer Aktion wie #allesdichtmachen nicht mehr mitmachen würde und was sie nach dem „Tatort“-Ausstieg plant.
Frau Becker, Sie waren eine der Schauspielerinnen, die an der umstrittenen Aktion #allesdichtmachen teilgenommen haben. Schauspieler kritisierten dabei ihre Situation in der Corona-Krise. Die Kritik an den teils missglückten Videos war riesig. Haben Sie sich davon erholt?
Meter Becker: Langsam geht’s wieder. Das war schon ein Trip. Nur dass der normalerweise nach 24 Stunden vorbeigeht, dieser schien ewig.
Würden Sie an so einer Aktion aus heutiger Sicht nochmals teilnehmen?
Becker: Nein. Ich finde es zwar gut und wichtig, dass etwas gemacht wurde, dazu stehe ich. Aber die Form war nicht meins. In einer Form, die mir liegt, hätte ich auch die Tritte besser weggesteckt. Die Aktion fand ich trotzdem wichtig und hochinteressant, nur hätte ich sie mir lieber von außen angeschaut.
Haben wir verlernt, andere Meinungen auch mal stehen zu lassen?
Becker: Die Reaktion war viel zu heftig. Aber es war fast zu befürchten. Deshalb gab es die Aktion ja letztlich. Das ist so eine Art loop, eine Endlosschlaufe.

Warum haben Sie Ihr Video zu #allesdichtmachen im Nachgang gelöscht?
Becker: Ich hatte das Missverständnis befürchtet, mich aber wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung dafür entschieden. Als es also missverstanden wurde, war ich innerlich eigentlich schon darauf vorbereitet und habe sehr schnell reagiert. Dafür gab’s fast mehr Schelte als fürs Mitmachen. Das waren schon alles viele interessante Gedankengänge, sehr lehrreich, und manchmal wusste man nicht mehr, wo oben und unten ist. Es gab Verschwörungstheorien aller Art, von sämtlichen Seiten. Eine beteiligte Kollegin meinte, sie fühle sich wie in einem Lynch-Film.
Nun zum Positiven. Das Corona-Grau lichtet sich. Wie empfinden Sie die neu sprießende Freiheit im Land?
Becker: Ich freue mich über lachende Menschen in Cafés. Kürzlich hatte ich meinen ersten Kinobesuch. Da kamen mir die Tränen. Ich bin so dicht am Wasser gebaut. Es war etwas peinlich, es sind ja nicht alle Cineasten oder Filmschaffende, die da um einen rumsitzen.
Glauben Sie, dass sich das Kino von der Corona-Krise erholen wird?
Becker: Es wird dauern. Das ist wie bei einem Dominospiel. Sie stupsen nur einen Stein um und es fällt eine ganze Reihe. Es gibt zum Glück viele kluge Menschen, die sich dessen annehmen. Aber leider sind viele draufgegangen. Natürlich immer die Kleinen, die Feinen.
Was hat die Corona-Krise mit Ihnen gemacht?
Becker: Das kommt darauf an. Viele sagen, ich will mein altes Leben zurück. Das möchte ich nicht. Ich würde gern besser aus dieser Krise rausgehen.

In Ihrem neuen „Tatort“ geht es um die Immobilienkrise (Kritik siehe unten, Anm. d. Red.). Ein Mietshaus wird luxussaniert, die alten Mieter sollen rausfliegen. Der Krimi setzt hart an der Wirklichkeit an, oder?
Becker: Ein Krimi kratzt höchstens an der Wirklichkeit. Er ist in erster Linie Unterhaltung. Aber natürlich nutzen wir die Chance, Gedanken anzustoßen oder auch nur zu sagen: Du wirst gesehen, es wird wahrgenommen. Der „Tatort“ erreicht ja ein großes und diverses Publikum.
Bei Wohnungsbesichtigungen im Prenzlauer Berg stehen Hunderte Schlange. Berührt Sie das?
Becker: Es ist eine absurde Szenerie. Wie bei einem Vorsprechen. Das Schlimme daran ist, dass man die Chancenungleichheit so deutlich merkt. Was mich wirklich umhaut, ist, wie viele Menschen derzeit in Berlin wohnungslos sind. Die Betten unter den U-Bahn-Brücken, das sind so viele geworden. Das ist in so extremer Form neu hier. Der Kampf um bezahlbaren Wohnraum nimmt nicht nur in Berlin immer mehr zu.
Was müsste passieren, damit sich die Lage wieder drehen würde?
Becker: Es gibt wirklich tolle Konzepte, in denen es ein diverses Miteinander – auch was finanzielle Vielfalt angeht – geben könnte. Es ist halt die Frage, wie viele dieser Konzepte umgesetzt werden, weil Gerechtigkeit meist kein lukratives Geschäft ist, sondern ein anständiges. Und Kapitalismus ist in bestimmten Bereichen eben in höchstem Maße unanständig. So auch beim Wohnen.
Es ist einer Ihrer letzten „Tatorte“, weil Sie im Frühjahr 2022 aussteigen. Wie geht es Ihnen damit, so einen sicheren beruflichen Hafen zu verlassen?
Becker: Durch Corona gab es große finanzielle Einbußen im Live-Bereich, die ich jetzt ohne die sichernde Stelle beim „Tatort“ wieder reinholen muss. (...) Ich habe noch viel vor. Quote interessiert mich nach über 30 Jahren Arthouse-Kino, Konzerten, Varieté, Theater, Zirkus, Tanztheater tatsächlich wenig.

Stehen schon neue berufliche Projekte an? Und wenn ja – welche?
Becker: Ich bin sehr abergläubisch, die ungelegten Eier und so. Aber Konzerte wird es wohl geben, davon gehe ich schwer aus. Sonst schmoll ich richtig, echt!
Zur Person: Meret Becker, 52, stammt aus einer Künstlerfamilie. So ist beispielsweise auch ihr Bruder Ben ein bekannter Schauspieler. Bekannt wurde sie etwa durch Helmut Dietls „Rossini“. Sie trägt das Bundesverdienstkreuz für gesellschaftliches und künstlerisches Engagement und ist auch Musikerin.
Lesen Sie dazu auch:
Die Diskussion ist geschlossen.
Die "vielen" Betten unter den U Bahn Brücken müssen nicht sein. Die Politik sollte den Zuzug
in die Großstädte mehr regulieren. Arbeitsplätze gehören ins weitere Umland dieser Städte
geschaffen und dort sollte auch gebaut werden, sozial und verträglich. Eventuell auch
in den Dörfern leerstehende Häuser sanieren und wieder bewohnen. Mit grüner neoliberaler
Politik ist dies aber nicht machbar.
"Mit grüner neoliberaler Politik"
Neoliberale Politik finden Sie, mit Verlaub, schon eher bei CSU/CDU/FDP/AfD (ja, auch bei denen) . . .
Danke für das Interview. Es bestätigt erneut, dass sehr vernünftige Leute bei #allesdichtmachen mitgemacht haben. Ich fand die Aktion vollstens berechtigt, aber schade, dass nicht alle der teilnehmenden KünstlerInnen KEINE vorgegebene Texte aus dem Kreis "der Intendanz" der Aktion gesprochen hatten, und nicht alle wie JJL einen eigenen Text. Letzteres wäre runder, weil authentischer gewesen, hätte nicht als Kampagne mit betimmten Unterton gewirkt, die Rücknahmequote von Videos wäre geringer gewesen, wenn es denn überhaupt den Spießer-Aufschrei gegen die Aktion gegeben hätte.
Das umstrittene "Mehr Angst, bitte"-Statement von Volker Bruch ist übrigens wissenschaftlich untermauert: ANGST ist (leider) ein gesellschaftstreibender Normierungsfaktor, auch in unserer Zeit zumindest mehr oder weniger subtil systemimmanent, und ein Problem sind die divergierenden Vorstellungen davon, was uns heutzutage Angst macht an den Zuständen in der Welt, wogegen also die gesellschaftlichen Normen gesetzt werden müssen - siehe SWR2-Wissen Sendung Aula vom Donnerstag, https://www.swr.de/swr2/wissen/leben-in-der-angstgesellschaft-swr2-wissen-aula-2021-06-03-100.html , Vortrag von Prof. Grau über die Problematik Angstgesellschaft.
Wer nach dieser Sendung Volker Bruch noch negativ kritisiert für sein Statement, hat die Welt nicht verstanden oder will sie nicht verstehen.
die jüngste Version dieses Beitrags gleicht 1:1 der ersten und ist ein versehentliche Doppelt-Posting. Bitte die Dublette entferenen, und bsi dahin Antworten an die erste gleich Version anhängen, bis wieder Ordnung herrscht . Sorry für die Umstände-
@ Uwe K.
Wenn ich Ihren Beitrag richtig verstanden habe, fordern Sie u.a., dass jede Meinung geäußert werden darf, ohne dafür schräg angemacht oder gar beschimpft/beleidigt zu werden. Das kann man nur unterstützen.
Da Sie allerdings Menschen, die die Beiträge von allesdichtmachen inhaltlich nicht gut finden, pauschal als Spießer abtun, zeigen Sie, dass die geforderte Meinungsfreiheit wohl nur für Ihre eigene Meinung gelten soll.
Gleiches bei der Beurteilung des Statements von V. Bruch. Sie finden es gut, aber alle mit einer anderen Meinung haben die Welt nicht verstanden oder wollen sie nicht verstehen.
Zu einer offenen Debatte kommt es mit einer derartigen Haltung sicher nicht, wohl aber zu immer mehr verhärteten Gegenpolen, die Ihrem oben genannten Anliegen einen Bärendienst erweisen.
Danke für das Interview. Es bestätigt erneut, dass sehr vernünftige Leute bei #allesdichtmachen mitgemacht haben. Ich fand die Aktion vollstens berechtigt, aber schade, dass nicht alle der teilnehmenden KünstlerInnen KEINE vorgegebene Texte aus dem Kreis "der Intendanz" der Aktion gesprochen hatten, und nicht alle wie JJL einen eigenen Text. Letzteres wäre runder, weil authentischer gewesen, hätte nicht als Kampagne mit betimmten Unterton gewirkt, die Rücknahmequote von Videos wäre geringer gewesen, wenn es denn überhaupt den Spießer-Aufschrei gegen die Aktion gegeben hätte.
Das umstrittene "Mehr Angst, bitte"-Statement von Volker Bruch ist übrigens wissenschaftlich untermauert: ANGST ist (leider) ein gesellschaftstreibender Normierungsfaktor, auch in unserer Zeit zumindest mehr oder weniger subtil systemimmanent, und ein Problem sind die divergierenden Vorstellungen davon, was uns heutzutage Angst macht an den Zuständen in der Welt, wogegen also die gesellschaftlichen Normen gesetzt werden müssen - siehe SWR2-Wissen Sendung Aula vom Donnerstag, https://www.swr.de/swr2/wissen/leben-in-der-angstgesellschaft-swr2-wissen-aula-2021-06-03-100.html , Vortrag von Prof. Grau über die Problematik Angstgesellschaft.
Wer nach dieser Sendung Volker Bruch noch negativ kritisiert für sein Statement, hat die Welt nicht verstanden oder will sie nicht verstehen.