Rabbiner zu Übergriffen: „Häufig von muslimischer Seite angefeindet“
Der Berliner Rabbiner Yehuda Teichtal, der jüngst selbst angegriffen wurde, spricht im Interview zu der antisemitischen Attacke in München.
Herr Teichtal, Sie sind seit 23 Jahren Rabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Ihr Rabbiner-Kollege in München ist mit seinen beiden Söhnen am Samstag nach dem Besuch der Synagoge bespuckt und beleidigt worden. Ihnen ist das Gleiche vor einigen Tagen in Berlin passiert. Wie fühlt man sich in einem solchen Moment?
Yehuda Teichtal: Es war dramatisch und erniedrigend, so etwas in Deutschland erleben zu müssen – zumal wenn – wie bei mir – ebenfalls ein eigenes Kind dabei gewesen ist. Ich bin in New York geboren und aufgewachsen. In Amerika ist mir etwas Vergleichbares nie passiert.
Die Täter, die Sie attackiert haben, sprachen deutsch und arabisch. Auch bei einem ähnlich gelagerten Fall am Prenzlauer Berg im April 2018 war der Täter, der einen Kippa tragenden Juden mit einem Gürtel schlug, ein Araber – in diesem Fall ein Syrer. Ist der Antisemitismus in Deutschland vor allem muslimischer Herkunft?
Teichtal: Das kann man so nicht pauschalisieren. Antisemitismus ist ein Gift, das es von rechts gibt, von links und von muslimischer Seite. Schlussendlich bleibt es aber ein Gift. In Berlin leben circa 40000 Juden, von denen etwa 11000 zu unserer Gemeinde gehören. Ich spreche mit vielen Mitgliedern unserer Gemeinde. Mein Eindruck ist, dass sie häufig vor allem von muslimischer Seite angefeindet werden. So wird es mir zumindest von den Menschen berichtet. Das ist natürlich keine empirische Erhebung, aber der Eindruck, den ich als Rabbiner gewinne. Und dieser hat wohl eine gewisse Aussagekraft.
Sind Sie auch schon von Rassisten deutscher – also nicht muslimischer – Herkunft attackiert worden?
Teichtal: Vor fünf oder sechs Jahren bin ich von Menschen verbal aus einem Auto heraus attackiert worden. Ich kann aber nicht sagen, ob das rechts- oder linksmotiviert war.
Was sagen Sie zu dem Fall in München?
Teichtal: Ich habe – nachdem ich ja auch selbst ein Betroffener bin – große Anteilnahme und Mitgefühl. Attacken auf einen Teil der Gesellschaft sind immer auch eine Attacke auf die ganze Gesellschaft. Wir müssen es mit viel Bildung und Sensibilisierung schaffen, dass solche Dinge nicht mehr passieren. Es gibt auch viel Anteilnahme aus der nichtjüdischen deutschen Bevölkerung an unserer Situation. Jüngst habe ich erst mit Bundespräsident Steinmeier in dieser Sache Kontakt gehabt. Das tut gut. Aber es reicht nicht. Es ist erst gut, wenn solche Attacken gar nicht mehr passieren.
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