Jane Campion in der Cannes-Jury: Die Nimmersatte
Als Regisseurin schrieb sie in Cannes Geschichte. Jetzt ist Jane Campion Jury-Präsidentin – und schockiert andernorts.
Jane Campion hat Filme satt. Nicht mehr zeitgemäß sei das Format, sagt die neuseeländische Filmemacherin einer britischen Zeitung und wird kein ganzes Jahr später Jury-Präsidentin des wichtigsten Filmfestivals der Welt.
Jane Campion gewinnt als erste Frau die goldene Palme
Campion und Cannes. Das ist die Geschichte einer frühen Liebe anno 1984, als die 30-Jährige den Kurzfilm-Preis gewinnt. Cannes und Campion. Das ist auch die Geschichte, an deren Höhepunkt ein Klavier an der rauen Küste Neuseelands steht. Bespielt von einer stummen Holly Hunter, zerstört von einem eifersüchtigen Sam Neill, gerettet von einem liebenden Harvey Keitel und die streng viktorianisch gekleidete Tochter tanzt gegen die Unterdrückung der Weiblichkeit an.
Campions Film „Das Piano“ erhält 1993 nicht irgendeine Goldene Palme, sondern die erste und einzige für eine Frau in einem männerdominierten Wettbewerb. Nur für ein Jahr und nur für Jane, bevor Quentin (Tarantino), Roman (Polanski) und Michael (Haneke) die lange Serie der Männervornamen auf den goldenen Palmzweigen fortführen.
Bis zum Welterfolg verläuft ihr Leben zwischen Neuseeland und Australien, Familie und Studium wie ein Masterplan. Lernen, filmen, Erfolge feiern. Seitdem hält sie ihr Privatleben erst recht geheim. Campion lebt in ihren Filmen.
Heute – zur Eröffnung – geht die 60-jährige Campion wieder über den roten Teppich in Cannes. Entspannter als vor zwei oder drei Jahrzehnten. „Das Piano“ ist ein Stück Filmgeschichte. Statt selbst einen Beitrag einzureichen, bewertet sie die Kunstfertigkeit ihrer Kollegen.
Campion: kein Erfolg nach "Das Piano"
Ihr letzter Film liegt fünf Jahre zurück. Trotz Nominierungen gewann das biografische Stück „Bright Star“ über den britischen Dichter John Keats keinen Preis. „In the Cut“ (2003) mit Meg Ryan verpasste eine Nominierung, während über „Portrait of a Lady“ mit Nicole Kidman und John Malkovich als Nachfolger von „Das Piano“ 1996 Kritiker einstimmig schreiben: zu schwülstig, zu verkünstelt, netter Versuch, aber kein Vergleich zum Klavier am Strand.
Campion ist zweifellos eine große Regisseurin, die allerdings auf einen Film reduziert wird. Zwei Jahrzehnte, die zwischen Welterfolg und Jury-Präsidentschaft Spuren in ihrem Leben hinterlassen. Zuletzt verabschiedete sie sich aus dem Kino, kreierte und produzierte „Top of the Lake“ fürs Fernsehen.
Die Miniserie beginnt mit einem Paukenschlag: Eine Zwölfjährige scheitert beim Versuch, sich im See zu ertränken. Eine Szene, die an das Ende von „Das Piano“ erinnert. Die stumme Ada lässt das Seil los, das sie in die Tiefe des Pazifiks ziehen soll. Die Botschaft einer Regisseurin auf der Suche nach Neubeginn? Sicher ist nur: Campion hat Hunger auf mehr.
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