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Foto: Michael Kappeler, dpa
Foto: Michael Kappeler, dpa

Papst Benedikt XVI. im Jahr 2013. Jetzt sorgt er mit seinen Aussagen zum Missbrauchsskandal für Diskussionen.

Kirche
11.04.2019

Benedikt irritiert mit Aussagen zum Missbrauchsskandal

Von Julius Müller-Meiningen

Was der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. über die tiefe Krise der katholischen Kirche und den Missbrauchsskandal schreibt, sorgt für Diskussionen.

Benedikt XVI. wird kommende Woche 92 Jahre alt. Der emeritierte Papst bringt seine Tage im Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae zu, sein Körper baut altersgemäß ab. Fortbewegung ist ihm nur noch im Rollstuhl möglich, berichten Vertraute. Geistig, so hieß es zuletzt immer wieder, nehme Joseph Ratzinger aber weiterhin rege am kirchlichen Leben teil. Darauf deutet auch ein 19 Seiten langes Manifest zu den Ursachen und Folgen des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche hin, das Benedikt XVI. nun im bayerischen Klerusblatt veröffentlicht hat. Die Analyse ist eine schonungslose gesellschaftliche Anklage und die Verteidigungsschrift einer traditionalistischen Kirche.

Benedikt berichtet in seiner nach eigener Darstellung mit dem vatikanischen Staatssekretariat und mit Papst Franziskus abgestimmten Veröffentlichung, dass er sich anlässlich der Vatikankonferenz zum Missbrauch von Kindern und Jugendlichen persönliche Notizen gemacht habe. Franziskus hatte Ende Februar die Vorsitzenden aller katholischen Bischofskonferenzen weltweit zu viertägigen Beratungen zum Thema berufen. Das Ergebnis der Konferenz blieb vage.

Benedikt fühlte sich nun offenbar bemüßigt, seinen Teil zur Debatte beizutragen. „Der emeritierte Papst ist eigenständig an uns herangetreten“, heißt es in der Münchner Redaktion des Klerusblattes. Die Motivation der Veröffentlichung seiner Gedanken, so Ratzinger, sei, die Kirche wieder „als Licht unter den Völkern und als helfende Kraft gegenüber den zerstörerischen Mächten glaubhaft zu machen“. In seiner Analyse widmet er sich vor allem den gesellschaftlichen Bedingungen, die sexuellen Missbrauch von Minderjährigen möglich gemacht hätten.

Benedikt sieht Schuld auch bei "68er Revolution"

Der emeritierte Papst verortet die Hintergründe in der „68er Revolution“, in der die „bisher geltenden Maßstäbe in Fragen Sexualität vollkommen weggebrochen“ seien. Ratzinger macht auch die staatlich geförderte Sexualerziehung als Wegbereiter aus. Im Aufsatz heißt es: „Zu der Physiognomie der 68er Revolution gehörte, dass nun auch Pädophilie als erlaubt und als wenigstens angemessen diagnostiziert wurde.“

Diese Entwicklung habe auch großen Einfluss auf die Ausbildung von Priesteramtskandidaten gehabt. Es habe in der Folge „homosexuelle Clubs“ in Priesterseminaren gegeben. Ein Bischof habe seinen Seminaristen damals angeblich zur Abschreckung Pornofilme vorführen lassen. „Meine Bücher wurden wie schlechte Literatur verborgen und nur gleichsam unter der Bank gelesen“, schreibt der frühere Theologieprofessor über die Zustände in Fakultäten und Seminaren der damaligen Zeit. Diese Entwicklung setzt Benedikt in Verbindung mit dem „Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie“ in Folge einer Fehlinterpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils (1963-65) mit seinen Reformen. Bestrebungen der Relativierung von Gut und Böse, wie sie etwa in der „Kölner Erklärung“ progressiver Theologen von 1989 zu erkennen gewesen seien, habe sich sein Vorgänger Johannes Paul II. mit seiner traditionellen Morallehre entgegengestellt.

Für Diskussionen dürfte auch der letzte Teil des Manifests sorgen, in dem Benedikt auf die Grundlagen des katholischen Glaubens im Hinblick auf Missbrauch zu sprechen kommt. Dem Bedürfnis des damaligen Zeitgeistes, die Angeklagten zu schützen, sei vor allem der mangelnde Schutz des Glaubens hinzuzufügen. Notwendig sei die „Erneuerung des Glaubens an die uns geschenkte Wirklichkeit Jesu Christi im Sakrament“. Dies sei ihm in Gesprächen mit Opfern bewusst geworden. Man müsse alles tun, „um das Geschenk der heiligen Eucharistie vor Missbrauch zu schützen“, lautet seine Diktion.

Das Manifest wurde am Donnerstag auch von anderen Agenturen und Tageszeitungen veröffentlicht, an die der Text aus dem Umfeld Benedikts durchgestochen wurde. Der Corriere della Sera bezeichnete ihn als „Schlag in den Magen“ der katholischen Reformer. Dass damit nicht Papst Franziskus gemeint ist, dafür baute der emeritierte Papst in seinem Artikel vor. Am Ende möchte er Papst Franziskus danken, „für alles, was er tut, um uns immer wieder das Licht Gottes zu zeigen“, schreibt Ratzinger und fügt hinzu: „Danke, Heiliger Vater!“

Hier lesen Sie unseren Kommentar: Benedikt hätte besser geschwiegen.

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