
Knallerei rund ums Ei

Ruppertsberg (dpa) - Kimme, Korn - und ab ins Körbchen! Mit diesem Ziel treten derzeit vielerorts in Deutschland Menschen zum "Ostereierschießen" an.
Die Regeln des Brauchs, der von Schützenvereinen gepflegt wird, sind einfach: Gegen Gebühr können Besucher mit einem Luftgewehr auf eine Scheibe schießen. "Wer ins Schwarze trifft, kriegt ein Ei, wer den Zehner (die Mitte) trifft, kriegt zwei Eier", erklärt der Oberschützenmeister der Schützengesellschaft im pfälzischen Ruppertsberg, Werner Stauder. Mehrere tausend Gäste begrüßt seine Gesellschaft pro Jahr zu der Knallerei rund ums Ei.
Der Brauch ist nach Angaben des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften weit verbreitet. "Deutschlandweit gibt es das", sagt Pressesprecher Rolf Nieborg. Und jeder mache es anders. An wieviel Orten Ostereierschießen auf dem Programm steht, sei aber nicht zu sagen. Genauso gut könne man fragen, in wievielen Kindergärten noch mit Murmeln gespielt wird. Nach Stauders Angaben ergab eine Internetrecherche, dass 580 Vereine zum Schießen rund um Ostereier einladen.
Seit 1965 wird zu Ostern in Ruppertsberg angelegt, die Schützengesellschaft hat bislang fast zwei Millionen Eier (1 860 840) als Preis vergeben. Im Jubiläumsjahr soll es nach dem Willen der Schützen besonders hoch hergehen: Der bisherige Rekord von 67 310 ausgegebenen Eiern aus dem Jahr 2002 soll gebrochen werden. "Wenn wir gutes Wetter haben, bin ich zuversichtlich", sagt Stauder.
Die Gaudi, zu der die Besucher sogar von weiter her anreisen, hat allerdings ihre Regeln - und ihren Preis. 2,50 Euro muss der Schütze für zehn Schuss bezahlen. Dann kann er an einem von 30 Schießständen mit einer Waffe des Vereins auf die zehn Meter entfernte Scheibe anlegen. "Das ist normale internationale Wettkampfentfernung", erklärt Stauder. Etwa 80 Prozent der Schüsse erzielen nach Angaben des 64-jährigen Diplom-Bauingenieurs einen Ei-Gewinn.
Manche Besucher kommen seit Jahren und besorgen sich auf diesem Weg ihre Ostereier. "Da färbt keiner mehr zu Hause", sagt Stauder. Das tut die Schützengesellschaft selbst auch nicht. Die rund 60 000 verwendeten Eier, die von einer Hühnerfarm in Worms stammen, werden mit zwei kleinen Lastwagen angeliefert - bereits eingefärbt in sechs verschiedenen Farben. "Die sind meist noch warm", sagt Stauder. Bis zu 30 000 Eier hatten die Schützen früher selbst gekocht und gefärbt. "Das war eine unwahrscheinliche Arbeit. Die Leute haben wir nicht mehr", erinnert sich der 64-Jährige.
Nach seiner Einschätzung gehört die Gesellschaft zu den ersten, die mit dem Brauch begannen. Noch eher war allerdings die Troisdorfer Schützenbruderschaft St. Sebastian 1924 e.V. aus Nordrhein-Westfalen dran, die damit nach eigenen Angaben 1962 loslegte. Auch die Hersfelder Schützengilde 1252 aus dem hessischen Bad Hersfeld - nach eigenen Angaben einer der ältesten Vereine in Deutschland - hat das Ostereierschießen nach Angaben seiner Homepage im Programm.
Der Archivar des Deutschen Schützenbundes und Leiter des Deutschen Schützenmuseums in Coburg, Stefan Grus, meint, dass der Brauch nach dem Zweiten Weltkrieg aufgekommen und in den 1960er Jahren populär geworden ist. "Es wird in den Vereinen als Saisoneröffnungsschießen benutzt." Als regelrechte Schützentradition - wie das seit dem Mittelalter organisierte "Vogelschießen" auf einen Holzvogel - könne man es aber nicht bezeichnen.
Der Vorsitzende des Schützenvereins Hanhofen (Rhein-Pfalz-Kreis) Rainer Düttra meint, der Brauch sei abgeleitet vom Offiziersschießen im 18. Jahrhundert. "Es ist ganz schwierig, da was rauszufinden." In Hanhofen gibt es auch das "Glücksschießen": Die Schützen zielen auf eine Scheibe mit verschiedenen Zahlen, die aus der Distanz nicht zu erkennen sind. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt einen von acht Schokoladen-Osterhasen, der größte misst 80 Zentimeter und wiegt 1,5 Kilo. "Das ist eine Abwandlung, um es ein bisschen interessanter zu machen", sagt Düttra.
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