Kritik an Kreuzfahrt-Touristen: "Wie eine Heuschreckenplage"
Ob in Deutschland, Italien oder Spanien: Überall machen Umweltschützer und Anwohner mobil. Auch Politiker fordern strengere Regeln.
Weltweit weht dem Kreuzfahrttourismus immer schärferer Wind entgegen. Sei es im italienischen Venedig oder im deutschen Kiel, wo am vergangenen Samstag etwa 200 Demonstranten durch die Innenstadt zum Ostseekai gezogen sind. „Klimaschutz statt Kreuzfahrtschmutz“, skandierten sie. Auch in den spanischen Mittelmeerstädten Barcelona und Palma de Mallorca regt sich Widerstand gegen die vielen Kreuzfahrtschiffe, die in den Häfen festmachen.
Barcelona und Palma sind die beiden wichtigsten Kreuzfahrthäfen Spaniens. Umso bedeutender ist es, wenn – wie jetzt geschehen – Barcelonas linksalternative Bürgermeisterin Ada Colau forderte, die Zahl der Kreuzfahrtschiffe im Hafen zu deckeln. „Wir müssen Limits festlegen, wir haben keine unbegrenzte Aufnahmekapazität“, sagte sie und sprach sich gegen Pläne aus, den Hafen auszubauen, um mehr Passagierschiffe aufnehmen zu können. „Wir können nicht länger über unendliche Erweiterungen sprechen.“
Kreuzfahrtschiffe sorgen für Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung
Im vergangenen Jahr machten 830 der riesigen Passagierschiffe in der Mittelmeerstadt Station. Die Kreuzfahrtschiffe brachten 2018 insgesamt drei Millionen Besucher in die Stadt. Dies sorgt, vor allem wegen der Abgasbelastung, nicht nur für Umweltprobleme. Sondern auch für Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung, die sich darüber beklagt, dass es durch die Touristenmassen in ihrer Altstadt zu voll wird. Örtliche Bürgerinitiativen protestieren schon länger gegen die schwimmenden Urlaubsinseln, die mit tausenden Touristen an Bord vor Anker gehen.
„Stoppt die Kreuzfahrten“, stand etwa auf Transparenten, mit denen Demonstranten im vergangenen Jahr die „Symphony of the Seas“ in Empfang nahmen. Die „Symphony“ ist mit nahezu 7000 Passagieren und mehr als 2000 Besatzungsmitgliedern das größte Passagierschiff der Welt.
Die Lokalpolitikerin Gala Pin verglich vor einigen Monaten das scharenweise Auftauchen der Kreuzfahrttouristen, die oft nur wenige Stunden in Barcelona bleiben, mit einer Heimsuchung: „Das ist wie eine Heuschreckenplage“, sagte sie. „Sie verschlingen die öffentlichen Plätze und verschwinden dann wieder.“ Barcelonas berühmte und pittoreske Markthalle „La Boqueria“, eine der Hauptattraktionen in der Altstadt, zog bereits Konsequenzen: Nachdem Touristen immer wieder den Markt verstopften und die Geschäfte der dortigen Händler erschwerten, wurde der Zugang für organisierte Gruppen mit mehr als 15 Personen reglementiert: Freitags und samstags, den wichtigsten Markttagen, müssen große Reisegruppen nun draußen bleiben.
Im Sommer ankern bis zu fünf Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig
Laut einer Studie der internationalen Umweltplattform „Transport & Environment“ ist in keinem europäischen Hafen die Luft so schlecht wie in Barcelona. Die Schuld hätten vor allem die vielen Kreuzfahrtschiffe. Diese lassen am Liegeplatz ihre mächtigen Dieselmotoren laufen, um die Elektrizitätsversorgung an Bord sicherzustellen.
Ein Problem, das die Hafenbehörde mit einer Solarstromfabrik bekämpfen will – damit die Schiffe in Zukunft wenigstens im Hafen mit Ökostrom versorgt werden können. Auch in Palma, Hauptstadt der Baleareninsel Mallorca und Spaniens zweitwichtigstes Kreuzfahrtziel, wollen Politiker die Zahl der Kreuzfahrtschiffe begrenzen. Der sozialistische Tourismusminister der Balearischen Inseln, Iago Negueruela, erklärte unmissverständlich: „Man muss Grenzen für die Kreuzfahrtschiffe einführen.“ Wie dies konkret umgesetzt werden soll, sagte er noch nicht.
Im Jahr 2018 hatten 560 Kreuzfahrtschiffe in Palmas Hafen festgemacht. Vor allem im Sommer, wenn manchmal fünf Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig ankern, wird es dort eng. 23 mallorquinische Bürgerinitiativen forderten jüngst in einem Manifest, dass pro Tag nur noch eines der gigantischen Passagierschiffe in Palma anlegen solle.
Im kroatischen Kreuzfahrthafen Dubrovnik haben die Behörden schon ernst gemacht: Seit 2019 dürfen in der Mittelmeerstadt, die mit ihrer historischen Altstadt jedes Jahr Millionen von Besuchern anzieht, nur noch zwei Kreuzfahrtschiffe pro Tag festmachen.
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Nicht immer alles auf die Kreuzfahrtbranche schieben
Wie der Artikel in der Augsburger Allgemeinen zeigt, ist es ist heutzutage unter den Medien "schick", der Kreuzfahrtbranche die Schuld an der Umweltbelastung der großen Häfen und ihrer Umgebung zu geben. Da wundert es schon, dass die betroffenen Reedereien und auch die Hersteller der großen Schiffsdieselmotoren, wie das Augsburger Unternehmen MAN, sich nicht mit entsprechenden Gegenargumenten Gehör verschaffen.
Tatsächlich wird nämlich die Luftverschlechterung in den Hafengebieten nur zum kleinen Teil durch Kreuzfahrtschiffe verursacht, deren Maschinenanlagen wohl die modernsten und saubersten in der gesamten Schifffahrt sind. Um beim Beispiel des Hafens Barcelona zu bleiben: bei den im Artikel erwähnten 830 "riesigen Passagierschiffe", die 2018 in Barcelona anlegten, handelte es sich nur zum Teil um Kreuzfahrtschiffe; die meisten waren andere kleinere Passagierschiffe und Passagierfähren bis hin zu den zahlreichen Ausflugsbooten. Doch selbst alle 830 Passagierschiffe machen nach Angaben der Hafenbehörde Barcelonas nur 9,2 % aller dort im Jahr 2018 angelegten Schiffe aus. Dass viele Kreuzfahrtschiffe in den Häfen ein oder zwei ihrer Motoren in den Liegezeiten zur Hotelversorgung laufen lassen, hängt damit zusammen, dass - wenn überhaupt - nur eine einzige Landstromanlage zur Verfügung steht oder dass es einfach deutlich wirtschaftlicher ist, den Strom an Bord durch die Dieselgeneratoren zu erzeugen. Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Umweltbelastung in den Häfen durch die zahlreichen Hafenschiffe (Fähren, Barkassen, Tankschiffe, Schlepper usw.) sowie durch den massiven Straßenverkehr auf den Straßen zu und in den Häfen verstärkt wird. Kommen dann auch noch Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft und Intensivviehhaltung im Hinterland der Häfen hinzu (Beispiele: Hamburg, Kiel), verstärkt sich die Schadstoffbelastung und damit die Auswirkung auf das Klima deutlich.
Moderne Kreuzfahrtschiffe sind heute keine Dreckschleudern mehr, wie dies die Medien gerne darstellen, denn sie erfüllen voll die strenger werdenden internationalen, europäischen und gfls. auch nationalen Vorschriften. Sie werden ab Januar 2020 noch sauberer, wenn der maximale Schwefelgehalt des Schiffskraftstoffes nur noch max. 0,1 % (derzeit max. 3,5 %) betragen darf und auch der NOx-Ausstoß der Schiffs-Dieselmotoren drastisch gesenkt werden muss.
Horst Köhler, Friedberg, 9.8.2019