Mauscheleien in der Hofreitschule?
Verdankt die neue Leiterin in Wien ihren Posten nur der berühmten österreichischen „Freunderlwirtschaft“?
Die Hofreitschule in Wien ist eine Art Nationalheiligtum der Österreicher. Entsprechend leidenschaftlich wird in der Alpenrepublik über sie diskutiert. Sollen Wiens Lipizzaner die Hohe Schule der klassischen Reitkunst pflegen oder als Touristenmagnet Geld verdienen? Dieser Streit flammt immer wieder auf – und erreicht nun einen neuen Höhepunkt.
Die bisherige Chefin der Spanischen Hofreitschule, Elisabeth Gürtler, frühere Inhaberin des Hotels Sacher und mit allen Wiener Wassern gewaschene Geschäftsfrau, legt nach zwölf Jahren ihr Amt nieder. Ihre Nachfolgerin wird Sonja Klima, Ex-Frau des österreichischen Bundeskanzlers Viktor Klima, SPÖ. Sie ist gelernte Volksschullehrerin und war im Charity-Geschäft für die Ronald McDonald Kinderhilfe aktiv. Sie liebt Pferde und ist an einem Gestüt beteiligt. Doch das ist vielen Wienern nicht Eignung genug. Das ÖVP-Landwirtschaftsministerium habe bei dieser Personalentscheidung Druck auf den Aufsichtsrat der Hofreitschule ausgeübt, heißt es. Darum sei Klima dem höher qualifizierten Gegenkandidaten Herwig Ladstetter, Administrativer Leiter der Hofreitschule und erfahrener Bereiter, vorgezogen worden. Das Amt sei ein Zuckerl dafür, dass Klima Wahlkampf für die niederösterreichische Landeschefin Johanna Mikl Leitner, ebenfalls ÖVP, gemacht habe. Außerdem lasse sich die 55-jährige Society-Lady gern an der Seite von Kanzler Sebastian Kurz ablichten, so die Gegner der Entscheidung.
Fachleute der Hofreitschule treten zurück
Aus Zorn über die Benennung Klimas hagelte es Rücktritte. Sämtliche Fachleute fürs Dressurreiten warfen aus Protest hin. Auch ein Mitglied des Aufsichtsrates, der frühere Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, legte sein Amt nieder, weil er die Entscheidung für Klima nicht mittragen wollte.
„Freunderlwirtschaft“ und die Ämtervergabe nach politischer Couleur sind in Wien nichts Negatives, sondern Alltag. Auch der Konflikt zwischen den sehr selbstbewussten Bereitern und den Ökonomen in der Hofreitschule hat Tradition. Doch die Regierung hat sich nicht ohne Grund über alle Bedenken gegen Klima hinweggesetzt. Sie mag keine Expertin für die Hohe Schule des Dressurreitens sein. Doch das erforderliche Maß an Glamour und Kontakten, das nötig ist, um Sponsoren für die Hofreitschule zu finden, dürfte für sie gesprochen haben. Pferde, Bereiter und Gebäude bis hin zum Lipizzaner-Gestüt Piber müssen lukrativ vermarktet werden, um Geld einzuspielen.
300000 Touristen besuchen jährlich die Hofreitschule
Denn seit 2001 ist die Spanische Hofreitschule selbst für ihre wirtschaftliche Existenz verantwortlich und mit etwa 26 Millionen Euro verschuldet. Der Bund zahlt nur eine Million Euro jährlich. Alle anderen Kosten sollen erwirtschaftet werden. In der Ära Gürtler mussten die Pferde und Bereiter mehr arbeiten als zuvor. Die Zahl der Vorführungen wurde erhöht, die Lipizzaner gehen auf Tournee und vor den Pferdeboxen finden Bälle und Galadinners statt. Alles ziemlich schick.
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