„Mein Mann sprach Gott sei Dank ein Machtwort“
Mutter, 46, Großraum Augsburg:
Als ich mit meiner ersten Tochter schwanger wurde, war ich 25, und die Geburt traf sich genau mit den Terminen für das erste Staatsexamen. Dementsprechend hatte ich nicht so viel Geist für die Begleiterscheinungen der Schwangerschaft, zum Beispiel die Auswahl der Hebamme. Leider habe ich – kurz gesagt – einfach die erste Nennung des Telefonbuches angerufen und mit ihr einen Termin vereinbart.
Schon vorher war mir klar, dass ich natürlich stillen wollte. Meine Mutter warnte mich schon lange vor der Geburt. Sie selbst habe nicht stillen können und ihre Mutter auch nicht. Damals dachte ich noch – in jugendlicher Überheblichkeit – ich könnte das sicher besser.
Die Hebamme sagte, das Stillen sei meine Pflicht
Die Geburt unserer Tochter war sehr langwierig und für mich mit hohem Blutverlust verbunden. Schon in der Klinik warteten wir auf den Milcheinschuss – der (fast) nicht kam. Zu Hause schrie das Kind, ich hatte eine fiebrige Brustentzündung. Als ich zum Arzt wollte, erklärte die Hebamme, als Mutter hätte ich die Pflicht, es mit dem Stillen weiter zu versuchen. Abstillen würde die Gesundheit meines Kindes ruinieren und auch meine Beziehung zu meinem Kind belasten. Antibiotika seien nicht richtig. Das Stillen wäre das Beste für meine Probleme. Ich war verzweifelt, gab mir die Schuld: Liebte ich mein Kind vielleicht nicht richtig? Nach einigen Tagen konnte ich vor Schwäche nicht mehr alleine zur Toilette, das Kind nahm ab; mein Mann sprach Gott sei Dank ein Machtwort und unsere Tochter bekam die Flasche. Abstillen musste ich nicht. Ich hatte einfach keine Milch.
„Man muss halt bereit sein, für sein Kind etwas auszuhalten“
Andere Mütter reagierten unterschiedlich. Die meisten äußerten Kritik „Man muss halt auch bereit sein, für sein Kind mal etwas auszuhalten…“ „Warum hast du so schnell aufgegeben?“ „Hast du keine Angst, dass dein Kind später krank wird?“ „ Also ich wüsste gar nicht, ob ich ohne Stillen überhaupt klarkommen würde.“ Das sind Sätze, die einen als junge Mutter schon verunsichern. Mein Mann und meine Familie dagegen waren von Anfang an der Meinung, dass der Frage zu viel Aufmerksamkeit gezollt wird. Mein Mann genoss es sogar, seiner Tochter auch die Flasche geben zu können. Gleichwertig mit mir.
Bei der zweiten Schwangerschaft war ich schlauer und suchte mir gezielt eine Hebamme, die zum Thema Stillen ein entspanntes Verhältnis hatte. Wir versuchten es wieder, sie griff tief in ihre Trickkiste und versuchte energisch, meine Brüste zu überzeugen, dass Milch produzieren eine tolle Sache wäre. Leider ohne Erfolg. Nach zwei Wochen (in denen mein Baby aber auch soweit ergänzend gefüttert wurde, dass es ihm gut ging) gaben wir auf und ich stieg wieder auf Flasche um. Abstillen wiederum unnötig.
Meine beiden Töchter (heute 15 und 20) haben keine Allergien, sind völlig gesund und zumindest nach ihren Aussagen haben sie auch keine gestörte Beziehung zu mir entwickelt. (lea)
Dieser Text ist ein Teil unseres Wochenend-Journal-Schwerpunktes "Kampfzone Mutterbrust" zum Thema Nicht-Stillen. Mehr als 50 Frauen aus der Region haben sich daran beteiligt und ihre Geschichten erzählt. Die weiteren Gesprächsprotokolle finden Sie unter
Kampfzone Mutterbrust: Harter Streit um die Milch fürs Baby
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