Nach strengen Corona-Regeln ist die Türkei auf dem Weg zu "neuen Normalität"
Die Türkei lockert die Corona-Beschränkungen. Reisen im Land sind nun wieder möglich. Die Tourismus-Branche hofft, dass bald auch Besucher aus dem Ausland kommen können.
Die Angler auf der Galata-Brücke am Goldenen Horn gehören zu Istanbul wie die Blaue Moschee und der Bosporus. Die Brücke, auf der sonst hunderte Angler dicht gedrängt stehen, war seit Ende März verwaist – sie war wegen der Corona-Ansteckungsgefahr für die Angler gesperrt. Jetzt wird wieder geangelt. Am Montag hob die Türkei viele Corona-Beschränkungen auf. Manche konnten es kaum abwarten und tauchten schon kurz nach Mitternacht mit ihren Ruten auf der Brücke auf. Die Rückkehr der Angler stand im Zeichen der "neuen Normalität", die Präsident Recep Tayyip Erdogan ausgerufen hat: Die meisten trugen Masken und achteten auf Abstand.
Mit Ausgangssperren, der Schließung von Schulen, Universitäten und anderen Einrichtungen, in- und ausländischen Reiseverboten und einer konsequenten Nachverfolgung von Infektionsketten hat die Türkei die Corona-Kurve bisher relativ flach halten können. Nach amtlichen Zahlen verzeichnet das Land, das mit rund 80 Millionen Menschen etwa so viele Einwohner hat wie Deutschland, rund 164.000 Ansteckungen und etwa 4500 Todesfälle. Nun will Erdogan die Türkei wieder öffnen. Die Ausgangssperren in Istanbul und anderen großen Städte am vergangenen Wochenende sollen die letzten gewesen sein.
Istanbul erwacht nach den Corona-Ausgangssperren aus seinem Dornröschenschlaf
Nicht nur die Angler signalisierten am Montag, dass die 16-Millionen-Stadt Istanbul aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Schon am Morgen stellten Cafébesitzer ihre Stühle und Tische auf die Bürgersteige, an Bushaltestellen gab es Gedränge, auf den Hauptverkehrsstraßen bildeten sich die ersten Staus seit zwei Monaten. Die Kindergärten öffneten wieder, und die Beamten mussten wieder zum Dienst erscheinen.
Wie Kneipen und Restaurants können auch die Teehäuser seit Montag wieder öffnen – allerdings dürfen die Gäste dort nicht Tavla spielen, die türkische Version von Backgammon, die normalerweise zum Standard-Programm jedes türkischen Teehauses gehört. Auch Schischa-Bars und Live-Musik bleiben bis auf weiteres verboten.
Reisebranche bereitet sich auf erste Inlandstouristen vor
Um die Konjunktur anzukurbeln, stellen staatliche Banken ab sofort günstige Kredite für Wohnungs- und Autokauf, die Anschaffung von Möbeln und zur Finanzierung von Urlaubsreisen bereit. Die Tourismusindustrie bereitet sich auf eine erste Welle inländischer Besucher vor: Nach dem Wegfall der innertürkischen Reisebeschränkungen dürften viele Familien bald in die Ferien fahren, vor allem da die Schulen erst im September wieder öffnen sollen.
Auf ausländische Urlauber werden die türkischen Hoteliers aber möglicherweise noch eine Weile warten müssen. Noch ist nicht klar, ob die internationalen Flugverbindungen mit Deutschland und anderen Ländern wie geplant in zwei Wochen wieder aufgenommen werden können. Am Montag startete zunächst nur der innertürkische Flugverkehr auf einigen ausgewählten Routen. Auf der Liste von 31 Ländern, für die Mitte Juni die Reisewarnung des deutschen Auswärtigen Amtes wegfallen soll, fehlt die Türkei.
Burhan Sili, Vorsitzender des Fremdenverkehrsverbandes im südtürkischen Alanya, rechnet erst ab Mitte Juli mit der Ankunft vieler Urlauber aus Deutschland und Russland, den beiden wichtigsten Herkunftsländern ausländischer Touristen in der Türkei. Das wird zwar die Corona-Verluste nicht ausgleichen können. Doch wie Sili der Lokalzeitung Yeni Alanya sagte, wird die "neue Normalität" mit Abstandsregeln in den Hotels und anderen Vorsichtsmaßnahmen am Strand wichtige Erkenntnisse bringen: "Das hilft uns bei der Vorbereitung auf 2021."
Lesen Sie dazu auch:
- Türkei will die Grenzen für Touristen öffnen: Ist Urlaub im Sommer möglich?
- Türkei fühlt sich durch Erfolge in Corona-Krise bestätigt
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.
Die Diskussion ist geschlossen.