Neues Album nach vier Jahren: Kann Eminem übers Wasser gehen?
Das Comeback des Superstars spaltet – aber nicht, weil er Trump mit Hitler vergleicht. Für sein neues Album hat er sich Pop-Unterstützung geholt - von Beyoncé bis Ed Sheeran.
Er ist der erfolgreichste Rapper aller Zeiten, vom Rolling Stone zum "König des Hip-Hop" geadelt; als Weißer, aus einem Elendsviertel in Detroit, seit bald 20 Jahren ein Weltstar; ein wütendes Genie des Sprechgesangs, das über alle Zeilenreime und damit über alle Knittelvers-Probleme des Genres hinweg rhythmische Wortsalven spuckt; der Frauen- und Schwulenfeindlichkeit bezichtigt, Mutter und Ex-Frau beschimpfend, Michael Jackson und Mariah Carey erst recht; zweifacher Vater, vor zehn Jahren fast an einer Überdosis Methadon gestorben. Er ist: Geschichte?
Das war die Frage des Jahres im umsatzstärksten Musikmarkt der Welt. Gehört Marshall Mathers III. alias Eminem jetzt, mit 45 Jahren und 150 Millionen verkauften Tonträgern, zum alten Eisen, ist er angesichts aktueller Heldentaten etwa von Kendrick Lamar irrelevant geworden? Hat er musikalisch dem boomenden Genre, hat er inhaltlich zum prekären Zustand der USA und der Welt noch was zu sagen? Jetzt ist, angeteasert durch ein aufsehenerregendes Internetvideo mit Trump-Beschimpfungen vor einigen Wochen, die Antwort des Königs da.
Neue Eminem-Single: Beyoncé trällert im Refrain
"Revival" heißt das Album, und nicht nur der Titel, auch der Auftakt zeigt, dass Eminem weiß, worum es geht. Er rappt über all die Zweifel in "Walk on Water" selbst, nimmt Schmähungen, die nun tatsächlich über ihn hereinbrechen, vorweg, und Beyoncé trällert im Refrain: "Ich kann übers Wasser gehen, aber ich bin kein Jesus." Und doch versucht er in 19 Tracks ein Wunder: es allen recht zu machen.
Vier Songs gegen Trump und Rassismus, in denen er den Präsidenten mit Hitler vergleicht und dessen Tochter Ivanka plötzlich tot in seinem Kofferraum liegt; ebenso viele Songs, die seine Aufarbeitung mit Ex-Frau und Töchtern fortschreiben, diesmal versöhnlich. Mit Pink, Alicia Keys und Ed Sheeran gibt’s Pop-Hits, in irren Samples von Joan Jetts "I Love Rock’n’Roll" und "Zombie" von den Cranberries dröhnt die E-Gitarre, der Rest ist aufs Wesentliche reduzierter Hip-Hop. Ja, ein Produzenten-Generalstab hat gebastelt, und der Flickenteppich funktioniert auch. Aber das Wunder tritt nur ein, wenn allein das Genie herrscht, Eminem einfach rappt, mit Flow, ein bisschen wenig Witz, aber jeder Menge Wut, in teilweise rekordverdächtiger Geschwindigkeit.
Seine Kunst wäre über den Zeitgeist erhaben
Kein Desaster also. Aber ein König, der sich aus Sorge, seine Regentschaft einzubüßen, allen Erwartungen aussetzt und dadurch selbst kleinmacht. Dabei wäre seine bloße Kunst doch über allen Zeitgeist erhaben… So siegt 2017: Lamar.
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