Was kommt, wenn Stefan Raab geht?
Was wird eigentlich aus... Ja, aus allen, die noch auf ProSieben herum dümpeln. Und was wird aus der ganzen Sendezeit, die plötzlich zur Verfügung steht, wenn Stefan Raab geht?
ProSieben war mal ein echt hipper Sender, der es sogar schaffte, die Jugend dort abzuholen, wo sie saß, nämlich vor dem Laptop. Dann wechselte ProSieben den Eigentümer und musste sparen. Die „Sieben“ in ProSieben sei fortan für die sieben Sendungen gestanden, die ProSieben im Programm gehabt habe, lästerte die Branche – und sechs davon habe ein gewisser Stefan Raab produziert.
Die Ära Stefan Raab geht zu Ende
Doch die Ära Raab geht nun zu Ende. Mit 49 Jahren zieht sich der Moderator, Produzent und Erfinder von Sendungen wie „TV total“, „Schlag den Raab“, „Bundesvision Song Contest“ oder der „Wok-WM“ von der Mattscheibe zurück. Schrittweise. Am vergangenen Samstag etwa zeigte der Sender zum letzten Mal die Raab-Show „Schlag den Star“, die ProSieben vor allem in der so umkämpften Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen wieder einmal überaus gute Quoten bescherte. Ob das Format auch ohne Raab eine Zukunft hat, ist noch ungewiss. Am 19. Dezember ist endgültig Schluss: Raab wird noch einmal in „Schlag den Raab“ antreten – und ProSieben danach sein „Sendergesicht“ und seinen Einschaltquoten-Erfolgsgaranten verlieren.
Was dann aus dem Privatsender wird? Die Nachricht vom Abschied Raabs erwischte ProSieben jedenfalls im Juni auf dem falschen Fuß. Sein Verlust dürfte ähnlich schmerzen wie die ARD ein Ende des „Tatort“. Noch suchen sie daher in der Zentrale der ProSiebenSat.1-Gruppe nach Möglichkeiten, wie die Lücke gestopft werden könnte. Alles streng geheim. Dabei bietet so ein Abschied die Chance für einen Neuanfang: Wir hätten da schon einige, nicht immer ganz ernst gemeinte, Ideen.
Erinnert sich noch jemand an Violetta? Das war die griesgrämige Oma, die ein Auge auf „Joko“ Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf warf und darauf achtete, dass die Hoffnungsträger des Senders in ihrer Sendung „Circus HalliGalli“ nicht über die Stränge schlugen. Doch im März warf Violetta hin. Man konnte es ihr nicht verübeln: Jahrelang hatten Joko und Klaas ihren „Sidekick“ in einem Schrank versteckt.
Jetzt könnte Violetta doch zurückkehren. Sie ist ja erst 77. Jung genug, um ein Zeichen gegen den Jugendwahn im Privatfernsehen zu setzen. Auch die ProSieben-Zuschauer werden ja nicht jünger. Ein eigenes Coaching-Format, in dem Violetta die Zuschauer behutsam beispielsweise auf Haarausfall vorbereitet, wäre ganz nett.
Jetzt übernehmen Joko und Klaas
Mit Joko und Klaas ist es wie mit Stefan Raab: Kein Mensch hätte den beiden zugetraut, dass es ihnen einmal gelingen würde, den anarchischen Geist des Musikfernsehens in die Samstagabendunterhaltung zu retten. Und doch ist ihnen genau das gelungen. Ihr „Circus HalliGalli“ ist das neue „TV total“, und ihre Shows „Mein bester Feind“ und „Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt“ sind die zeitgemäßere Antwort auf „Schlag den Raab“. Action, aber mit Augenzwinkern, das ist ihr Erfolgsrezept. ProSieben war also gut beraten, den Vertrag mit den beiden „um einige Jahre“ zu verlängern. Vielleicht sollte der Sender noch einen Schritt weiter gehen und Joko und Klaas auch die Verantwortung für die restliche TV-Unterhaltung anvertrauen. Denn wenn jemand weiß, wie die von der Werbewirtschaft umgarnte Zielgruppe tickt, dann doch wohl diese beiden.
Heidi Klum hat schon zum zehnten Mal Möchtegern-Models über den Catwalk gejagt. Doch die Quoten von „Germany’s Next Topmodel“ bröckeln. Daran konnte auch Wolfgang Joop als Co-Juror nichts ändern. Schön aussehen und mit den Hüften wackeln – das reicht sogar bei ProSieben nicht mehr. Höchste Zeit also, dass aus den Model-Mädels richtige Frauen werden und der Sender zur Abwechslung auch mal solche Kandidatinnen castet, die wirklich was in der Birne haben. Schlagfertigkeit, Charme, Humor, Esprit und Eigensinn, das sind so Kategorien, die noch kein TV-Sender zuvor in einer Show ausgereizt hat. Man muss dem Ganzen nicht das Mäntelchen des Feminismus umhängen, es würde schon reichen, wenn die Komikerin Carolin Kebekus moderiert. Mit solch einer Show könnte sich der Sender in der Post-Raab-Ära als wahrer Frauenversteher-Sender profilieren.
Das Ende der „C-Promis“
Promis, Promis – überall Promis. Oder Menschen, die sich Promis nennen. Nirgendwo im Fernsehen ist man mehr vor ihnen sicher. Man begegnet ihnen im Dschungel, im Container, bei irgendwelchen Dinnern, ja, inzwischen sogar beim Einkaufen, wenn sie als „Promi Shopping Queen“ kandidieren.
Es gab mal eine Zeit, da hat es Spaß gemacht, mehr oder minder Prominenten dabei zuzuschauen, wie sie jeden Gag auf ihre eigenen Kosten mitmachten. Inzwischen nerven all die Naddels und Wendlers nur noch. Eine gute Gelegenheit für die Trendsetter von ProSieben, zu beweisen, dass sie kreativ genug sind, sich diesen Medien-Herpes zu sparen – und ihr Programm zur „C-promifreien“ Zone zu erklären.
Dazu gehört auch, dass sich der Sender von Elton trennen muss. Bis heute weiß kein Mensch, wie es dieser fleischgewordene Running Gag, also „Dauerwitz“, der TV-Unterhaltung ins Fernsehen geschafft hat. Denn Elton ist weder schön noch schlau, weder wortgewandt noch witzig. Lediglich eine gewisse Schmerzfreiheit lässt sich ihm nicht absprechen. Sechzehn Jahre schon geistert er als „Praktikant“ durch Stefan Raabs Sendungen. Inzwischen ist Elton 45, zu alt, um noch Welpenschutz zu reklamieren. Wenn ProSieben ein Herz hat, dann nimmt der Sender Elton vom Schirm.
Wo ist eigentlich der Humor geblieben? ProSieben, das war mal der Sender, der mit „Switch – TV gnadenlos parodiert!“ und später „Switch reloaded“ eine der genialsten Satire-Sendungen im deutschen Fernsehen produziert hat. Doch vor ein paar Jahren war Schluss, die Macher hatten sich am Fernsehen abgearbeitet. Höchste Zeit, die Comedy wieder neu zu beleben. Oder wie lange will der Sender seine US-Sitcoms „Two and a Half Men“ und „The Big Bang Theory“ noch recyceln?
Was das wieder kostet, hört man die Chefs schon seufzen. Ein Totschlag-Argument, mit dem sich jede Programmoffensive im Keim ersticken lässt. Geld allein kann aber kein Kriterium sein, und wenn doch, dann gibt es nur noch zwei Optionen: Entweder, die Eigentümer verschmelzen ProSieben gleich mit Sat.1 zu einem einzigen familienfreundlichen Billigsender – oder ProSieben kegelt die letzten Eigenproduktionen aus dem Programm und schaufelt die Sendezeit für die einzige Sitcom frei, die man auch in der x-ten Wiederholung noch zu jeder Tag- und Nachtzeit ertragen kann: die „Simpsons“. Die schrecklich gelbe Familie hat bisher noch jeden geschlagen, sogar den Raab.
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