Prozess gegen SS-Mann auf unbestimmte Zeit vertagt
Der Prozess gegen einen ehemaligen SS-Sanitäter in Neubrandenburg wegen Beihilfe zum Mord im KZ Auschwitz ist auch im zweiten Anlauf ausgesetzt worden. Wie krank ist der Mann?
Der 95-jährige Hubert Z. war am Montag ein zweites Mal nicht zur Verhandlung gekommen, nachdem eine Amtsärztin ihm Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt hatte. Das Gericht will nun den Gesundheitszustand des Mannes in einem Krankenhaus umfassend prüfen lassen.
Neubrandenburg: SS-Mann wird Beihilfe zum Mord in 3681 Fällen vorgeworfen
Dem ehemaligen Landarbeiter aus einem Dorf in der Nähe Neubrandenburgs wird Beihilfe zum Mord in 3681 Fällen vorgeworfen. Er war im Sommer 1944 zur Sanitätsstaffel der SS im Konzentrationslager (KZ) Auschwitz-Birkenau abkommandiert. In jener Zeit kam auch der Deportationszug mit der später berühmt gewordenen Tagebuch-Autorin Anne Frank und ihrer Familie in Auschwitz an.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft war dem Angeklagten klar, dass in dem KZ Menschen systematisch und industriell getötet wurden. Er habe sich in den Betrieb des Lager "unterstützend eingefügt". Hubert Z. wurde bereits Ende der 40er Jahre von einem polnischen Gericht zu vier Jahren Haft verurteilt, die er auch verbüßte. Gegenstand des Verfahrens war nach Angaben der Verteidigung jedoch eine frühere Einsatzzeit in Auschwitz-Birkenau.
Bereits vor zwei Wochen war Hubert Z. nicht zum Prozessauftakt erschienen. Eine Amtsärztin bescheinigte im Nachhinein, was eine Bereitschaftsärztin diagnostiziert hatte. Neben Herz- und Kreislaufproblemen wurde ein Armbruch und eine Selbstmordgefährdung attestiert. An seiner Verhandlungsunfähigkeit änderte sich nach Angaben der offiziellen Ärzte seitdem nichts.
Staatsanwalt Thomas Bardenhagen zweifelte nach der Aussetzung des Verfahrens gleichwohl an den Diagnosen der Amtsärztin. Zum von der Verteidigung dargestellten Gesundheitszustand des Angeklagten sagte Bardenhagen: "Ich halte das für eine Inszenierung der Verteidigung."
Dem Gericht warf er vor, sich bei der Feststellung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten bislang "nicht mit Ruhm bekleckert" zu haben. Eine gründliche Untersuchung hätte bereits in der vergangenen Woche vom Gericht angeordnet werden können, nachdem der 95-Jährige einer entsprechenden Empfehlung der Amtsärztin freiwillig nicht gefolgt sei.
Prozess käme Todesurteil gleich, so die Verteidigung
Die Staatsanwaltschaft beantragte zu prüfen, ob der Angeklagte Medikamente einnehme, die den Blutdruck erhöhen. Bluthochdruck ist eine der vielen Diagnosen, die dem Angeklagten bescheinigt wurden.
Sein Verteidiger Peter-Michael Diestel bekräftigte hingegen seine Auffassung, dass der Prozess einem Todesurteil für seinen Mandanten gleich käme. Der Angeklagte sei "sterbenskrank", sagte Diestel am Rande des Verfahrens. Das hätten acht Gutachter bestätigt. "Die Chance ist groß, dass er hier im Verhandlungssaal stirbt."
Die Staatsanwaltschaft hatte 2015 Anklage gegen Hubert Z. erhoben. Das Landgericht Neubrandenburg lehnte es zunächst mit Hinweis auf das Alter und den Gesundheitszustand des Angeklagten ab, den Prozess zu eröffnen. Erst aufgrund einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft entschied das Oberlandesgericht in Rostock, dass Hubert Z. - wenn auch eingeschränkt - verhandlungsfähig sei. afp/AZ
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