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Schicksal: Das erlebte Martin Pistorius, als er im Koma lag

Schicksal

Das erlebte Martin Pistorius, als er im Koma lag

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    Als Komapatient nahm Martin Pistorius alles um sich herum wahr. Symbolbild
    Als Komapatient nahm Martin Pistorius alles um sich herum wahr. Symbolbild Foto: Kirsten Oborny fotolia

    Wieder einmal flimmert Barney, der Dinosaurier, über den Bildschirm. Das rosa Plüschtier singt in der gleichnamigen US-Fernsehserie, während Kinder um es herum hüpfen und in seine großen weichen Arme springen. Wieder und wieder tun sie das, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. „Ich hasse Barney und seine Titelmelodie“, denkt Martin Pistorius zum x-ten Mal, er ist längst der Zielgruppe von Vorschulkindern entwachsen. Doch der junge Mann muss sich dem Plüschtier geschlagen geben. Er kann weder den Ausknopf drücken noch jemandem mitteilen, dass er die Sendung verabscheut.

    Komapatient Martin Pistorius lebt gefangen in seinem Körper

    Martin Pistorius lebt gefangen in seinem eigenen Körper, kann sich weder bewegen noch sprechen oder auf eine andere Weise mit seinen Eltern und Mitmenschen kommunizieren. Was alle lange Zeit nicht wissen: Bei klarem Verstand bekommt er mit, was um ihn herum passiert.

    Es ist eine schier unglaubliche Geschichte. Im Alter von zwölf Jahren, da lebte Martin Pistorius mit seiner Familie noch in Südafrika, kommt der technikbegeisterte Junge an einem Januartag von der Schule nach Hause und klagt über Halsschmerzen. Es soll das letzte Mal gewesen sein, dass er den Unterricht besuchte. Er wird zunehmend schwächer, verliert seine Sprache, ist am Ende gelähmt, die Ärzte können sich die plötzliche Krankheit zunächst nicht erklären. Sie vermuten eine Hirnhautentzündung, ausgelöst durch Kryptokokken und erklären den Eltern, ihr Sohn werde diesen Zustand nicht überleben. Doch anstatt zu sterben, wird Martin zum Pflegefall.

    In der US-Sendung „npr“ erzählte jetzt sein Vater Rodney, wie er täglich um fünf Uhr morgens aufstand, seinen Sohn anzog und ihn in ein Heim fuhr, in dem Martin betreut wurde. Jeden Abend dann dieselbe Prozedur: „Wir haben ihn gebadet, gefüttert, ins Bett gebracht und ich habe mir meinen Wecker alle zwei Stunden gestellt, um ihn zu drehen, damit er sich nicht wund liegt.“ Doch bereits zwei Jahre, nachdem er ins Wachkoma gefallen ist, kommt Martin wieder zu Bewusstsein, ohne dass sein Umfeld von seinem neuen Zustand etwas ahnt. Fortan lebt er in einer stillen und einsamen Welt, muss mitansehen, wie seine Familie leidet.

    Pistorius kann nicht mal weinen

    „Ich hoffe, du stirbst“, sagt einmal seine Mutter an seinem Bett sitzend. Martin Pistorius kann nicht einmal weinen. Mit der Zeit lernt er, ihre Sorgen zu verstehen, ihre Enttäuschung über die Verwandlung des einst gesunden und fröhlichen Kindes in eine leblose Hülle. „Mein Körper ist ein Gefängnis, aus dem ich nicht entkommen kann“, schreibt er später seine Gedanken in der Autobiografie „Ghost Boy“ auf. „Ich wusste, wer ich war und wo ich war und ich habe kapiert, dass ich einem echten Leben beraubt wurde.“ Seine stummen Schreie blieben zwölf Jahre ungehört.

    Martin Pistorius erinnert sich noch, wie Nelson Mandela 1994 Präsident von Südafrika wurde und noch klarer an den Tod von Lady Diana drei Jahre später. Aber es war Barney, der Dinosaurier, der ihm den Antrieb gab, zu kämpfen. Er wollte schlicht nicht den Rest seines Lebens in der Klinik die Kinderserie in Dauerschleife anschauen müssen. Mithilfe des Sonnenstandes und des Wanderschattens lernt er, die Tages- und Nachtzeiten zu erkennen. Und wann Barney abgedreht wird. Durch seine Denkanstrengungen und Willenskraft reagiert der damals 26-Jährige plötzlich auf Tests. Seine Gefangenschaft ist zu Ende.

    Heute sitzt er im Rollstuhl

    Heute sitzt der 39-Jährige zwar noch immer im Rollstuhl und kann nicht sprechen, doch mithilfe eines Computerprogramms lernte er, sich zu verständigen. Er hat nachgeholt, was ihm zuvor verwehrt geblieben war: Studieren, sich selbstständig machen, ein normales Leben führen. Und heiraten. „Mein Gesicht schmerzte, weil ich nicht aufhören konnte zu lächeln“, erinnert sich Martin Pistorius in der Radiosendung an die Zeit, als er sich in Joanna, eine Freundin seiner Schwester, verliebte. Sogar die Computerstimme klingt irgendwie glücklich.

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