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Schönheits-OP
02.05.2018

Der Mann, der seine Beine verlängern ließ

Sechs, acht oder zehn Zentimeter größer? In der Praxis von Professor Augustin Betz können die Patienten wählen, wie viel sie länger werden wollen.
Foto: Evelyn Dragan

Marcel D. stellt sich bei Fotos auf Zehenspitzen. Weil er 1,69 ist. Die verstörende Geschichte eines Mannes, der sich nicht mit seiner Größe abfinden will.

Bevor alles beginnt, der Traum sich endlich der Wirklichkeit nähert, steht eine Lüge. Einen Tag und eine Nacht ist Marcel D. unterwegs. Erzählt er seiner Frau. Es soll jetzt keine Fragen mehr geben, die sie ihm stellen könnte. Nichts soll sein Vorhaben ins Wanken bringen. 15 Jahre hat er darauf hingearbeitet, hingespart. Auf diese OP. 15 Jahre lang hat das Wissen, dass er irgendwann diese Operation wird machen lassen, die Dämonen in seinem Kopf besänftigt.

Tatsächlich ist Marcel D., Mitte 30, nicht beruflich unterwegs. Er hat einen Tag freigenommen, fährt zu Dr. Betz, den sie in Internetforen „King Betz“ nennen oder „den Besten, den es gibt auf der Welt“.

Marcel D. sitzt im Auto, das Radio läuft, vier Stunden Fahrt zum Diakonieklinikum am Rande von Neunkirchen, einer schlichten Stadt im Osten des Saarlandes. Er nimmt die Treppe, hinauf in den fünften Stock. Auf der Glastür steht in weißer Schrift: „Betz Institute. Reach new Heights“, „Erreiche neue Höhen“. Drei Viertel der Patienten, die hierherkommen, sind Männer. Sie eint derselbe Wunsch: größer zu werden. Weil sie sich zu klein fühlen, um glücklich zu sein oder zumindest zufrieden. Zu klein, um erfolgreich zu sein oder für den Erfolg respektiert zu werden. Zu klein, um Beschützer zu sein. Oder alles zusammen. Die meisten Männer, die den Weg hierher suchen, sind zwischen 1,58 und 1,74 Metern groß.

Seit 1994 verlängert der Orthopäde Menschen

Marcel D. misst 1,69 Meter, als er sein erstes Gespräch mit Professor Augustin Betz hat. Der Arzt – sehnige Arme, weißes Haar, 1,79 Meter groß – verlängert seit 1994 Menschen. Er begrüßt Marcel D. mit festem Händedruck. Mit der Linken klopft er ihm leicht auf den Oberarm. Betz spricht ruhig und mit dem weichen, singenden Dialekt des Saarlandes. Alles, was der 65-Jährige sagt, klingt wie gesprochenes Zunicken, wie ein Stoßdämpfer für harte Wahrheiten. Jene beispielsweise, dass man nach einer Verlängerung zunächst einmal große Schmerzen zu erwarten habe.

In Betz’ Büro stehen neben dem Schreibtisch Podeste – fünf, acht, zehn Zentimeter hoch. Marcel D. soll sich, ohne die Schuhe mit den hohen Sohlen, auf jenes stellen, das sein Ziel ist. Er wählt das Acht-Zentimeter-Podest. Wie es sich anfühlt? „Gut“, sagt Marcel D. „Sehr gut.“

Er ist immer der Kleine geblieben. Kleiner als seine Freunde.

Ein Gefühl, das er nur von Fotos kennt, bei denen er sich immer auf Zehenspitzen stellte. Es begann mit dem Ende der Pubertät. Da wurde Marcel D. bewusst, dass er nicht mehr wachsen wird. Bis dahin hatte er gehofft, dass es noch einen Schub geben würde. Aber er blieb der Kleine. Kleiner als seine Freunde. Kleiner als seine kleine Schwester.

„Sie müssen sich auf eine schwere Zeit einstellen, wenn Sie sich dafür entscheiden“, sagt Betz. „Das ist der härteste Eingriff, den es gibt in der plastischen Chirurgie.“ Dabei, sagt der Arzt, habe er ihn über 2000 Mal durchgeführt in den letzten 23 Jahren. „Nur, bitte“, sagt Betz, „tun Sie mir den Gefallen und hören Sie nicht auf bei fünf Zentimetern. Ziehen Sie es durch bis zu Ihrer Wunschgröße. Sie werden es bereuen, diese Qual auf sich genommen zu haben und mittendrin dann aufgegeben zu haben.“ Marcel D. lächelt. „Nein, nein, keine Sorge. Ich zieh das durch. Das ist mein Lebenstraum.“

Zu Augustin Betz nach Neunkirchen kommen vor allem Männer, die sich zu klein fühlen. Er verlängert deren Oberschenkel mithilfe eines Teleskopnagels.
Foto: Evelyn Dragan

Als Marcel D. aus dem Büro ist, sagt Betz: „Mit meinem Skalpell kann ich psychische Probleme manchmal besser lösen als ein Psychologe. Denn meine Patienten leiden sehr unter ihrer Größe.“ Das Leben, sagt Betz, ist anstrengender, wenn man klein ist. Vor allem bei Männern. Ist Körpergröße bei Männern also wichtiger als bei Frauen? „Eindeutig ja“, sagt Betz. Hat ein kleiner Mann ein großes Auto, heißt es: Der hat es wohl nötig. Ist ein kleiner Mann besonders durchsetzungsstark, heißt es: Der hat ein übersteigertes Geltungsbedürfnis. Nicolas Sarkozy als berühmtes Beispiel, Silvio Berlusconi oder Gerhard Schröder. Und fragt man eine Frau nach den Kriterien für ihren Traummann, sagt Betz, werde man wohl niemals hören: Auf jeden Fall muss er klein sein.

35.000 Euro kostet die OP - pro Bein

Marcel D. würde am Ende der Prozedur 1,77 Meter messen. Auf der Heimfahrt kreisen die Gedanken, wie das wohl wäre: Sich endlich auch mal im Stehen wohlfühlen. Die Entscheidung ist gefallen. Kein Gedanke an Schmerz. Nur Vorfreude auf die Vollendung seines Traums. Für 35000 Euro je Bein.

Es ist der Tag der Operation. Am Vortag ist Marcel D. angereist, zusammen mit seiner Frau und dem Sohn, drei Jahre alt. Zwei Wochen nach seinem ersten Termin in Neunkirchen hat er ihr erzählt, dass er nicht beruflich unterwegs war, sondern bei Dr. Betz. Während der Operation, erklärt der Arzt, wird der Oberschenkelknochen zersägt und ein Teleskopnagel eingesetzt – der Schlüssel zum Wachstum. Dieser ist wie eine Autoantenne konstruiert, die sich ausfährt und die Lücke zwischen dem zersägten Knochen um einen Millimeter pro Tag in Richtung des Knies verlängert. Dann erst beginnt der Knochen zu wachsen – für jeden Zentimeter benötigt er 70 Tage, für acht Zentimeter gut anderthalb Jahre.

Sonne und blauer Himmel über Neunkirchen. Zimmer 519 aber ist abgedunkelt. Eine Woche nach der Operation sitzt Marcel D. auf dem Rand seines Bettes. Erschöpft. Neben ihm liegt ein Mann aus Saudi-Arabien, der immerzu wimmert. Marcel D. spricht leise. „Ich habe insgesamt fünf Stunden geschlafen in den letzten fünf Tagen“, sagt er. „Drei Tage nach der OP hat mich Dr. Betz das erste Mal geklickt. Es war die Hölle.“ Er spricht von jenem mechanischen Vorgang, der die Verlängerung des Beins auslöst. Fünfzehn Mal Klicken pro Tag und Bein ergibt einen Millimeter Wachstum.

Jetzt ist das nächste Mal fällig. Marcel D. legt zittrig die Hand an sein gebeugtes Knie, atmet tief ein, presst den Mund zusammen und schließt die Augen. Dann drückt er den Oberschenkel fest nach außen, als müsste er die Innenseite dehnen. Ein leises klickendes Geräusch. Er stöhnt laut auf. Schlimmer aber ist der Rückweg, der das Klicken erst abschließt. Eine Minute braucht Marcel D., um sich zu überwinden. Dann drückt er den Schenkel nach innen, bis es – viel lauter diesmal – klickt. Noch lauter ist der Schrei, der ihm dabei entfährt.

Seine Frau ist vorgestern wieder abgereist, der Sohn muss in den Kindergarten. „So schlimm hätte ich es mir nicht vorgestellt“, sagt der Patient „Es ist wie ein dunkles Loch, in dem ich sitze.“ 7,7 Zentimeter hat er noch vor sich. 77 Tage, in denen er klicken muss – 15 Mal hin, 15 Mal zurück. 2310 schmerzhafte Schritte bis zur Wunschgröße.

Keiner soll etwas von der Operation erfahren. Niemals

Eine Woche später darf Marcel D. die Klinik verlassen. Seine Frau holt ihn ab. Bis jetzt war er im Urlaub auf den Kanaren – für seinen Arbeitgeber und seine Eltern, die Geschwister und Freunde. Am Ende des Urlaubs, so wird er erzählen, hat er bei einem schweren Verkehrsunfall einen doppelten Bruch an jedem Bein erlitten. Seine Mutter weint am Telefon, als er es ihr erzählt. Niemand außer seiner Frau soll von der Operation erfahren. Jetzt nicht und später auch nicht. Niemals.

Besuch bei Marcel D. in der kleinen Wohnung am Rande einer süddeutschen Kleinstadt. Es geht aufwärts. Marcel D. misst bereits 1,74 Meter. Noch drei Zentimeter. Maximal anderthalb Stunden schläft er nachts am Stück. Weil die Spannung in den Beinen am stärksten ist, wenn er liegt. Aber es gibt auch Momente kleinen Glücks: lächelndes Kopfschütteln vor dem Spiegel oder neben dem Maßband. Trotzdem denkt er jeden Tag an das Ende des Klickens, sagt er.

Er sperrt sich auf die Toilette ein - und weint

Und dann ist er da, der Tag des neuen Lebens. So viele Pläne hatte er dafür. Neue, längere Hosen kaufen. Am liebsten den ganzen Tag unter Menschen. Schreien vor Glück. So kommt es aber nicht. Wie oft im Leben ist die Vorfreude die schönste. Denn es war ja nicht so, sagt Marcel D., dass eine Fee kam, bei der ich mir acht Zentimeter wünschen durfte. „Ich bin da ja reingewachsen über all die Monate.“ Nur eines macht er am ersten Tag: Er beantragt einen neuen Personalausweis – 1,77 Meter steht darin. Gegen Abend schließt er sich auf der Toilette ein. Und weint. Es ist tatsächlich vollbracht.

In der ersten Nacht schläft er sechs Stunden durch. Am nächsten Morgen fährt er zur Arbeit. Noch immer geht er an Krücken. Niemand bemerkt etwas an ihm. Einige sagen: Schön, dass du wieder da bist. All die Erklärungsversuche, die er sich zurechtgelegt hatte in den letzten Monaten, sind überflüssig. Eine Last fällt ab von ihm. Gleichzeitig aber steigt tief in ihm Enttäuschung auf. Dass es nicht einmal die bemerkt haben, die nur wenig größer waren als er und die er nun überholt hat. Vielleicht auch deswegen, denkt er sich, weil nur wenige von der Möglichkeit einer Beinverlängerung wissen. Und was nicht sein kann, gibt es eben nicht.

Nur einmal, als er und sein Sohn mit einer Freundin durch den Park spazieren, als sie ihm ein Blatt aus dem Haar wischen will, taucht die Frage auf: Bist du irgendwie größer geworden? Er lacht laut auf, fast erleichtert darüber, dass es doch noch jemand bemerkt hat: „Ja, ja“, antwortet er. „Schön wär’s.“

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