Schüler müssen wieder zum Unterricht
Obwohl die Albertville-Realschule weiter geschlossen bleibt, müssen die Schüler ab Montag wieder zum Unterricht. Unterdessen wurde der Computer von Tims Mutter beschlagnahmt.
Winnenden (dpa/AFP) - Nach dem Amoklauf in Winnenden müssen die Schüler der betroffenen Albertville-Realschule vom kommenden Montag an wieder zum Unterricht. Die nach dem Blutbad mit 16 Toten ausgesetzte Schulpflicht beginne dann wieder, sagte der leitende Schuldirektor beim Regierungspräsidium Stuttgart, Wolfgang Schiele, am Dienstag in Winnenden.
Der Essener Psychologe und Trauma-Spezialist Christian Lüdke kritisierte die Rückkehr als zu früh. Die Schüler stünden noch "total unter Schock", es sei viel zu früh, sie wieder in die Klassenverbände zu schicken, sagte Lüdke der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" vom Dienstag. Die Betroffenen müssten erst einmal ihre Toten begraben und in Ruhe trauern, erst danach sei wieder an Unterricht zu denken. Es helfe auch nicht, dass die Schulleitung den Jugendlichen die Teilnahme am Unterricht freigestellt habe. Nach seiner Ansicht wären zwei Wochen Zwangsurlaub sinnvoller gewesen.
Die Albertville-Realschule bleibt allerdings weiter geschlossen - die Klassen werden auf umliegende Haupt-, Realschulen und Gymnasien verteilt. Am Montag hatten den Angaben zufolge bereits 90 Prozent der Schüler am freiwilligen Unterricht mit Pädagogen und Psychologen teilgenommen. Der Landesregierung zufolge wünschten sich die Schüler Normalität. Über die Zukunft des Schulhauses entscheidet die Stadt Winnenden.
Die Polizei prüft unterdessen weiter, ob der Amokläufer von Winnenden die Tat im Internet angekündigt hat. Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) sagte am Dienstag in Stuttgart, "vieles spricht dafür", dass die Ankündigung in einem Chatroom im Internet gefälscht wurde.
Dennoch werde auch der beschlagnahmte Computer der Mutter geprüft. Auch gebe es Hinweise, dass der 17-jährige Tim K. Internet-Cafés aufgesucht habe.
Die Polizei will außerdem mit den Informationen des in den USA sitzenden Betreibers des Chatrooms den Sachverhalt klären. "Wir warten immer noch auf ein Ermittlungsergebnis aus den USA", sagte ein Polizeisprecher in Waiblingen. Es spricht aber viel dafür, dass es diesen Chat-Eintrag von Tim K. nicht gab: Auf dem beschlagnahmten PC des Todesschützen Tim K. wurden keine Belege für eine Ankündigung des Blutbads im Internet gefunden.
Inzwischen hat die Obduktion ergeben: Der 17 Jahre alte Amokläufer hat sich mit einem Kopfschuss selbst gerichtet. Nach dem vorläufigen Obduktionsergebnis schoss sich Tim K. am vergangenen Mittwoch am Ende seiner Flucht in die Stirn. Es sei ein "Nahschuss" gewesen, teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit. Seine Leiche sei bereits am Freitag freigegeben worden. Wann Tim K. beigesetzt wird, ist bisher nicht bekannt. Ein schriftliches Gutachten zum endgültigen Obduktionsergebnis stehe noch aus, hieß es weiter.
Tim K. hatte am vergangenen Mittwoch 15 Menschen erschossen, darunter neun Schüler und drei Lehrerinnen an seiner ehemaligen Schule. Zuletzt erschoss sich der Amokläufer selbst.
Rech räumte ein, dass es bei der Weitergabe von Informationen über die Internet-Ankündigung eine "Panne" gegeben habe. Allerdings mache er der Polizei keinen Vorwurf: "Ich halte den Ermittlungsbeamten zugute, dass sie persönlich bis an die Grenze der eigenen Belastbarkeit gearbeitet haben." Er ergänzte: "Da passiert schon einmal so etwas." Über personelle Konsequenzen mache er sich derzeit keine Gedanken.
In Winnenden werden am Dienstag weitere Opfer des Amoklaufs beigesetzt. Außer einer Schülerin werden zwei Lehrerinnen der Albertville-Realschule beerdigt. Eine der beiden hätte heute ihren 25. Geburtstag gefeiert.
Am Montag war eine weitere Schülerin beigesetzt worden. Vier Verletzte liegen noch in Krankenhäusern, darunter zwei Polizisten. Alle sind inzwischen außer Lebensgefahr.
Für den Amoklauf benutzte Tim K. eine Waffe seines Vaters, die frei verfügbar im Schlafzimmer der Eltern lag. Gegen den Vater wurde ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung in 15 Fällen eingeleitet.
Die Familie des Amokläufers hat erstmals den Opfern des 17-Jährigen ihr Mitgefühl ausgesprochen. In einem offenen Brief, der vom Anwalt der Familie am Dienstag in Stuttgart verbreitet wurde, heißt es: "Ihnen wurde das Wertvollste und Wichtigste, ein geliebter Mensch, durch die entsetzliche und unbegreifbare Tat unseres Sohnes und Bruders, genommen. (...) Wir hätten Tim so etwas nie zugetraut und kannten ihn anders."
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