Schweden stimmt über umstrittenes Sex-Gesetz ab
Weil nur ein Bruchteil der angezeigten Vergewaltigungen auch vor Gericht landet, soll das Parlament ein „Einwilligungsgesetz“ beschließen. Das ist umstritten.
Mit einem neuen, schärferen Gesetz will Schweden künftig härter gegen mutmaßliche Sexualstraftäter vorgehen. Bislang führen dort nur relativ wenige Anzeigen tatsächlich auch zu einer Anklage vor Gericht. Das soll sich ändern. Am Mittwoch soll daher das "Samtyckeslagen“ (Einwilligungsgesetz) vom Parlament abgesegnet werden. Eine Mehrheit gilt als sicher.
Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven bezeichnete die Gesetzesinitiative als „historische Reform“. „Die Botschaft ist einfach. Du musst dich bei der Person, mit der du Sex haben willst, erkundigen, ob sie Sex haben will“, sagte er. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärte Sofie Rudh, Sprecherin von Justizminister Morgan Johansson, das Grundprinzip des Gesetzes: „Es wird verboten sein, Sex mit einer Person zu haben, die nicht ausdrücklich Ja gesagt oder aktiv signalisiert hat, dass sie mitmachen will.“ Die Gesetzesänderung solle dazu beitragen, dass mehr Übergriffe als Vergewaltigung angesehen werden. „Also auch Fälle, wo kein Nein vom Opfer vorliegt, die Handlung aber dennoch als unfreiwillig angesehen wird“, so Rudh.
Schweden will neue Straftatbestände einführen
Zu diesem Zweck werden neue Straftatbestände eingeführt. So soll es künftig neben der bereits bestehenden „weniger groben Vergewaltigung“, unter deren Verdacht etwa Wikileaks-Gründer Julian Assange stand, die „unachtsame Vergewaltigung“ und den „unachtsamen sexuellen Übergriff“ geben. Sie sollen mit Gefängnisstrafen von bis zu vier Jahren geahndet werden. Die Minimalstrafe für eine „grobe Vergewaltigung“ und „grobe Vergewaltigung von Kindern“ wird von vier auf fünf Jahre erhöht.
Zudem soll es Tätern erschwert werden, geltend zu machen, dass ein minderjähriges Opfer älter ausgesehen habe. Schwedens Regierung hofft neben mehr Verurteilungen auch auf eine vorbeugende, pädagogische Wirkung der Reform: Sexpartner sollen rücksichtsvoller miteinander umgehen.
Kritikern ist die Gesetzesverschärfung nicht weitgehend genug
Vielen Kritikern in Schweden geht die Gesetzesverschärfung nicht weit genug. Von „wirkungsloser Symbolpolitik“ ist die Rede. Da weiter Wort gegen Wort stehe, könne man nicht mit mehr Verurteilungen rechnen.
Anderen Kritikern geht die Gesetzesverschärfung deutlich zu weit. Der schwedische Gesetzesrat zum Beispiel, der wichtige Gesetzesinitiativen überprüft, lehnt das „Einwilligungsgesetz“ gänzlich ab. Die Grenze zwischen Freiwilligkeit und Nichtfreiwilligkeit sei unklar und zu sehr abhängig von der Beurteilung einzelner Richter. Traditionell folgen Regierungen der Empfehlung des Rates. In dem Fall ist es anders.
Anne Ramberg, Chefin des schwedischen Anwaltsverbundes, hält gar die Rechtssicherheit für gefährdet. „Das Gesetz verlangt ja, dass bei jeder neuen sexuellen Handlung immer wieder um Erlaubnis gebeten werden muss. Erwachsene wissen doch, dass man nicht vor jedem Akt verhandelt und ein Abkommen schließt“, sagte sie.
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