Wissenschaftler sind besorgt: Was macht ein Grauwal vor Mallorca?
Ein junger Grauwal ist seit Monaten im Mittelmeer unterwegs. Zuletzt wurde er vor Mallorca gesichtet. Experten glauben, dass das Tier nicht mehr lange leben wird.
Der Aufruf, „Wally“ in Ruhe zu lassen, hatte wenig Erfolg. Freizeitkapitäne, Surfer und sogar Schwimmer näherten sich dem acht Meter langen Grauwal, der keine hundert Meter vor der Küste Mallorcas auftauchte. In aller Seelenruhe schwamm das Jungtier zunächst am Strand des Ferienortes Santa Ponça entlang, im Südwesten der Insel. Dann drehte „Wally“ ab und stattete der großen Bucht der Inselhauptstadt Palma einen Besuch ab – dort verlor sich seine Spur an diesem Pfingstwochenende zunächst.
Grauwale verirren sich nur selten ins Mittelmeer. Der letzte Grauwal war im Mittelmeer vor über zehn Jahren gesichtet worden. Dieses Meeressäugetier, dessen biologischer Name „Eschrichtius robustus“ lautet, lebt eigentlich im Pazifik vor der amerikanischen Küste. Dort ist es allerdings nicht ungewöhnlich, dass die Grauwale durch flache Gewässer schwimmen, wo sie ihre Lieblingsnahrung suchen: Krebse, Würmer und Weichtiere, die am Meeresgrund im Bodensediment leben.
Die Odyssee des nun vor Mallorca aufgetauchten Grauwals begann bereits vor Wochen, als dieser Meeresbewohner vom Atlantik kommend durch die Meerenge von Gibraltar ins Mittelmeer schwamm. Zuerst wurde er vor Italiens Küste gesichtet, dann vor Frankreich, wo sich der Grauwal vorübergehend in einem Fischernetz verfing. Anfang Mai tauchte der Wal schließlich vor der spanischen Festlandküste auf. Seit Beginn der Reise durchs Mittelmeer sind ihm die Meeresbiologen auf der Spur, und sie haben diesen seltenen Gast auf den Namen „Wally“ getauft.
Wissenschaftler sind besorgt um den Grauwal Wally
Das Schicksal des Wals besorgt zunehmend die Wissenschaftler, denn sie haben beobachtet, dass „Wally“ abmagert und zunehmend erschöpft ist. Die Forscher vermuten, dass das Tier krank ist, und sie schließen nicht aus, das dieser junge Wal bald sterben könnte. Sein Alter wird auf zwei Jahre und sein Gewicht auf etwa acht Tonnen geschätzt. Normalerweise können diese Meeressäuger bis zu 70 Jahre alt, gut 15 Meter lang und 20 bis 30 Tonnen schwer werden.
Vor allem fragen sich die Experten: Was macht „Wally“ im Mittelmeer? Und warum hat „Wally“ seine Walgruppe verloren, in der diese Meeressäuger üblicherweise auf Wanderschaft gehen? Hat sein Orientierungsverlust mit der globalen Klimaveränderung zu tun, die nach Erkenntnissen der Wissenschaftler auch Meeresströmungen und Wassertemperaturen spürbar verändert?
Nach Angaben der internationalen Naturschutzorganisation WWF existieren heute vor allem Grauwalvorkommen im Pazifik. Im Atlantik sei diese Meerestierart durch den Walfang weitgehend ausgerottet worden. „Bis heute haben sich nur die ostpazifischen Grauwalbestände wieder erholt“, schreibt der WWF in seinem Artenlexikon. „Die westpazifischen Grauwale sind mehr denn je durch Öl- und Gasbohrungen bedroht.“
Der Grauwal braucht laut Experten seine Ruhe
Und wie kann man „Wally“ am besten helfen, damit er mit Glück wieder den Rückweg zur Meerenge von Gibraltar findet? „Man muss ihn in Ruhe lassen“, sagt Txema Brotons, Sprecher der mallorquinischen Walschutzorganisation Tursiops. Die Schaulustigen, die von Booten aus versuchen würden, ein Erinnerungsfoto zu schießen, seien alles andere als hilfreich.
Experten sind pessimistisch hinsichtlich der Zukunft des Wals und befürchten, dass „Wally“ nicht mehr lange leben wird. Der abgemagerte Zustand deute darauf hin, dass das Jungtier im Mittelmeer verhungere und nicht die richtige Nahrung finde, sagte Brotons der Inselzeitung Diario.
Auch die Sprecherin des Aquariums in Palma, die Biologin Gloria Fernández, bezweifelt, dass „Wally“ in seinem geschwächten Zustand den Weg zurück in die fernen heimatlichen Gewässer finden wird: „Der Wal ist nicht gesund, desorientiert, von seiner sozialen Gruppe getrennt.“ Und sie stellte im Diario klar: „Das Tier leidet. Es ist hier nicht im Urlaub.“
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