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Krebs
20.07.2015

Sterben mit 37? Wie eine junge Mutter gegen den Krebs kämpft

Diagnose: Brustkrebs. Unsere Autorin, 37, erzählt offen von ihrem Schicksalsschlag.
Foto: Jan-Peter Kasper (dpa)

Sterben mit 37? Ich? Wie man weiterlebt mit einer Diagnose, die alles verändert. Eine Mutter von zwei Kindern erzählt von ihrem Kampf – und von ihrem Glück.

Gollum. Ich fühlte mich wie Gollum. Wie dieses grünlich-grau gebückte Wesen aus „Der kleine Hobbit“, das die urgewaltige Herr-der-Ringe-Trilogie einleitet. Ich fühlte mich wie Gollum im April 2014. So hässlich, so schwach, so bemitleidenswert. Und dennoch leitete dieses Gefühl etwas Neues für mich ein. Und ja, rückblickend kann ich sagen, hat es eine Urgewalt entfacht – aus Kampfgeist und Siegesfreude.

Schnitt. Zurück. Sommer 2013. Ein, sagen wir, bescheidenes halbes Jahr liegt hinter mir – ein großer Umzug steht mir bevor. Ein Kraftakt mit zwei kleinen Kindern. Ich habe aber keine Kraft. Ich bin immer müde. Immer. Beim Arzt: „Alles gut. Blutwerte o.k., Organ-Ultraschall o.k. Sie sind nur erschöpft.“ Nur die Brust schallt er nicht. Wieso auch? Ich gehe eh bald zur Gynäkologin.

Dann habe ich Schlafstörungen. Zitternd wache ich auf, schnappe nach Luft, weiß nicht warum. Diesmal gehe ich zum Psychologen: Ich sei depressiv, sagt er. Für mich stimmt das nicht. Ich kann bloß nicht mehr. Kann nur weinen. Bin so erschöpft. Meine linke Brust tut manchmal weh. Als ob ich ein Baby stillen müsste. Doch meine „Babys“ sind groß. Vier und zwei Jahre alt. Das kann es nicht sein.

"Es wird schon nichts sein"

Freitag, 27. Dezember. Die Psychologin schickt mich in die Notaufnahme. „Es wird schon nichts sein“, meint sie. „Aber dann sind Sie sicher.“ 14 Uhr, in der Klinik, allein. Mein Mann ist daheim bei den Kindern. Eine hochschwangere Ärztin untersucht mich. Sie ruft den Radiologen an. 15 Uhr. Morgen ist Samstag. Mammografie? Keine Chance. Erst Montag.

Montag, 10 Uhr. Ich in der Klinik, mein Mann bei den Kindern. Wir wollen niemanden beunruhigen. Meine Brust wird in die Mammografie-„Presse“ gelegt – ich möchte schreien. Es surrt. Eine Brustentzündung sei es keinesfalls, „wenn wir Glück haben, ist es ein DCIS, eine Vorstufe von Krebs“. So, so, Glück wird jetzt mit „D“ geschrieben. Der Radiologe sticht danach mit einer Nadel in die Brust. Die ist hart wie Beton. Jetzt weiß ich es. Bin mir sicher. Das ist kein DCIS. Wenn das kein Krebs ist, wie fühlt sich der dann an? Wie ein Asteroid? Ich fahre heim. Sage meinem Mann, es wird nichts sein.

Silvester: Wir feiern mit Freunden, die Kinder freuen sich an Wunderkerzen im Schnee. Mein Mann und ich wünschen uns ein frohes neues Jahr, wissen nicht, wie es werden wird. Ahnen nicht, dass es das schlimmste unseres bisherigen Lebens wird – und unser schönstes.

3. Januar. Ich fahre in die Klinik. Allein. Mein Mann bleibt bei den Kindern. Muss. Es ist der letzte Arbeitstag der Ärztin vor dem Mutterschutz: „Sie haben Krebs. Es tut mir so leid!“ Stille. Sie: „Möchten Sie nicht weinen?“ Möchte ich nicht. Fast bin ich erleichtert. Die Schlafstörungen hatten ihren Sinn. Von wegen depressiv. Erst der Gedanke „wie soll ich das meinem Mann sagen?“ lässt die Tränen kullern. Die Ärztin: „Brustkrebs ist gut behandelbar, oft heilbar, wenn er früh erkannt wird.“ Wenn … Kein Brustkrebs in der Familie, Kinder gestillt, nie geraucht: Nichts passt.

Die Ärztin erklärt: Chemo. OP. Bestrahlung. Antihormontherapie – alles Optionen. Der Tumor ist fünfeinhalb Zentimeter groß. „Wie konntest du den nicht tasten?“, fragt eine Freundin entgeistert. Sogar der Chefarzt weiß nicht, ob er ihn getastet hätte –„wüsste ich nicht, dass er da ist“. So diffus ist dieses Monster.

Drei Wochen später: Nach einer schweren Infektion, einer Leberuntersuchung, einer Operation, um den Port – den dauerhaften Venenzugang für die Chemo – zu legen und 14 Tagen Klinik gehe ich nach Hause – die erste sechsstündige Chemo hinter mir. Ein seltsames Gefühl. Fünf Beutel teuerster Hightech-Medizin laufen in endlos dahintropfender Zeitlupe über den Port in mich hinein. Manch Besserverdiener leistet sich für das Geld ein schnittiges Coupé, unser Sozialsystem leistet sich mein Überleben, Gott sei Dank!

Wie eine Nespresso-Kapsel liegt der Port unter der Haut. Ein hässlicher Knubbel, der sich ver-, aber nicht wegschieben lässt – der mich sekündlich an den Krebs erinnert. Wie ich ihn jetzt schon hasse! Alte Leute, todkrank, starren mich an. Mich, mit meinen 37 Jahren – zu jung, um hier am Überlebenstropf zu hängen.

Meine Kinder liegen schon im Bett, als ich heimkomme. Sie schlingen ihre Ärmchen um mich. Ich erzähle ihnen von Onkologolix, der im Wald Eibennadeln sammelt, sie zerkleinert, mit heißem Wasser aufgießt, um den giftigen, aber für mich so gesunden Zaubertrank mit einer Spritze über den Knubbel an meinem Arm in mich hineinzuspritzen. „Mama, wieso brauchst du diese Medizin?“ fragt meine Tochter. Da erzähle ich ihr eine Geschichte von zwei bösen Buben. Die hätten in meiner Brust einen Knoten gehäkelt. „Und der Zaubertrank entwirrt diesen Knoten, aber das braucht Zeit, viel mehr als ein Schnupfen.“ Sie schlafen dabei ein. Die Ratschläge vom Kinderarzt haben gefruchtet: „Sie müssen ihren Kindern sagen, dass Sie schwer krank sind. Wenn Sie sagen, Sie haben Schnupfen und sterben, wäre das fatal.“ Sterben?

"Sterben? Kommt nicht infrage!"

Ich bin 37. Sterben? Kommt nicht infrage! Da ändern auch die Metastasen nichts. In Knochen, Lunge und Leber. „Ich werde alles tun, was ich kann“, schwöre ich mir und meinen Kindern. Ich schaffe alle drei Wochen insgesamt sechsmal Höllen-Chemo mit Docetaxel und zwei Antikörpertherapien. Zwei ganz neue, vielversprechende Medikamente. Ich schaffe das, weil ich muss, weil ich will – für mich, meinen Mann, meine Kinder.

In der ersten Nacht nach Klinik und Chemo fahren meine Gedanken Karussell: Was wird werden? Am dritten Tag Schmerzen ohne Vorwarnung! Als würden feurigscharfe Messer meinen Körper zerschneiden. Tabletten vom Onkologen verschaffen Linderung.

Mein Mann geht in die Arbeit. Alltag. Das ist das A und O für uns alle – da sind wir uns einig. Mein Bruder kommt als Engel in der Not, um mir über die nächsten Monate zu helfen. Ich weiß nicht, was auf mich zukommt – und das ist gut so. Die Krankenkasse würde eine Haushaltshilfe zahlen. Aber wie hätte ich die vom Klinikbett aus suchen, ja finden sollen, wie? Jemanden, der sich auch um die Kinder kümmert, die die Bedrohung spüren – wie ein Tier lauert sie in jeder Ecke. Die unsere Angst hinwegzulachen versuchen – die mich tröstend streicheln. Kleine Kinderhände voller Kraft. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich nicht früher etwas gemerkt habe, dass ich meinen Kindern ihre Kindheit nehme – und kann doch selber nichts dafür.

Eine Woche später geht es mir morgens plötzlich schlecht. Ich übergebe mich achtmal in einer halben Stunde. Zwei Stunden später: 39 Fieber. Gespenstisch still ist es, als beim Onkologen eine Infusion nach der anderen in mich hineinläuft. „Soll ich in die Klinik?“, frage ich. Auf keinen Fall, zu gefährlich mit all den Keimen dort. 800 Leukozyten. Meine weißen Blutkörperchen, die „Blutpolizei“, ist quasi massiv unterbesetzt. Bei einem Gesunden liegt die Untergrenze bei 4000. Fünfmal weniger: miserabel. Also brauche ich Leukozyten-Aufbauspritzen in den ersten Tagen nach jeder Chemo. Die Gelenke schmerzen unerträglich – und meine Haarwurzeln … Zeit, zum Friseur zu gehen. Meine Kinder habe ich ein paar Haare rausziehen lassen. Damit sie sehen, dass sie mir nicht zum Spaß ausgehen. Während meines Klinikaufenthalts inspizierte der Friseur meine dicke, rötlich-braune Mähne. Diesmal darf ich Perücken probieren. Die erste ist es. Perfekt. Noch bevor mein Bruder zurück ist vom Parkplatzsuchen, sind meine Haare ab. Ich fühle mich wie Sinéad O’Connor, die Sängerin, die in den 80er Jahren mit raspelkurzen Haaren „Nothing compares to you“ „weinte“. Ich weine nicht. Zu Hause fragt mein Sohn, als ich die Perücke lüfte: „Mama, wo hast du deine Haare versteckt?“ Jetzt kullern die Tränen. Er nimmt mich in die Arme: „Aber Mama, die wachsen doch wieder.“ Kleiner Mann, großes Herz.

Anfangs kann ich noch lesen. Doch durch das viele Cortison, das ich bekomme, um Docetaxel aushalten zu können, sehe ich immer schlechter. Und es ist auch zu anstrengend. Mein Kopf funktioniert nicht, alles muss ich dreimal lesen und verstehe es dennoch nicht. Auf die zweite Chemo folgt ein einwöchiger Magen-Darm-Infekt. Da hilft nur Downton Abbey, Homeland und Co. – eine Woche Dauer-DVD-Gucken und Musik. Mann und Kinder habe ich zum Skifahren geschickt. Ablenkung für sie – Entspannung für mich. Ich muss nichts, nicht kümmern, nicht denken. Und das ist gut. Ich schlafe viel, gehe jeden Tag mindestens hundert Schritte, wie ich es dem Onkologen versprochen habe.

Anfangs habe ich ihn noch ausgelacht. Hundert Schritte? Das schafft jeder. Ich schaffe es kaum. Und wenn, will ich niemanden sehen, mit niemandem sprechen – auch nicht mit Freunden. Möchte ihre Ratschläge nicht: Yoga soll ich machen, sagen die einen. Zum Heilpraktiker gehen, die anderen. Jeder weiß etwas. Sie wissen nichts. Gott sei Dank! Ich weiß jetzt, wie meine Oma sich fühlte. Ich altere wie sie, werde 60, 70, dann 80. Mit meinen gefühlten 90 nach der sechsten Chemo komme ich kaum aus der Hocke hoch – oben angekommen, wackeln meine Beine wie Pudding. Ich weiß, was Schmerzen sind. An Händen und Füßen, im Bauch, an Augen, anderswo und überall. Der Mund ist wund, sodass ich kaum essen kann. Essen will ich sowieso nicht. Aber ich zwinge mich. Als nichts anderes mehr schmeckt, esse ich Pasta mit Tomatensauce und Basilikum. Basilikum: Es schwächt diesen unbeschreiblich grässlichen Geschmack im Mund ab. Instinktiv esse ich viele Beeren – später lese ich das Buch „Krebszellen mögen keine Himbeeren“. Alle anderen Ratgeber werfe ich in die Tonne. Und ich zwinge mich zu trinken: Wasser mit Cola, weil Wasser allein wie Salzlauge schmeckt, Tee wie Lebertran.

"Ich will, ich kann nicht mehr"

Nach der sechsten Chemo verabschieden sich meine Nägel, mein Nagelbett ist entzündet. Meine Wimpern knicken ab, meine Cara-Delevingne-dicken Augenbrauen bekommen Löcher – mein Ego einen Riss. Meine Augen brennen und tränen, dabei muss ich gar nicht weinen. Ich schrumpfe von 1,77 Metern auf 1,50, weil ich nicht aufrecht gehen kann – vor Schwäche. Mein Körper ist voller schmerzender Knötchen, das Gesicht voller roter Flecken. Ich fühle mich jetzt nicht nur wie Gollum, ich bin Gollum. Doch jeder sagt, wie gut ich aussehe – und ich denke nur: „Seid doch still!“ Ich habe keine Nerven. Manchmal will ich einfach nur weg. Weglaufen, weg sein. Nicht mehr da sein. Es soll aufhören. Ich will, ich kann nicht mehr. Ich fühle mich so leer. Bin verletzend, bin so verletzlich. Ich fühle mich allein und bin es nicht dank meiner großartigen Familie, meiner Freunde und Ärzte. Und so schaffe ich diesen Viereinhalb-Monate-Marter-Marathon.

4. Juni 2014: Mein Mann begleitet mich zur Untersuchung: MRT, Röntgen, Ultraschall. Der Radiologe strahlt mich an, spielt am Bildschirm: „Ich kann noch so lange gucken, wie ich will, ich sehe nichts, weil es nichts zu sehen gibt.“ Der Krebs ist weg. Zu 90 Prozent. Bumm! Ich schlucke die Freudentränen hinunter und strahle zurück.

Juli 2015. Ich habe ein Jahr Antikörpertherapie hinter mir. Nach einem dreiwöchigen USA-Familienurlaub, von dem hatte ich 2013 geträumt, verkündet der Onkologe: „100-prozentige Remission. Nichts ist mehr erkennbar oder tastbar!“ Von Heilung spricht er nicht. Bei Metastasen spricht kein seriöser Arzt von Heilung. Aber ich weiß, dass alles gut ist – nicht gestern, nicht morgen. Jetzt. Jetzt lebe ich. Ich fühle mich nicht mehr wie Gollum. Ich fühle mich wieder wie ich. Eine junge Frau, von der ihr Sohn jetzt sagt: „Mama, eigentlich sind deine kurzen Haare ganz schön!“

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