
Hilft es als Moderator, wenn man so schön lächeln kann, Herr Zamperoni?


Nach drei Jahren als USA-Korrespondent wird Ingo Zamperoni Moderator der "Tagesthemen". Hier spricht er über das Lächeln als Nachrichtensprecher, Amerika und große Erwartungen.
Herr Zamperoni, hilft es als Mr. Tagesthemen, wenn man so schön lächeln kann wie Sie?
Ingo Zamperoni: Das haben Sie jetzt gesagt. (lacht) Für mein Gesicht kann ich nichts. Man muss sich der Nachrichtenlage anpassen. Ich werde nicht einen Flugzeugabsturz weggrinsen. Aber wenn ein Thema mal unterhaltend ist oder es auch mal geistreich zugehen kann, da bin ich der Letzte, der sich verschließt.
Vor einer Woche hatten Sie Ihren letzten Arbeitstag als Korrespondent in Washington. Wie war der Abschied?
Zamperoni: In meiner letzten Woche war sehr viel los. Und da alle Kollegen für Wahlberichte im Land unterwegs waren, habe ich Stallwache gehalten und war gut beschäftigt. Ich glaube, ich bin am Freitag als letzter aus der Tür gegangen. Das Korrespondenten-Leben noch einmal so auszukosten war schon schön.
Sie waren beim Abschied also nicht wehmütig?
Zamperoni: Dafür hatte ich gar nicht so viel Zeit. Aber es ist ein wehmütiger Abschied. Da will ich keinen Hehl daraus machen. So sehr ich mich auf die neue Aufgabe freue, habe ich mich in Washington sehr wohlgefühlt. Es passte beruflich sehr, weil dieser Wahlkampf das Beste ist, was einem USA-Korrespondenten passieren kann. Das war jetzt ein Abschnitt und nun beginnt ein neuer.
Sie haben gerade den Wahlkampf angesprochen. Ist die amerikanische Gesellschaft wirklich so tief gespalten, wie man es aus deutscher Sicht manchmal meint?
Zamperoni: Das ist eine Frage, die ich mir auch in meinem Buch „Fremdes Land Amerika“ gestellt habe. Im Alltag kann man ja sehr gut leben, ohne angefeindet zu werden. Vor 16 Jahren habe ich schon einmal drei Jahre in den USA gelebt und im Vergleich sind Gräben tiefer geworden. In den 60er Jahren waren nur fünf beziehungsweise zehn Prozent der Republikaner und der Demokraten der Meinung, es sei ein Problem, wenn ihr Kind jemanden von der anderen Partei heiraten würde. Mittlerweile sind das 30 respektive 40 Prozent. Das Problem ist, glaube ich, dass das Wort Kompromiss, das ja essentiell für eine Demokratie ist, irgendwie zum Schimpfwort verkommen ist.
"Das Gute an Kindern ist ja, die erden einen so schön"
Hat sich während Ihrer Abwesenheit aus Deutschland auch hier etwas gewandelt?
Zamperoni: Also das Wetter in Hamburg ist so wie immer (lacht). Natürlich habe ich aus der Ferne beobachtet, dass sich etwas verändert hat. Auf meinen Job bezogen, ist mir zum Beispiel der Begriff Lügenpresse vorher noch nie entgegengebracht worden. Der Ton ist doch deutlich rauer geworden.
Sie und ihre Frau haben drei Kinder. Ist denn schon die ganze Familie umgezogen?
Zamperoni: Nein, ich bin die Vorhut. Wir wollten, dass die Kinder das Schulhalbjahr zu Ende machen. Und dann werden wir in den Weihnachtsferien umziehen. Dazwischen werde ich ein paar Mal hin und her pendeln. Das hat den Abschied erst mal leichter gemacht.
Ihre Kinder erleben es also erst mal noch gar nicht, den Papa im Fernsehen zu sehen?
Zamperoni: Das Gute an Kindern ist ja, die erden einen so schön. Denen sagt es entweder nicht richtig was, dass der Papa im Fernsehen ist, oder sie zucken dann mit den Schultern und sagen: Ja, und? Du bist immer noch der Papa und außerdem hat mein Fahrradreifen einen Platten. Kannst du den flicken? Das ist großartig. Aber ich habe ihnen Filme gezeigt, wenn ich für Reportagen unterwegs war. Das finden die schon witzig, aber es hat den Reiz des Neuen verloren. Interessanterweise fanden die es viel interessanter, als mein Buch rausgekommen ist. Da bin ich ja auf dem Cover und das kannten sie so nicht.
Freuen Ihre Kinder sich denn auf den Umzug?
Zamperoni: Sie zählen nicht die Tage und fiebern dem entgegen. Aber das ist auch verständlich. Sie haben ihre Freunde und ihre Bezugsgruppe und die Nachbarskinder. Das ist deren Welt. Und für sie ist schwer zu begreifen, dass sie das nicht mehr sein sollte. Aber ich denke, die Umgewöhnung wird relativ schnell gehen, sie können ja auch Deutsch. Obwohl das stark gelitten hat. Sie haben jetzt einen starken amerikanischen Akzent.
Als USA-Korrespondent erlebt man doch sicherlich einige interessante Dinge.
Zamperoni: Abgesehen von dem spannenden Wahlkampf, wo ich quer durchs Land gereist bin, war mein Highlight sicher, mit einem Jet auf einem US-Flugzeugträger vor Hawaii zu landen. Da ist jeder Jahrmarktsbesuch ein Kinderspiel dagegen. Ich bin auch mit einem ehemaligen Navy Seal im Mississippi geschwommen und war bei den Unruhen in Ferguson dabei. Das sage ich jetzt nicht, um zu erzählen, was das für Abenteuer waren, sondern als Erklärung, wie facettenreich der Job ist.
"Wir haben eine gewisse Verantwortung den Zuschauern gegenüber"
Und jetzt kommen Sie von diesem facettenreichen Leben nach Hamburg ins Studio und lesen - überspitzt gesagt - Texte vor. Ist das nicht langweilig?
Zamperoni: Es ist ein Kontrast. Ich war auch nach dem Volontariat schon Reporter, dann bin ich immer mehr ins Studio gekommen Jetzt war ich wieder drei Jahre draußen. Die Abwechslung ist gut. Die Texte, die ich vorlese, erarbeite ich mir alle selber. Insofern ist das auch spannend, sich mit den verschiedenen Themen, die eine Sendung hat, auseinander zu setzen. Für mich kommt hinzu, dass ich in ein ganz neues Studio komme, das kenne ich so gar nicht. Das ist eine ganz andere Sendung, als die Tagesthemen noch vor drei Jahren waren. Die Herausforderung ist es jetzt, die Nachricht mehr in einen Fluss zu verpacken. Die strikte Trennung Anmoderation und Beitrag gibt es nicht mehr.
Ihr Vorgänger Thomas Roth hat zu seinem Abschied erzählt, richtig schwer sei es ihm gefallen, eine Moderation zum Bild des toten Flüchtlingsjungen Aylan zu schreiben. Gibt es für Sie auch solche Momente?
Zamperoni: Ja, mit Sicherheit. Es gibt Nachrichten, die einem sehr nahe gehen. Aber wir haben eine gewisse Verantwortung den Zuschauern gegenüber. Da kann man sich nicht seinen Gefühlen hingeben. Wie wenn ein Notarzt ein Unfallopfer 'rein bekommt. Der denkt auch nicht daran, wie sich die Mutter des Opfers fühlt. Er denkt: Wie rette ich das Bein? So ähnlich ist das bei uns. Hajo Friedrichs hat gesagt: Cool bleiben, aber nicht kalt. Ich glaube, das ist das, was wir machen müssen.
Ihr Chef, der Chefredakteur von ARD-Aktuell, Kai Gniffke, war diese Woche in Augsburg und hat gesagt, dass er sehr große Erwartungen in Sie hat. Setzt Sie das unter Druck?
Zamperoni: (lacht) Bei einem Moderatorenwechsel gibt es immer eine gewisse Erwartungshaltung. Ich habe die Erwartung, dass ich hier im Team der Tagesthemen den bestmöglichen Job mache. Und sehr offen bin, vieles auszuprobieren, was im neuen Studio möglich ist. Und klar, so ein bisschen ist das auch anspornend. Wenn mir mein Chef sagen würde: „Ach, es ist doch egal, was der da macht, Hauptsache, wir senden kein Schwarz.“ Da wäre ich enttäuscht.
Er hat auch gesagt, dass das Format der Tagesthemen an sich schon stark ist. Der Moderator steht nicht im Fokus. Können Sie trotzdem Einfluss nehmen?
Zamperoni: Letztlich bin ich der, der dem Zuschauer präsentiert, was wir in der Redaktion vorbereitet haben.
Begrüßen Sie uns am Montagabend mit oder ohne Bart?
Zamperoni: Es gibt keine Vorgabe. Mal sehen.
Interview: Christina Heller
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