Thomas Gottschalk wird 60 Jahre alt
Kaum zu glauben, aber Thomas Gottschalk wird am Dienstag 60 Jahre alt. Eine Zahl, die verrät, dass das Fernsehen in die Jahre gekommen ist. Ein kritischer Glückwunsch. Von Rupert Huber
Er ist der Mann, bei dem man sich fragt, wo um Himmels willen man solche Anzüge kaufen kann. Und man möchte nicht wissen, wie viele Coiffeure er schon abschlägig beschieden hat, die ihm gerne an die Haare gegangen wären.
Er ist auch der Mann, der sich nie eine halbe Stunde einlesen würde, um auf das Gespräch mit einer berühmten Schauspielerin vorbereitet zu sein. Thomas Gottschalk hat seinen eigenen (Locken-)Kopf.
Seit Jahrzehnten zieht er sein Ding durch. Und das ist vor allem "Wetten, dass ...?". Am Dienstag feiert der Mann, der für viele noch immer als Inbegriff jugendlich-salopper Moderation gilt, seinen 60. Geburtstag.
Thomas Gottschalk 60. Die Ziffer dürfte das Geburtstagskind nicht stören. Doch sie verrät, dass das Fernsehen als Medium in die Jahre gekommen ist. Genauso wie "Wetten, dass ...?", die klassische Samstagabend-Show, die im vergangenen Jahr einen Quotenschwund erlitt, von dem sie sich nur mühsam erholt hat. An Gottschalks Status ändert das nichts. Er ist seit Jahrzehnten einer der beliebtesten deutschen Fernsehmoderatoren, nach fast 35 Jahren auf dem Bildschirm ein Stück Inventar in der kollektiven Wahrnehmung.
So gesehen ist er Sohn und Enkel zugleich all jener Entertainer-Größen, die die Glotze hervorgebracht hat: Peter Frankenfeld, Rudi Carrell und besonders Hans-Joachim Kulenkampff, den Gottschalk immer bewundert hat - und dessen Talent zum hoffnungslosen Überziehen er geerbt hat.
Dass den gebürtigen Bamberger die 60 Jahre weise machen, ist nicht anzunehmen. Das wäre dann auch nicht der Gottschalk, den sein Publikum liebt. Allerdings: Einen solchen Spruch wie in seiner Sendung "Na sowas!" vom September 1986 wird er wohl nicht mehr vom Stapel lassen. "Vorsicht", glaubte er, eine 60-jährige Artistin warnen zu müssen, "in Ihrem Alter erkältet man sich schnell mal die Eierstöcke." Nun hat den Lästerer das 60er-Schicksal selbst ereilt.
Eine Feiersendung des ZDF hat er abgelehnt. Er spielt lieber am Sonntag das Zirkuspferd in der Arena von Palma de Mallorca, in der "Wetten, dass ...?" wieder einmal ein Gastspiel gibt.
Worin liegt Gottschalks Erfolgsgeheimnis? "Ich habe meinen Beruf nie so furchtbar ernst genommen, weil es eigentlich kein Beruf ist", sagt der Jubilar über seine Begabung als Plaudertasche und schlagfertiger Präsentator. Die begann, nachdem er den Gedanken an eine Laufbahn als katholischer Priester aufgegeben hatte, 1971 im Bayerischen Rundfunk (BR).
"Die beste Zeit meines Lebens" habe er dort verbracht, sagt Gottschalk. Als Pop-Moderator brachte er Witz und Pep in die etwas träge Abteilung leichte Musik. Wer sich noch an seine Sprüche erinnern kann, wusste sofort, dass nun eine neue Radio-Ära begonnen hatte. Er brach mit den strengen Konventionen des öffentlich-rechtlichen Hörfunks, ein Plappermaul, das mit Frechheit siegte. Das übertrug er auch aufs Fernsehen, die Unterhaltungssendung "Na sowas!" wurde 1982 sein Durchbruch.
Sein früherer BR-Kollege Fritz Egner hat das Phänomen Gottschalk analysiert: "Thomas wollte keine Könige neben sich haben, er wusste früh, was er wollte, und kannte den Nerv der Zeit." Und liefert ein Kompliment nach: "Es gibt keinen, der seinen Platz einnehmen könnte, er ist massenkompatibel und trotzdem eckig und kantig, er ist in seiner Art einzigartig. Und in 20 Jahren macht er eine Entgiftungskur vom Fernsehen und wendet sich Literatur und Politik zu."
Letzteres wäre eine große Überraschung. Zwar lieferte sich Gottschalk schon ein wunderbares TV-Duell mit Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki über die Qualität des Fernsehens, aber lieber kokettiert er doch damit, dass er ein "Unterhaltungs-Fuzzi" sei.
Mit dieser Einstellung passt Gottschalk auch wunderbar ins kalifornische Malibu, wo er in den vergangenen gut 20 Jahren seinen Lebensmittelpunkt hatte und seine Söhne Roman und Tristan groß wurden. Die stehen auf Hip-Hop, was dem Vater ein Gräuel ist, der sich wohlfühlt, wenn er "No Milk Today" von Herman's Hermits hört.
Doch er hat auch eine repräsentative Alternative zu Amerika. Er besitzt ein Schloss am Rhein. Gottschalks Ehefrau Thea hatte sich nach der Heimat gesehnt.
Dass Gottschalk ein Markenartikel ist, verdankt er neben seinem angeborenen Talent dem Show-Erfinder Frank Elstner, dem Vater von "Wetten, dass ...?". Der hatte die Idee, moderierte die Sendung auch lange (was man sich heute gar nicht mehr vorstellen mag). Gottschalk aber führte die erfolgreichste Show weltweit in die Gegenwart.
Was haben wir ihm alles zu verdanken: Die Gummibärchen etwa, die früher griffbereit auf dem Tisch standen. Die Produktplatzierung der Deutschen Post - an der auch Gottschalk-Bruder Christoph, Geschäftsführer der Firma Dolce Media, beteiligt ist. Sie vermarktet "Wetten, dass ...?". Der Geschäftsmann Thomas ist auch eine Flirtmaschine, wobei selbst das Schäkern irgendwie geschäftlich wirkt.
Da waren aber auch Misserfolge. Fast alles, was er außerhalb von "Wetten, dass ...?" anpackte, missriet. Zumindest in den Augen der Kritiker und der Fernsehmanager, die zweistellige Millionenquoten erwarten. Also hieß es: Er kann nur "Wetten, dass ...?". Ob seine "Hausparty" bei Sat.1, seine diversen ZDF-Formate wie "Gottschalk America", die Suche nach dem Musicalstar, "Gottschalk & Friends" - sie alle blieben deutlich hinter den Hoffnungen zurück.
Sein Vertrag für "Wetten, dass ...?" läuft bis 2012. Ob es dann weitergeht? Dass ein anderer Moderator nachrückt, womöglich aus dem Bereich des volkstümlichen Schlagers mit ebenfalls gewöhnungsbedürftigen Anzügen, will man sich gar nicht vorstellen. Von Rupert Huber
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