
Kinokritik: So wird Katniss letzter Kampf in "Mockingjay II"

Tribute von Panem „Mockingjay Teil 2“ führt die Saga an ihr Ende. Warum der vierte Film nah am Lebensgefühl junger Menschen und alles andere als eine langweilige Fortsetzung ist.
Der letzte Teil eines Kino-Franchise-Unternehmens ist zumeist eine recht langweilige Angelegenheit. Die Charaktere sind vertraut, die Geschichte längst auserzählt. Die epische Schlacht zwischen Gut und Böse beginnt, wird durch Rückschläge auf eine abendfüllende Spielfilmlänge gestreckt und findet mit dem spektakulären Ableben des Oberschurken seinen dramatischen Höhepunkt. Danach kehren die edlen Sieger nach Hause zurück und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage, sofern sie nicht von einem Remake, Prequel oder Spin-off heimgesucht werden.
"Mockingjay Teil 2": Keine typisch langweilige Fortsetzung
So könnte es auch Katniss Everdeen ergehen, der von Jennifer Lawrence gespielten, eloquenten Heldin aus „Die Tribute von Panem“. Aber Suzanne Collins, die für die dreibändige Romanvorlage verantwortlich zeichnet, ist an vorhersehbaren Genremustern nicht interessiert und hat ihrer jungen Heldin nicht nur Mut, sondern auch das Vermögen zur Selbstreflexion und eine tiefe Skepsis gegenüber autoritären Strukturen mit auf den Weg gegeben. Und das zahlt sich nun auch in dieser letzten Kinofolge aus, für die erneut Francis Lawrence die Regie übernommen hat.
Von der Notwendigkeit des Umsturzes ist Katniss fest überzeugt. Aber mit dem, was der Krieg aus den Menschen macht, kann sie sich nicht abfinden. Gerade hat Revolutionsführerin Coin (Julianne Moore) Distrikt 2, der auf der Seite des Kapitols kämpft, bombardieren lassen und dabei zahllose Ziviltote in Kauf genommen. Ihre Rolle als revolutionäre Galionsfigur, die in Propagandavideos das Volk auf die Seite der Rebellion einschwört, füllt Katniss immer weniger überzeugend aus. Als der Sturm aufs Kapitol beginnt, schmuggelt sie sich an die Front, mit dem festen Vorsatz, den Präsidenten selbst zu töten, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Aber auch innerhalb des Rebellenlagers kann Katniss sich nicht mehr sicher fühlen. Coin hat in ihr längst eine konkurrierende Leitfigur erkannt, die ihrem Machtkalkül als Märtyrerin mehr nutzen würde denn als Überlebende.
Damit sind die Grundlagen für ein Finale gelegt, in dem die Grenzverläufe zwischen Gut und Böse auf politischer wie persönlicher Ebene fast bis zur letzten Minute in Bewegung bleiben. Über vier Folgen hinweg hat „Die Tribute von Panem“ seine Heldin durch einen komplexen emotionalen, politischen und philosophischen Diskurs geführt. Darin wurden die Grundfragen von Liebe und Loyalität genauso reflektiert wie die Machtmechanismen autoritärer Regimes, der Voyeurismus der modernen Mediengesellschaft, die Rolle der Propaganda in Zeiten des Krieges oder die moralischen Verwerfungen von Bürgerkrieg und Revolution. Kein kleines Programm für eine Kinoserie, die sich als popkulturelles Event vornehmlich an jugendliche Zuschauer richtet.

"Tribute von Panem" ist zunehmend düster geworden
Dabei hat sich die dystopische Geschichte zum Ende hin deutlich verdüstert, und auch in diesem letzten Teil sind die Schimmer der Hoffnung sparsam verteilt. Aber das große kriegerische und die Gesellschaft umwälzende Ganze wird hier immer wieder mit den persönlichen Entscheidungen der Heldin abgeglichen, die ihre Skepsis gegenüber der Macht und ihre eigene Rolle in der Arena bis zum Schluss bewahrt. Mit diesem Abgleich zwischen einem weltgeschichtlichen Status quo, der wenig Anlass zur Hoffnung gibt, und den individuellen Handlungsmöglichkeiten ist „Panem“ sehr nah am Lebensgefühl einer jungen Generation, die angesichts düsterer Zukunftsprognosen nach eigenen Wegen sucht.

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