Über 58 Tote: Wut macht sich nach Londoner Hochhausbrand breit
Die Zahl der Opfer nach dem Flammeninferno im Londoner Grenfell Tower ist auf mindestens 58 gestiegen. Und sie steigt weiter. Die Anwohner fordern nun Antworten.
Der Anblick des verkohlten, schwarzen Gerippes lässt einen erschaudern. "Ein Monument des Horrors", entfährt es dem Briten Jon, ein Passant aus der Gegend, als er zum ersten Mal den Grenfell Tower in West-London in der Realität statt am Fernsehbildschirm sieht. Dieser ragt nach dem verheerenden Brand am frühen Mittwochmorgen wie ein Grabmal in den blauen Himmel. Viele können nicht anders, als an die verbrannten Leichen zu denken, die sich noch in dem Monstrum befinden.
Die Geschichten sind herzzerreißend
Wie viele sind es wohl? Berichten zufolge lebten zwischen 400 und 600 Menschen in dem 24 Stockwerke hohen Sozialbau. Keiner weiß das so genau, die Bergung gestaltet sich "aufgrund des gefährlichen Zustands des Gebäudes" als schwierig, teilt die Polizei am Freitag mit. Ständig zeigen die Menschen auf den Wohnblock, weinen, erzählen von dramatischen Geschichten, von Verlust und Verzweiflung. Es ist herzzerreißend. In den Straßen des Viertels North Kensington sind dutzende Londoner zu sehen, viele tragen T-Shirts mit den Fotos von Vermissten, darunter etliche Kinder. Mindestens 58 Menschen sollen bei dem Brand gestorben sein, heißt es. Doch die Behörden erwarten, dass die Zahl der Opfer weiter steigt. "Ich hoffe, dass sie nicht dreistellig wird", sagt der zuständige Beamte.
Zu den Toten gehört die 24-jährige Fotografin Khadija Saye, die ihre Arbeiten erst kürzlich bei der Biennale in Venedig ausgestellt hat. Sie postete in der Unglücksnacht auf Facebook, dass sie nicht aus ihrer Wohnung komme, weil der Rauch zu stark sei. Auch der 23-jährige syrische Flüchtling Mohammed Alhajali wurde als Opfer identifiziert. Vor drei Jahren war er mit seinem Bruder aus dem Bürgerkriegsgebiet geflohen und studierte Ingenieurswissenschaften.
An fast jedem Baum kleben Vermissten-Meldungen
Für die Opfer des Großbrandes, die zwar überlebt, aber alles verloren haben, stehen im Schatten des ausgebrannten Wohnblocks provisorisch aufgestellte Tische mit Kartons voller Spenden – Essen, Kleidung, Getränke, Toilettenartikel. An fast jedem Baum, jeder Wand und jeder Telefonzelle kleben Vermissten-Meldungen mit Fotos und Beschreibungen von Bewohnern, von denen Angehörige und Freunde seit der Katastrophe kein Lebenszeichen mehr erhalten haben.
"Es erinnert mich an die Tage nach dem 11. September", sagt eine New Yorkerin, die Spenden sortiert und seit Tagen kaum geschlafen hat – wie so viele freiwillige Helfer auf den Straßen und in den Notunterkünften. Königin Elizabeth II. und ihr Enkel Prinz William besuchten am Freitag ein umfunktioniertes Fitness-Center nahe des Unglücksorts und trafen Überlebende, Rettungskräfte und Ehrenamtliche.
Wer ist Schuld an dem Desaster?
Die Wut der Bewohner des Viertels richtet sich mittlerweile gegen Vertreter "der Obrigkeit", die im reichen Bezirk "Kensington und Chelsea" jahrelang vor allem Immobilienspekulanten und ausländische Investoren hofierten und sich wenig für die Arbeiterklasse interessierten, so die Kritik. Hunderte Demonstranten versammelten sich am späten Freitagnachmittag vor dem Bezirksrathaus und forderten Antworten. Mehrere Tausend Menschen nahmen an einer Solidaritätskundgebung für die Brandopfer im Regierungsbezirk Westminster teil. Mit Bannern und Plakaten zogen sie Richtung Downing Street und skandierten "May muss gehen!".
Wer ist Schuld an dem Desaster? War der Brandschutz tatsächlich mangelhaft, wie die Grenfell-Mieterinitiative bereits seit Jahren beklagt? Hat die kürzlich im Zuge der Sanierungsarbeiten angebrachte Fassadenverkleidung den Brand erst zum Inferno werden lassen? Mehreren Medienberichten zufolge wurde für die Ummantelung entflammbares, günstiges Material benutzt anstatt der teureren, feuerfesten Ausführung.
Die Ermittlungen können Monate dauern
Premierministerin Theresa May kündigte eine unabhängige Untersuchung an. Doch die Ermittlungen können sich Monate hinziehen. Zudem wird es lange dauern, bis Spezialkräfte das Hochhaus vollständig durchsucht und alle Opfer geborgen haben. Derzeit kommen dazu Drohnen und Spürhunde zum Einsatz.
Und mit jedem Tag wächst der Ärger. May besuchte am Donnerstag zwar den schwer gezeichneten Ort, sprach aber lediglich mit Polizisten, Feuerwehrleuten und Sanitätern. Dass sie offenbar keine Zeit für eine Begegnung mit den Opfern hatte, löste einen Sturm der Empörung aus. "Hier ist der Beweis, dass die Queen Bewohner trifft, bevor Theresa May dies schafft", überschrieb die renommierte Tageszeitung The Guardian Fotos des adeligen Staatsoberhaupts im Gespräch mit Gemeindemitgliedern.
Theresa May reagierte. Und besuchte noch am Freitagnachmittag Überlebende in einem Krankenhaus – "endlich", meinte das Boulevardblatt Daily Mail. Die wütenden Bewohner um den Grenfell Tower konnte sie mit dieser Geste kaum beruhigen.
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Die Wut der Bewohner des Viertels richtet sich mittlerweile gegen Vertreter "der Obrigkeit", die im reichen Bezirk "Kensington und Chelsea" jahrelang vor allem Immobilienspekulanten und ausländische Investoren hofierten und sich wenig für die Arbeiterklasse interessierten, so die Kritik.
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Die zunehmende Politisierung der Brandkatastrophe ist verstörend.
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Tatsache ist doch, dass das Gebäude für eine nicht unerhebliche Summe renoviert wurde - wenn auch mit Fassadenmaterial das bei Hochhäusern in Teilen der Welt seit max. 5 -10 Jahren unzulässig ist.
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Hätte man nichts renoviert, hätte man den Brand im 4. Stock von innen und außen gelöscht und niemand wäre zu schaden gekommen. Ist Nichtstun für die "Arbeiterklasse" besser?
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Sprechen sollte man über den politisch-wirtschaftlichen Mechanismus, der zu preisgünstigen Materialien an den Wänden von Wohngebäuden führt. Es ist der "Klimaschutz" der sich aber bei den gegebenen Energiepreisen nicht rentiert. Als Reaktion wird auch in Deutschland billigeres Styropor (was hier bei Hochhäusern unzulässig ist) verbaut um dem Hauseigentümer irgendwie in 30 Jahren eine Einsparung vorzugaukeln. Teureres Material rentiert sich eben erst später.
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Wenn gleichzeitig grüne politische Strömungen nicht müde werden zu betonen, dass Energie aus Sonne und Wind nicht teurer wird und alles ja ganz prima elektrisch abgasfrei klimafreundlich abläuft wird die Frage nach brennbarem Material an den Wänden von Wohngebäuden bald sehr präsent sein.
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Es ist kein neoliberales britisches Problem:
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https://www.youtube.com/watch?v=1o34slPoa-8