
Vierfachmord von Eislingen bleibt ein Rätsel

Warum ermordet ein 18-jähriger Schüler ohne Vorwarnung seine Eltern und seine beiden Schwestern? Aus Gier nach Geld, meint das Landgericht Ulm. Doch der Vierfachmord von Eislingen bleibt auch nach dem Urteilsspruch rätselhaft.
Am Mittwoch stellte das Gericht fest: Zusammen mit seinem Schulfreund Frederik B. erschoss Andreas H. vor einem Jahr seine Familie aus Habgier. Er wollte das Vermögen der Eltern von rund einer Million Euro alleine erben. Das Gericht verurteilte ihn zu einer lebenslangen Haftstrafe und schloss eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren aus. Sein 20-jähriger Freund bekam die höchst mögliche Jugendstrafe von 10 Jahren.
In der Freundschaft der Täter liegt ein Schlüssel für die Tat. Die beiden Gymnasiasten lernen sich bereits in der Kinderkirche kennen, richtige Freunde werden sie aber erst als Jugendliche. Sie brechen gemeinsam in eine Schule, einen Supermarkt und ein Tennisheim ein und werden dabei niemals erwischt - das schweißt sie zusammen.
Aus Langeweile quälen sie Tiere. Sie stechen mit einem Brieföffner auf eine in einem Stoffsack gefangene, hilflose Katze ein. Sie töten eine Gans. Bevor sie das Federtier schlachten, präsentieren sie sich in martialischen Posen neben ihrer Beute vor einer Kamera. Schließlich stehlen sie im Oktober 2008 die beiden späteren Tatwaffen, 17 weitere Waffen und rund 1700 Schuss Munition.
___Die Freunde bauen sich eine Parallelwelt auf. "Sie haben eine Art Seelenverwandtschaft verspürt", erklärt der psychiatrische Sachverständige Peter Winckler vor Gericht. In der Schule rufen sie sich immer wieder einen tödlichen Code zu: 5142. Fünf Mitglieder hat die Familie von Andreas H., nur einer soll nach dem Plan der Freunde am Leben bleiben, vier müssen durch zwei Täter sterben.
Frederik B. ist in diesen Plan von Anfang an eingeweiht. "Er, das weiß er auch, hätte durch das Beseitigen der Waffen alles verhindern können", stellt das Gericht im Urteil fest._Doch er tut nichts. Und so setzen die beiden Freunde am Gründonnerstag 2009 ihren tödlichen Plan in die Tat um. Zuerst erschießen sie die beiden älteren Schwestern von Andreas H. beim Fernsehen auf dem Bett. Danach besuchen sie die ahnungslosen Eltern in einer Gaststätte, bevor sie auch diese bei der Heimkehr ermorden.
Frederik B. sagt später aus, er habe aus Freundschaft gehandelt, wollte sich ewig an Andreas H. binden. Das Gericht geht bei ihm von niederen Beweggründen aus. Obwohl er teure Wünsche wie eine große Wohnung und coole Klamotten hatte, sei die Habgier bei ihm wohl nicht handlungsleitend gewesen. Vielmehr habe er seinem Freund einen Gefallen tun wollen.
Das von Andreas H. angeführte Motiv zweifelt das Gericht hingegen an. Er hat immer wieder beteuert, in seiner Familie ein Außenseiter gewesen zu sein und unter dem despotischen Vater gelitten zu haben. Aber warum mussten dann auch die Mutter und die Schwestern sterben?
Der Vorsitzende Richter Gerd Gugenhan sieht daher vielmehr Habgier als Motiv:_"Die Kammer hat sich bemüht, Licht ins Dunkel zu bringen. Und wir meinen auch, dass uns dies bis zu einem bestimmten Punkt gelungen ist." Ob die Frage nach dem Motiv damit zutreffend beantwortet ist, wissen nur Andreas H. und Frederik B. selbst. (dpa)
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