Manhattan am Mittelmeer: Höchste Urlaubsgefühle in Benidorm
Die spanische Touristenstadt Benidorm erlaubt Hotels mit unbegrenzten Höhen. Das ist nicht hübsch, doch Städteplaner und Umweltschützer sehen hier das Konzept der Zukunft.
Die Skyline, die schon bei der Anfahrt über die Autobahn aus kilometerweiter Entfernung in Sicht kommt, erinnert an New York: Ein Wolkenkratzer neben dem anderen ragt hoch in den blauen Himmel. Im Hintergrund, zwischen den Straßenschluchten, funkelt in der Sonne das türkisblaue Meer. Ein Kontrast, der Benidorm auch den Beinamen „Manhattan am Mittelmeer“ einbrachte. Gerade ist ein neues und atemberaubendes Hochhaus in dieser Betonlandschaft im Osten Spaniens fertiggestellt worden. Der Apartmentriese „Intempo“, der mit 198 Metern laut Eigenwerbung „das höchste Wohnhaus Spaniens“ ist.
In Benidorm steht Europas höchstes Wohnhaus
47 Stockwerke hoch, 256 Wohnungen, alle haben Meerblick. Mit Pool, Spa und Restaurant im obersten Stockwerk. Und High-Speed-Aufzügen, die in weniger als einer Minute an die Spitze des Doppelturms rasen. Die teuersten Wohnungen ganz oben, im Himmel von Benidorm, kosten weit mehr als eine Million Euro, hört man.
„Dieser Wolkenkratzer wurde zum Symbol für die Spekulation und den Immobilienboom“, kommentiert der öffentliche spanische Fernsehsender TVE das Gigantenwerk. Ein Boom, der noch immer nicht zu Ende ist. Sieben weitere Wohn- und Hotelhochhäuser werden derzeit in Benidorm gebaut oder geplant.
Das urbane Konzept dieser Stadt, 40 Autominuten nördlich vom Urlauber-Airport Alicante entfernt, ist am ganzen Mittelmeer einzigartig: Benidorm wächst vor allem in die Höhe, aber kaum in die Breite, das reduziert den Flächenverbrauch. Bisher hat diese Ferienstadt aus himmelstürmenden Konstruktionen bereits 27 Turmbauten, die höher als 100 Meter sind.
70.000 Touristenbetten in Hotels und Apartmentblocks
Nicht nur die Aussicht aus dem obersten Stockwerk des neuen „Intempo“-Gebäudes, das einen Steinwurf vom langen Poniente-Sandstrand entfernt aufragt, ist schwindelerregend. Auch wenn man unten an der Playa im Sand liegt, beeindruckt der Stahlbetonriese: „Wenn du nach oben guckst, hast du das Gefühl, dass die Türme auf dich drauffallen“, sagt die spanische Urlauberin Nieves González, die neben ihrem Mann am Strand in der Sonne brät. Vor allem Spanier drängeln sich in diesem Sommer in Benidorm, das Spaniens bekannteste und meistbesuchte Urlaubsbadestadt ist. Die Briten, die normalerweise hier in Scharen einfallen, sind in diesem zweiten Covid-Sommer nur eine kleine Minderheit. Deutschsprachige Touristen verirren sich auch in normalen Zeiten eher selten in dieses Mekka des Massentourismus, in dem das ganze Jahr über Betrieb herrscht: Im Sommer kommen Familien und junge Leute, im Winter vor allem Rentner. Wenigstens 70.000 Touristenbetten gibt es in Hotels und Apartmentblocks. Die allermeisten Betten sind in diesen Spätsommertagen belegt.
Wer einen Platz am Strand mit Sicht aufs Wasser haben will, muss früh aufstehen. Die ersten rammen morgens um sieben, noch vor dem Frühstück, ihre Sonnenschirme in den Sand, um sich ihr Territorium zu sichern. Auch wer in einer Bar eine Sangria trinken möchte, muss meist Schlange stehen, um einen Tisch zu bekommen.
Bürgermeister: „Irgendetwas Attraktives muss diese Stadt ja wohl haben“
Dass Kritiker Benidorm als öde Betonwüste bezeichnen, wischt Bürgermeister Toni Pérez vom Tisch: Der Erfolg dieser Ferienstadt, die niemals schläft und in der auch im Winter Sonne und milde Temperaturen locken, spreche für sich. „Wir haben Gäste, die kommen vier oder fünf Mal im Jahr und in verschiedenen Jahreszeiten“, sagt er. „Irgendetwas Attraktives muss diese Stadt dann ja wohl haben.“
Vor 70 Jahren war Benidorm ein Fischernest. Doch als die Netze leerer wurden, kam dem damaligen Bürgermeister Pedro Zaragoza der rettende Einfall: Benidorm sollte zum Musterort für Sonnen- und Strandurlaub werden. Und zwar mit einem Bebauungsplan, der das Wachstum in unbegrenzte Höhe erlaubte. Das Ergebnis: Benidorm gilt heute als die europäische Stadt mit der größten Wolkenkratzerdichte pro Quadratkilometer.
Diese Kulisse mögen nicht alle schön finden, doch das Experiment am Mittelmeer findet den Beifall von Städteplanern, sogar von Umweltschützern. Durch diese urbane Konzentration in der Höhe werde weniger Landschaft zubetoniert. Und es gebe weniger Energie- sowie Wasserverbrauch. Auch die Transportwege seien geringer, weil alles nah beieinander liege. „Benidorm“, bekräftigt ein Sprecher der örtlichen Architektenvereinigung, „ist sehr viel nachhaltiger als andere Orte.“
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