Von der Dunkelheit ins Licht
Mit dem Keyboarder Jon Lord starb auch ein Stück Rockgeschichte
Augsburg Das darf man ruhig mal schreiben: Pfarreien hatten in den 1960er Jahren einen guten Ruf bei lokalen Rockbands. Im Pfarrsaal von St. Moritz in Augsburg etwa fanden Beat-Wettbewerbe statt, gastierten die Lords und die German Bonds. Aber das war alles nichts gegen den Abend im September 1969, als Deep Purple einfielen.
Bislang hatten sie in den Hitparaden die Hits anderer nachgesungen – zum Beispiel „Kentucky Woman“ von Neil Diamond –, aber im Moritzsaal explodierte die zum Teil neu formierte britische Band regelrecht. Im Mittelpunkt der narzisstische Sänger Ian Gillan mit seiner fordernden hohen Stimme, der fingerfertige Gitarrist Ritchie Blackmore und ein Keyboarder, der dem Rockfest eine ganz besondere Note gab: Da war einer, dessen mehr klassisch orientiertes Hammond-Orgelspiel den rauen Sound der Band auf eine zweite Ebene hob, mit der Gruppen desselben Genres nicht konkurrieren konnten.
Jon Lord war eine Autorität. Und wenn Rockfans in aller Welt Trauer tragen nach dem Tod des 71-jährigen Musikers, ist das gut nachvollziehbar. Der Brite war sein Leben lang der Klassik verbunden – und spielte trotzdem die härtesten Rhythmen, die man sich von einem Keyboarder vorstellen konnte. Lord beherrschte die Klavier- und Orgeltasten in so gut wie jeder Stimmlage. Und wie er an seinem Instrument saß, mit Scheitel, langem Haar und Schnurrbart, hätte er auch einen Folksänger abgeben können. Deep Purple profitierten von dem variantenreichen Spiel des Musikers, der sich öfter Solo-Ausflüge ins klassische Fach gestattete und Rock mit E-Musik zu verbinden suchte.
Was ihm Rüffeleien der Heavy-Rock-Fans einbrachte, die Keyboards als unnötige Zutat zum Schwermetall betrachteten.
Jon Lord litt an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Musik hatte er bis zuletzt gemacht, sie sei „Teil seiner Therapie“. Die Musik, für die er und Deep Purple stehen, sind Meilenstein-Alben wie „Deep Purple In Rock“ oder „Machine Head“. Aus Letzterem stammt das unverwüstliche „Smoke On The Water“, das manche gerne während des Joggens hören. Allerdings ist der Song mehr für das wohl berühmteste Gitarrenriff der Rockgeschichte bekannt als für die Orgel-Feinarbeit Jon Lords.
„Jon geht von der Dunkelheit ins Licht“ hieß es in einer Erklärung seiner Familie. Möge es keine „Black Night“ mehr für ihn geben.
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