Wie Umwelthilfe und andere den Berliner SUV-Unfall instrumentalisieren
Ein Sportgeländewagen gerät auf den Gehweg, vier Menschen sterben. Und umgehend bricht ein Streit los. Über den abstoßenden Alltag im Twitter-Zeitalter.
Es war am Freitagabend, als die Nachrichtenagentur dpa die kurze Meldung brachte: „In Berlin-Mitte sind bei einem schweren Verkehrsunfall vier Menschen getötet worden.“ Der Unfallhergang sei noch völlig offen, zitierte sie einen Polizeisprecher. Bei dem Fahrzeug handele es sich um einen Porsche SUV. Also ein Sport Utility Vehicle, eine Art Geländewagen für die Stadt.
SUV-Unfall in Berlin: Hier wird Politik gemacht auf Kosten von Unfalltoten
Was dann passierte, ist abstoßend. Der Unfall wurde umgehend instrumentalisiert – ein Mechanismus, für den es aus den vergangenen Jahren vor allem aufseiten von Pegida oder AfD zuhauf Beispiele gibt. Nun gibt es ein Beispiel von der Deutschen Umwelthilfe.
Sie twitterte: „SUVs haben in unseren Städten nichts zu suchen! 4 Tote, darunter ein Kleinkind, sind die Bilanz eines schrecklichen Raser-Unfalls mit einem Porsche-SUV in Berlin. Und wenn es nach den Autokonzernen geht, soll mehr als jeder zweite Neuwagen ein SUV werden. Wir kämpfen dagegen an!“
Hier wird Politik gemacht auf Kosten von Unfalltoten – beruhend auf einem Unfall, von dessen Hergang und Ursache man auch am Sonntagnachmittag nichts Genaueres oder gar mit Fakten Belegtes weiß. Die Polizei schloss zu diesem Zeitpunkt einen medizinischen Notfall beim Fahrer nicht aus.
Soziale Medien: Katzen-Content und Hassbotschaften klicken sich hervorragend
In der öffentlichen Debatte spielte das da längst keine Rolle mehr. Diskutiert wurde: „Sind SUV gefährlicher als andere Autos?“ ( n-tv ). Und der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), befeuerte die Debatte, in dem er sie politisch und ideologisch weiter auflud: „Solche panzerähnlichen Autos gehören nicht in die Stadt. SUVs haben in unseren Städten nichts zu suchen!“
Es gibt mehrere Gründe, warum dieser Unfall derart schnell instrumentalisiert werden konnte. Sie alle werfen ein schlechtes Licht auf den gegenwärtigen Zustand der Debattenkultur in Deutschland.
Debatten werden in hohem Maße von ideologischen Verkürzungen und Verblendungen, polemischen Vereinfachungen und dem grassierenden Schwarz-Weiß-Denken in den vermeintlich sozialen Medien getrieben. Dort funktionieren Beiträge, die Gefühle ansprechen, nachweislich am besten: Katzen-Content und Hassbotschaften klicken sich hervorragend.
Der Anstand hätte geboten, zunächst Beilied und Mitgefühl zu bekunden
In diesem Fall stieß der tragische Unfall in Berlin auf eine mehrfach ideologisch aufgeladene Diskussion über Klimaschutz und speziell die Autoindustrie. Eine vergiftete Diskussion, in der unter anderem und ständig wiederkehren: die Deutsche Umwelthilfe, die wegen ihres Kampfes für Dieselfahrverbote einigen als rotes Tuch gilt; die Grünen, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit als „Verbotspartei“ verächtlich gemacht werden; SUV („Klimakiller“, „motorisierte Mordwerkzeuge“) als Inbegriff eines klima- und wirtschaftspolitischen Versagens. Und nun auch noch die unmittelbar bevorstehende Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt am Main...
Sachlich wird in dieser Debatte nicht diskutiert, es wird mit Reizwörtern hantiert – die die Stichworte bilden für Übertreibungen, Verschwörungstheorien, Hass.
Was allen guttäte – Politikern, Medien, Organisationen, Verbänden, Internetnutzern –, wäre dieser eine simple Grundsatz: Erst einmal ein wenig abwarten und nachdenken, bevor man seine Meinung der Welt mitteilt. Im Falle des Berliner Unfalls wäre es angebracht gewesen, den Hinterbliebenen sein Beileid und Mitgefühl zu bekunden. Den Unfallfahrer eingeschlossen, der im Krankenhaus liegt. Das hätte der Anstand geboten. Aber mit dem Anstand in Twitter-Zeiten ist das so eine – traurige – Sache.
Mehr zum Unfall sowie zum Thema Klimaschutz und Automobilindustrie lesen Sie hier:
- Unfallforscher: SUV nicht unbedingt gefährlicher
- Schwerer Unfall in Berlin: Hunderte gedenken der vier Toten
- Öffentliche Klimaschutz-Debatte: Autobauer treffen ihre Kritiker
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Die Diskussion ist geschlossen.
@Peter P.
Ich muß Ihnen noch zu Ihrem letzten Kommentar in bezug auf das Gewicht von E-Autos zustimmen.
Einen SUV als Städter zu kaufen spricht schon von eingeschränkter Handlungsintelligenz, aber einen E-SUV zu kaufen, entbehrt jeder Intelligenz!
>> Einen SUV als Städter zu kaufen spricht schon von eingeschränkter Handlungsintelligenz <<
Die Frage ist doch nicht der Wohnort, sondern Ort der Fahrzeugnutzung. Es gibt genug Menschen die in der Stadt leben, sich aber in der Freizeit nicht auf ihren großstädtischen Kietz beschränken.
Das ist eine linksgrüne Idee aus den Blasen einiger Metropolen, dass das ganze Leben ohne Auto in der Stadt stattfindet und man den Rest mit Bahn oder Carsharing erledigt. Nein, man kann auch mit Auto in der Stadt gut und gerne leben.
Wobei eine echte Verkehrswende in Richtung Groningen etc. auch in linksgrün regierten Städten stets ausbleibt. Berlin ist da nur das allerbeste Beispiel, wo sich die Unzufriedenheit über die Verkehrssituation nun an einem Unfall mit SUV Beteiligung konzentriert. Man will sich halt nicht eingestehen, dass die in Berlin beliebte Effekthascherei mit punktueller Sperrung und Straßenmöbilierung praktisch nichts ändert.
Faktencheck Fahrzeugbreite:
Opel Astra K - Breite ohne Spiegel: 1814 mm
Kompaktvan VW Touran 2 - Breite ohne Spiegel: 1829 mm
SUV VW Tiguan 2 - Breite ohne Spiegel: 1839 mm
Da kreischt der linksgrüne Aktivist laut auf, der SUV Tiguan ist 2,5 cm breiter als ein Astra ;-)
https://de.wikipedia.org/wiki/VW_Golf_VII
https://de.wikipedia.org/wiki/VW_Touran_II
https://de.wikipedia.org/wiki/VW_Tiguan_II
Das ist doch keine neue Information, das hatten wir doch unlängst schon - die durchaus überraschende Feststellung, dass die SUVs nicht wesentlich breiter sind als...
Den Bus bewegen Sie wie oft überhaupt und davon in der Stadt? Ist Ihnen schon mal das Verhältnis aufgefallen von Bussen und zunehmenden SUVs? Natürlich gab und gibt es jede Menge großer Autos. Wann kommen Sie auf die LKWs? Unangenehm wird, dass diejenigen Autos, die es bislang eben nicht waren nun zu Monsterkärren mutieren. Wie gesagt: Eigene Sicherheit zu Lasten von anderen (bei Bussen ist das nicht das Motiv) Bessere Übersicht zu Lasten der anderen. Ausgangspunkt für eine generelle Aufrüstung von Blech auf unseren Straßen. Überflüssig. Bei der bekannten Problematik der Umweltbedingungen kontraproduktiv. Kein Verbot aber entsprechende Besteuerung der kg oder des CO2 -Ausstoßes am Besten eine Kombination. Denn - auch wenn der Verbrauch nicht unangenehm auffällt - er wäre geringer, wäre das Auto vernünftig groß und leichter.
Es gab schon diese Ansätze mit der Breite...
https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-unfall-in-berlin-mitte-gruenenpolitiker-fordert-obergrenze-fuer-suv-in-staedten/24993604.html
>> Der Verkehrs- und Umweltexperte Krischer sagte: "Die Autos brauchen immer breitere Parkplätze in Städten, wo der Raum immer knapper wird. Sie sind eine Gefahr gerade für Fußgänger und Radfahrer." <<
>> Ist Ihnen schon mal das Verhältnis aufgefallen von Bussen und zunehmenden SUVs? <<
Die Zahl der SUV wird hsl. durch Kompakt SUV wie Tiguan, ix 35, GLA etc. in die Höhe getrieben. Viel mehr GLE, X5, Range Rover sehe ich nicht im Vergleich zu vor ein paar Jahren.
Sie stellen die richtigen Fragen Herr P. Bezüglich der 'unqualifizierten Einwanderung' haben Sie die Antwort auch schon oft genug gegeben. Bzgl. der von Ihnen heißgeliebten SUVs haben nun andere mal restriktive Vorstellungen.
Ich fahre keinen SUV, obwohl die Versicherung vom Volvo XC 60 wirklich erstaunlich preiswert gewesen wäre. Scheint irgendwie von vorsichtigen Menschen bevorzugt zu werden. Die Ladekante war uns aber letztendlich zu weit oben.
Ich fahre einen Astra K und einen Bus, der linksgrün unbeanstandet schwerer und breiter als die meisten SUV sein dürfte. Was eine knuffige Form und schmale 205er Schlappen nicht alles ändern. In der Stadt übrigens immer auf Augenhöhe mit Fußgängern und Radfahrern.
Und Sie wischen durchaus berechtigte Kritikpunkte einfach vom Tisch, Herr Wirsching. Die Einwände hat es ja - siehe auch schon vorstehende Kommentare - schon früher gegeben. Herr Brockmann inzwischen seltsam verwandelt in seinen Ansichten und Erkenntnissen hat noch 2017 ganz andere Erkenntnisse über SUVs gehabt.
Sicherlich sind auch schon Unfälle mit kleineren Wagen tödlich ausgegangen. Trotzdem wird man sich doch die Frage stellen dürfen, ob es diese aufgeblähten Blechkarossen braucht, die sich die eine Seite leistet, um der anderen sicherheitstechnisch überlegen zu sein und sich dann an den Pranger gestellt fühlt, wenn man ihr genau das vorwirft.
>> Trotzdem wird man sich doch die Frage stellen dürfen, ob es diese aufgeblähten Blechkarossen braucht <<
Braucht es Flugreisen in die USA?
Entscheidend ist der individuelle Wunsch des Menschen?
Braucht es Drogen?
Braucht es unqualifizierte Einwanderung?
Braucht es braucht es?
1. Das mit der Raserbehauptung der Umwelthilfe ist natürlich eine Unverschämtheit.
2. Die Augsburger berichtet regelmäßig auch über Unfälle mit Toten und schreibt am Ende ausführlich über die Schadenshöhe in Euro. Das finde ich auch unmöglich. Da haben Menschen Angehörige oder Freunde verloren aber der Sachschaden lag ja nur bei 2000 Euro. Da kann sich die Augsburer Allgemeine an die eigene Nase fassen.
Dass SUVs nichts in Innenstädten zu suchen haben und ein Problem darstellen, ist jetzt aber schon länger bekannt:
https://www.tagesspiegel.de/politik/automarkt-suv-in-blech-gepresste-ruecksichtslosigkeit/20348982.html
https://www.handelsblatt.com/auto/nachrichten/klimaziele-der-suv-wahnsinn-warum-die-autoindustrie-sehend-in-eine-falle-tappt/24976708.html
Da die Politik jedoch seit Jahren nicht handelt, um die Schwächeren zu schützen, muss immer wieder darauf hingewiesen werden.
Auch Anhänger der Afd glauben vielfach, dass sie vom Staat unzureichend geschützt werden ;)
Danke Herr Wirsching, für diesen, das Thema sehr treffend schildernden Kommentar!
Gerade Themen- und Sprachwahl der Deutschen Umwelthilfe erinnern mich immer wieder an die sprachlichen Stilmittel von Demokratie-Feinden und vieler Twitter-Populisten wie z.B. Donald Trump und Boris Johnson, aber auch an Stimmen aus dem rechten Lager deutscher Parteien. Das sogar Politiker der Grünen sich dieser unsäglichen, demokratiefeindlichen Ausdrucksweise bedienen, ist wohl auch ein Zeichen einer gerade für unsere Jugend gefährlichen Überzeugung, dass man sich dieser gewalttätigen Sprache bedienen muss, um sich in der heutigen Medien- und Gesellschaftsstruktur Gehör zu verschaffen.