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  3. Der Fall Maria: Wie die 13-jährige Maria mit ihrem "Entführer" untertauchte

Der Fall Maria
08.05.2019

Wie die 13-jährige Maria mit ihrem "Entführer" untertauchte

Der Angeklagte Bernhard H. versteckt sein Gesicht hinter einem Aktenordner. Auf dem klebt ein ziemlich merkwürdiges Foto.
Foto: Patrick Seeger, dpa

Ein Mädchen verschwindet mit einem 40 Jahre älteren Mann. Jahrelang fehlt von beiden jede Spur. Plötzlich ist Maria wieder da. Und der Mann steht vor Gericht.

Jung sieht sie aus, jünger, als man sich eine 18-Jährige vorstellt. Die dunkelblonden, schulterlangen Haare sind glatt und seitlich gescheitelt, sie umrahmen weiche Züge und ein offenes, ungeschminktes Gesicht. Maria trägt weiße Sneaker, ein schlichtes, grün-weiß kariertes Oberteil und dunkle Hosen. Mittelgroß, mittelschlank, wie das nette, unauffällige Mädchen von nebenan.

Die einstigen Klassenkameraden der früheren Gymnasiastin sitzen an diesem Mittwochvormittag in Freiburg über ihrer Englisch-Abiturprüfung. Maria selbst hat gleichzeitig im Saal IV des Freiburger Landgerichts Platz genommen. Hinter sich ihre Mutter, eine Frau um die vierzig mit schwarz gefärbten Haaren, neben sich eine Rechtsanwältin und eine Sozialtherapeutin. Und genau gegenüber, fünf Meter entfernt auf der Anklagebank, Bernhard H., 58 Jahre alt und aus Nordrhein-Westfalen. Er ist der Mann, den Maria im Herbst 2012 im Alter von zwölf Jahren in einem Internet-Chat kennenlernte und mit dem sie am 4. Mai 2013 aus Freiburg und kurz darauf aus Deutschland verschwand.

Der Fall diente sogar als Vorlage für einen „Tatort“

Der Fall hielt das Land monatelang in Atem, Fahndungen und Suchaufrufe liefen in allen Medien, es gab eine „Aktenzeichen XY… ungelöst“-Sendung darüber, mehr als 1000 Spuren, denen die Polizei national, dann auch international nachging. Erst im März lief im Ersten sogar ein „Tatort“ mit den Freiburger Ermittlern („Für immer und dich“ - hier lesen Sie die Kritik), dem der reale Fall als Vorlage diente und den mehr als neun Millionen Zuschauer sahen.

Schnell gab es Hinweise darauf, dass Maria nicht entführt wurde, sondern freiwillig mit dem 40 Jahre älteren Mann unterwegs sein könnte – sofern man bei einem 13-jährigen Mädchen von „freiwillig“ reden kann. Marias Mutter, die ihr Geld als Putzfrau verdient, ließ nichts unversucht, um Hinweise auf ihre Tochter zu bekommen. Ohne Erfolg. Zwar gab es immer wieder angebliche Spuren von dem Mann und dem Mädchen. Doch ein Lebenszeichen gab es nie.

Bis zum August 2018, als sich Maria kurz nach ihrem 18. Geburtstag überraschend aus Mailand bei Bekannten ihres Vaters meldet und sich abholen lässt. Sie will nach Hause. Sie habe Bernhard H. in einem unbeobachteten Moment verlassen. Einem TV-Sender sagt sie später, sie habe zuvor heimlich im Internet ihren Namen gegoogelt und dabei überhaupt erst festgestellt, dass sie noch immer gesucht und von ihrer Mutter vermisst wird.

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Kurz danach, Anfang September, wird Bernhard H. in Sizilien festgenommen und später nach Deutschland ausgeliefert. Er sitzt in Untersuchungshaft, Maria und er haben sich seitdem nicht mehr gesehen.

Die mittlerweile junge Frau und ihre Mutter haben sich vorab in Exklusiv-Interviews geäußert. Dennoch blieben viele Fragen offen, auf die der Prozess Antworten geben soll. Ging Maria tatsächlich „freiwillig“? Blieb sie „freiwillig“ bei Bernhard H.? Und warum kam sie so spät zurück?

Bernhard H. ist angeklagt wegen der Entziehung Minderjähriger sowie des Missbrauchs und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen in einer Vielzahl von Fällen. Die Anklage listet 109 Missbrauchstaten auf. Auch wenn Maria freiwillig bei ihm war, ist Kindesentzug ohne Einwilligung der Eltern eine Straftat. Allein darauf drohen laut Strafgesetzbuch bis zu fünf Jahre Haft, in schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahre. Hinzu kommt der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs.

Er hält einen Aktenordner vors Gesicht - mit einem bizarren Foto drauf 

Im Gerichtssaal bekommen Fotografen und TV-Teams nur eine Gestalt in viel zu großen Hosen vor die Linse, einen Kapuzenpulli tief ins Gesicht gezogen, die gefesselten Hände halten einen Aktendeckel vors Gesicht. Darauf klebt ein Foto: zwei Hände, die vor einem farbenprächtigen Sonnenauf- oder -untergang am Horizont ein Herz formen. Bernhard H.s Botschaft an die Welt.

Als sich der Aktendeckel senkt, sitzt da ein älterer Mann mit scharfem Profil, grauem Stoppelhaarkranz und Kinnbart. Er ist nervös, sein Blick fliegt zu Maria. Bernhard H.s Gesichtszüge zucken, er bricht in Tränen aus. Die 18-Jährige schaut zur Seite, plaudert mit ihren Begleiterinnen und wirkt fast entspannt. Sie wolle Bernhard H. nicht als schwaches, wehrloses Opfer gegenübertreten, hat sie zuvor in einem Interview gesagt.

Gleich zu Beginn beantragt Stephan Althaus, der Pflichtverteidiger von Bernhard H., den Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung und sogar von der Verlesung der Anklageschrift. Grund ist, dass für Bernhard H. auch die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung gegeben sein könnten, was dem Angeklagten ein besonderes Persönlichkeitsschutzrecht einräumen würde. Eine entsprechende Beurteilung enthält wohl auch das vorliegende psychiatrische Gutachten. In solchen Fällen ist der Ausschluss der Öffentlichkeit zumindest teilweise möglich.

Dem Antrag wird stattgegeben, soweit es um die Beziehung zu Maria und intime Details geht. „Die öffentliche Erörterung von Details aus dem Sexualleben des Angeklagten würde seine schutzwürdigen Interessen verletzen“, begründet der Richter. Auch Marias Vernehmung am kommenden Montag könnte darunterfallen.

Die Anklageschrift selbst dagegen bleibt öffentlich. Staatsanwältin Nikola Novak zeichnet darin das Bild eines pubertierenden Mädchens, das Stress mit der Mutter hat. Und dem sich über den Chat mit „Karlchen“, wie sich Bernhard H. nennt, eine Möglichkeit bietet, dem zunächst virtuell zu entkommen. Zwölf Jahre ist Maria damals alt. Bernhard H. ist nicht einschlägig vorbestraft oder auffällig. Seine damalige Frau erwischt ihn zwar beim Chat und zeigt ihn an, was außer einer Gefährderansprache durch die Polizei aber keine weiteren Folgen hat. Weil die Frau auch Marias Mutter kontaktiert und die ihrer Tochter das Handy entzieht, wächst der Stress für Maria zu Hause noch.

Da war Maria noch verschwunden: Ihr Namensschild hing noch an ihrer Zimmertür in der Wohnung der Mutter.
Foto: Patrick Seeger, dpa

Der Angeklagte, der sich wohl zunächst als Teenager ausgibt, und Maria haben aber weiter Kontakt mit zunehmend sexuellem Charakter – Nacktbilder und einschlägige Nachrichten werden per Internet und WhatsApp hin- und hergeschickt. Bernhard H. fantasiert über Liebe und Familiengründung, schmiedet Fluchtpläne mit der Schülerin.

Spätestens im Frühjahr 2013 soll es in Freiburg auch zu mehreren Treffen und echten sexuellen Kontakten gekommen sein. Bei einem fürchtet Maria, schwanger geworden zu sein – der Auslöser für die Flucht mit Bernhard H. Anfang Mai, laut Anklage auch aus Angst vor der Reaktion der Mutter.

Die Flucht führt zunächst mit Bernhard H.s Auto nach Polen, später mit Fahrrädern und Zelt durch halb Südosteuropa und schließlich bis nach Sizilien. Mindestens zwei Jahre leben die beiden dort – nach außen hin als Vater und Tochter. Sie schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durch.

Nach Marias 15. Geburtstag soll es keine sexuellen Kontakte mehr gegeben haben. „Der Angeklagte hat dies dennoch als Lebensgemeinschaft gesehen, die Beziehung dominiert und den Kontakt von Maria zu ihrer Familie, Freunden und Gleichaltrigen verhindert“, heißt es in der Anklage. Auch das Medikament für ihre Schilddrüsenerkrankung habe er ihr versagt.

Der Angeklagte sagt: Meine Arme werden immer offen sein für sie

Bernhard H., hat bisher geschwiegen, im Prozess will er sich äußern. Den Antworten des 58-Jährigen auf die geduldige Befragung des Richters ist schwer zu folgen. Bernhard H. knetet seine Hände, tut sich schwer, sein Leben chronologisch wiederzugeben, verzettelt sich in Details, kann Lebensstationen kaum sortieren. Seine Angaben zeichnen das Bild eines aus einfachsten, schwierigen familiären Verhältnissen stammenden Jungen, der eine von Gewalt und Schicksalsschlägen geprägte Jugend verbringt und den Vater nur einmal sieht, bevor dieser sich erhängt.

Trotz vieler Widrigkeiten, den erzwungenen Abbruch einer Lehre durch einen Unfall und nach Jahren mit Gelegenheitsjobs und Arbeitslosigkeit, während der er sogar einmal ein halbes Jahr im Zelt im Wald lebt, findet Bernhard H. doch noch in ein halbwegs geregeltes Leben. Er schafft sich hoch, ist Betriebsrat. Privat führt er Beziehungen mit gleichaltrigen Frauen, engagiert sich politisch und rückt bei den rechtspopulistischen Republikanern in Nordrhein-Westfalen in den Landesvorstand auf, bevor er der Politik den Rücken kehrt.

Eine Ehe, aus der eine Tochter hervorgeht, erweist sich als Sackgasse. „Ich hab funktioniert und gearbeitet, wir haben uns schnell auseinandergelebt“, sagt Bernhard H. Zur eigenen Tochter und den Stiefkindern hat er im eigenen Haus kaum Kontakt. Das Internet habe ihm die Möglichkeit eröffnet, sich zurückzuziehen, sagt er.

Hier bricht der Richter für die Öffentlichkeit ab. Nur wie er sich seine Zukunft vorstelle, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, fragt der Richter den Angeklagten dann noch. Nach Italien wolle er vielleicht, so Bernhard H., er habe Kontakt zu einem Kloster, in der Haft habe er zum katholischen Glauben gefunden. „Ich kann in Deutschland wohl nicht mehr leben, die sozialen Medien sind voll mit Berichten über mich“, sagt der Angeklagte. „Und ich weiß ja auch nicht, wie es weitergeht mit Maria und mir.“

Der 58-Jährige schaut zu der 18-Jährigen hinüber. Dann sagt er: „Meine Arme werden immer offen sein für sie. Immer.“ Ein leises Aufstöhnen geht bei diesem Satz durch die Zuhörer-Reihen. Marias Miene bleibt unbewegt.

Das Urteil soll im Juni fallen.

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