Fünf Jahre nach dem rassistischen Anschlag in Hanau haben Familien und Freunde der Toten gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Vertretern des Landes Hessen und der Stadt Hanau an die neun Opfer erinnert. Bei einer Gedenkstunde vor rund 400 geladenen Gästen riefen Steinmeier und Hinterbliebene zum Zusammenhalt der Gesellschaft und zum Kampf gegen Rassismus und Extremismus auf.
Der Anschlag war nach Ansicht Steinmeiers «ein Anschlag auf unsere offene Gesellschaft und unsere liberale Demokratie». Das gelte auch für die «vermutlich islamistisch motivierten Anschläge der vergangenen Monate».
«Immer wieder für gutes Miteinander sorgen»
Steinmeier sprach sich für ein entschiedenes Vorgehen gegen Rassismus, Rechtsextremismus, Islamismus «und gegen jede andere Form der Menschenfeindlichkeit» aus. «Es ist an uns, für ein gutes Miteinander zu sorgen, jeden Tag und immer wieder aufs Neue. Das ist die Botschaft, die wir heute hier aus Hanau in unser Land senden sollten.»
Am 19. Februar 2020 hatte ein deutscher Täter in Hanau neun junge Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst.
Die Morde von Hanau seien «nicht aus dem Nichts geschehen», betonte das Staatsoberhaupt. Zur Vorgeschichte gehöre auch der vor allem im Internet und in den sozialen Medien verbreitete Hass, der darauf abziele, das gesellschaftliche Klima zu vergiften und Abgrenzung und Ausgrenzung von Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu vertiefen.
Hinterbliebene melden sich zu Wort
Bei der Gedenkstunde sprachen auch vier Hinterbliebene. Sie forderten ebenfalls, Rassismus und Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen - aber auch eine restlose Aufklärung der Tatumstände und personelle Konsequenzen für die damals Verantwortlichen.
Direkt nach Steinmeier ergriff Emis Gürbüz, Mutter des ermordeten Sedat Gürbüz, das Wort. «Dieses Ereignis ist ein schwarzer Fleck in der Geschichte der Stadt Hanau und Deutschlands», sagte sie über den Anschlag. Die Stadt Hanau trage die Hauptschuld, sagte Gürbüz unter Verweis auf Briefe, die der spätere Täter vor dem Attentat verschickt habe und auf den versperrten Notausgang in einer Bar, die am Abend des 19. Februar 2020 zum Tatort wurde.
«Ich akzeptiere keine Entschuldigung»
Die Entschuldigung des neuen hessischen Innenministers Roman Poseck (CDU) für Fehler in der Polizeiarbeit in der Tatnacht wolle sie nicht annehmen, betonte Gürbüz. «Es hätte keine Fehler, Versäumnisse oder Fahrlässigkeiten geben dürfen. Ich akzeptiere keine Entschuldigung», betonte die Mutter. Poseck war im Jahr 2020 noch nicht Innenminister.
Den kürzlich zwischen der Mehrheit der Hinterbliebenenfamilien und der Stadt Hanau gefundene Kompromiss zur Errichtung eines Denkmals am Platz vor dem geplanten Haus für Demokratie und Vielfalt in Hanau lehnt Gürbüz ab. «Ich möchte nicht, dass der Name meines Sohnes darauf erscheint.» Sie hält nach wie vor den Marktplatz für den besseren Standort. Ähnlich hatte sich zuvor auch Armin Kurtovic, Vater des ermordeten Hamza Kurtovic, geäußert, der nicht an der offiziellen Gedenkveranstaltung teilnahm.
OB Kaminsky: Unsere Hand bleibt ausgestreckt
Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sagte, die Tat habe eine Wunde in die Stadt geschlagen, die vernarbe, aber nicht verschwinde. Auf die Vorwürfe von Gürbüz ging er in seiner Rede nicht direkt ein. «Wir wissen um die anderen Stimmen und unsere Hand bleibt ausgestreckt», sagte er mit Blick auf den Streit um den Standort des Mahnmals.
Rhein: Hass ist reale Gefahr
Nach Ansicht des hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) tragen alle Bürgerinnen und Bürger dafür Verantwortung, dass Hass und Hetze die Gesellschaft nicht unwidersprochen spalten könnten. «Hass ist eine reale Gefahr. Und leider müssen wir heute - fünf Jahre später - ehrlich sagen: Er ist es bis heute. Er ist sogar teilweise ein politisches Geschäftsmodell», sagte Rhein.


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