BGH-Urteil: judenfeindliches Schweine-Relief in Wittenberg bleibt
Der BGH hat am Dienstag entschieden, dass das judenfeindliche Relief der sogenannten "Judensau" von der Wittenberger Stadtkirche nicht entfernt werden muss.
Ein Schwein, das zwei Juden säugt, und in Stein gehauener Judenhass ist: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am heutigen Dienstagvormittag entschieden, dass die als "Judensau" bezeichnete Skulptur an der Stadtkirche Wittenberg in Sachsen-Anhalt nicht entfernt werden muss.
Das Relief für sich betrachtet sei zwar "in Stein gemeißelter Antisemitismus" und eine Kollektivbeleidigung gegenüber Juden, stellte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters in Karlsruhe klar. Doch in Verbindung mit den Erklärsäule und der Bodenplatte werde das Relief "zum Zwecke des Gedenkens und der Erinnerung an die jahrhundertelange Diskriminierung und Verfolgung von Juden bis hin zum Holocaust und als Zeugnis für die Mitverantwortung der christlichen Kirchen präsentiert", sagte Seiters in der Urteilsverkündung. Mit der Einbettung in den historischen Kontext würde aus dem Schandmal ein Mahnmal. Das Relief darf also nur hängen bleiben, weil es als Mahnmal eingeordnet wird.
Das Wittenberger Sandsteinrelief stammt aus dem 13. Jahrhundert und gilt unter anderem deshalb als antijüdisch, weil Schweine im jüdischen Glauben als unreine Tiere gelten. An den Zitzen der dargestellten Sau hängen zwei Menschen, durch Spitzhüte als Juden zu erkennen. Eine laut BGH als Rabbiner geltende Figur hebt den Schwanz des Tiers und blickt ihm in den Hintern. Die Stadtkirchengemeinde bezeichnet die "Wittenberger Sau" als "ein schwieriges Erbe, aber ebenso Dokument der Zeitgeschichte".
"Judensau"-Relief: rund 50 weitere Fälle in Europa
Geklagt hatte Michael Düllmann, der selbst Jude ist und sich deshalb beleidigt fühlte. Düllmann kämpft seit 2018 gerichtlich für die Entfernung des Reliefs, weil er es als Beleidigung empfindet. Der Streit hat grundsätzliche Bedeutung und gilt damit als Präzedenzfall. Denn in Europa gibt es geschätzte 50 weitere ähnliche Darstellungen an Kirchen, etwa an der Außenfassade der gotischen Ritterstiftskirche in Bad Wimpfen (Kreis Heilbronn). 2020 hatte das Oberlandesgericht Naumburg die Klage mit Verweis auf die historische Einordnung in Form von Bodenplatte und Informationssäule abgewiesen.
Zentralratspräsident Josef Schuster hatte der dpa bereits vor der Urteilsverkündung erklärt, die Kirche müsse eine klare Abgrenzung und Verurteilung zum Ausdruck bringen. Das sei bisher nicht ersichtlich. "Die antijudaistische Geschichte der Kirche lässt sich nicht ungeschehen machen", sagte Schuster. Eine Erklärtafel sei besser, als Schmähplastiken zu entfernen und damit zu verleugnen.
Die Urteilsverkündung des Bundesgerichtshof wurde aufgrund seiner Relevanz unter anderem Live im Fernsehen übertragen und lässt sich auch auf Youtube nachträglich ansehen.