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„Charlie“: So wird der neue Tatort aus München

Tatort-Kolumne

Der neue „Tatort“ aus München hat nicht die beste Story, aber eine starke Atmosphäre

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    Andreas Frei ist einer von fünf Kritikerinnen und Kritikern des Sonntagabend-Krimis in der ARD.
    Andreas Frei ist einer von fünf Kritikerinnen und Kritikern des Sonntagabend-Krimis in der ARD. Foto: AZ

    Ist schon klar, dass sich so mancher Krimi-Drehbuchschreiber heute nicht mehr sonderlich herausgefordert fühlt, wenn er das Meucheln in der sozialen Tristesse eines Dortmunder Randbezirks stattfinden lässt oder in einer Grünwalder Villa. Alles halt schon mal da gewesen. In der Königskategorie, dem „Tatort“, packen manche dann alternativ die ganz große Keule aus: schon auch Mord, aber dann mit internationalen Verflechtungen oder/und einem Showdown auf politischer Weltbühne. Die letzte Episode aus Berlin vor zwei Wochen war so eine Nummer.

    Danach sieht es zunächst auch in der neuen Münchner Folge „Charlie“ (Sonntag, 20.20 Uhr, ARD) aus. Eine junge Frau wird tot an der Isar gefunden, regelrecht drapiert in einem amerikanischen Militärfahrzeug, das auf einem nahen Truppenübungsplatz gemeldet ist. Dort findet gerade ein Nato-Manöver statt, tausende Soldaten üben den Angriff eines Aggressors aus dem Osten (Realität lässt grüßen), und zwar mithilfe von C.O.B.s – „Civilians on the Battlefield“, Zivilisten auf dem Schlachtfeld. Das sind Statisten, die für die US-Militärs Krieg spielen. Die tote Frau war so ein C.O.B.

    „Oje, da blüht uns jetzt der ganze Befehlsketten- und Kompetenz-Scheiß“, jammert „Tatort“-Kommissar Leitmayr

    Die große weltpolitische Nummer also? Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) ahnen Schlimmes. „Oje, da blüht uns jetzt der ganze Befehlsketten- und Kompetenz-Scheiß“, jammert Leitmayr. Und Batic: „Ja, Dezernatsleitung, Polizeipräsident, Pentagon.“ Nun, so weit kommt es nicht, obwohl noch ein zweiter erstochener C.O.B. entdeckt wird, diesmal mitten auf dem US-Stützpunkt. Die Weltkrisen aber bleiben weitgehend außen vor, Putin und Trump auch – zum Glück, an dem Stoff hätte sich der Krimi mit Sicherheit verhoben.

    Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) müssen den Mord an einer Frau aufklären, die in einem US-Militärfahrzeug sitzt.
    Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) müssen den Mord an einer Frau aufklären, die in einem US-Militärfahrzeug sitzt. Foto: Oliver Oppitz, Lucky Bird Pictures/BR/dpa

    Dramaturgisch betrachtet hätte die Army aber den Münchner Kommissaren schon ein paar mehr Knüppel zwischen die Beine werfen können. Der Leiter des Stützpunkts verhält sich regelrecht devot, lässt Batic mir nichts, dir nichts undercover unter den C.O.B.s ermitteln. Und die Aufpasserin für die beiden, die schwangere Militärpolizistin Jennifer Miller (Yodit Tarikwa), ist gemessen an ihrer Rolle auch fast zu kollegial; und dann muss sie noch mit einem arg klischeebeladenen Akzent Deutsch reden. Warum legt man ihr nur so Wörter wie „Unannehmlichkeiten“ in den Mund?

    So steuert die Geschichte ziemlich früh ihrer wenig aufregenden Lösung entgegen. Was „Charlie“ trotzdem zu einem unterhaltsamen Sonntagabend-Film macht: Die Atmosphäre auf dem Truppenübungsplatz ist beeindruckend in Szene gesetzt, klammert man solch brachialsymbolisch unterlegte Musik wie „In the Army Now“ von Status Quo aus den 1980er-Jahren aus. Gelungen ist die Optik, weil auf dem echten US-Stützpunkt Hohenfels in der Oberpfalz (unweit von Grafenwöhr) gedreht wurde, und zwar während einer tatsächlichen Manöver-Vorbereitung. Der Film hat also auch dokumentarische Momente.

    Die Dialoge zwischen den „Tatort“-Ermittlern Batic und Leitmayr sind wieder besser geworden

    Und: Seit sich Batic und Leitmayr in der Endphase ihres gemeinsamen Schaffens nicht mehr gegenseitig angiften, sind ihre Dialoge auch wieder besser geworden. „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen“, sagt Leitmayr, als er zum ersten Mal auf dem Militärgelände steht. Und Batic antwortet: „Kaffee wäre mir lieber.“

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