Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Da bedarf es einer erfahrenen Stimme, die dem Chaos Einhalt gebietet oder zumindest gehört wird. So könnte das Kalkül vieler Kardinäle im Konklave lauten, in dem ab Mittwoch, den 7. Mai der Nachfolger von Papst Franziskus gewählt wird. Es gibt auch schon einen Mann, der wie kein anderer beruhigende Wirkung auf die katholische Kirche und ihre 1,4 Milliarden Gläubigen hat. Es ist der bisherige Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, 70 Jahre alt aus dem Dorf Schiavon in Nordostitalien.
Parolin ist der Favorit auf die Nachfolge von Franziskus, wobei es sich dabei um eine Kategorie handelt, die eher in den Medien und bei Wettbüros eine Rolle spielt. Allerdings dürften sich auch zahlreiche Kardinäle mit der Option Parolin beschäftigen. Das Kollegium ist mit Kardinälen aus 71 Ländern so international wie nie, viele der über 130 Wahlberechtigten kennen sich gar nicht persönlich.
Parolin war nach Franziskus der bekannteste Mann im Vatikan
Parolin war nach dem Papst der bekannteste Mann im Vatikan und hat deshalb schon einen Bonus. Zuletzt zeigte sich der Kirchendiplomat am Sonntag bei der zweiten Gedenkmesse für Papst Franziskus. Sein Habitus war würdig, sein venezianischer Akzent den Römern nicht unbedingt sympathisch. Von den Stühlen riss Parolin mit seiner Predigt niemanden, der Anlass war auch nicht entsprechend.
Doch kein anderer Kandidat steht für eine so bequeme und sichere Wahl wie die bisherige Nummer zwei im Vatikan. Parolin war als Kardinalstaatssekretär der engste Mitarbeiter des Papstes. Als dieser im Frühjahr 38 Tage im Krankenhaus lag, hielt Parolin den Kontakt und führte die Kirche in Abwesenheit des Papstes. Der Italiener wäre eine Garantie auf dem Stuhl Petri, kein Unruhestifter wie Franziskus, eher das Gegenteil.
Könnte Parolin Reformer und Konservative befrieden?
Parolin gilt als einer, der Reformer und Konservative in der Kirche befrieden könnte. „Viele haben das Gefühl, dass er derjenige ist, der weiß, was jetzt getan werden muss“, sagt der Kirchenhistoriker Alberto Melloni. „Parolin mag nicht charismatisch sein, aber er weiß, wie man das Steuer hält.“
Auch im Konklave wird dem 70-Jährigen eine zentrale Rolle zukommen. Kardinaldekan Giovanni Battista Re sowie sein Stellvertreter Leonardo Sandri sind beide über 80 Jahre alt und deshalb nicht bei der Wahl zugelassen. Als nächster ranghöchster Prälat wird Parolin das Konklave leiten, aus dem er selbst als Papst hervorgehen könnte. Schon als Kind im Veneto feierte Parolin „,Messen“, als er zehn Jahre alt ist, stirbt sein Vater bei einem Autounfall. „Tief drinnen trage ich Traurigkeit“, erzählte Parolin selbst einmal. Mit 14 ging er ins Priesterseminar, später durchlief er die Diplomatenschule des Heiligen Stuhls und wurde erst nach Nigeria, dann nach Mexiko entsandt.
Kirchenpolitisch liegt der Italiener auf Franziskus-Kurs
Johannes Paul II. rief den Italiener 1992 in den Vatikan, ernannte ihn zehn Jahre später zum Sekretär der Abteilung für die Beziehungen mit den Staaten, eine Art Außenminister. 2009 schickte ihn Benedikt XVI. als Nuntius nach Venezuela. Von dort holte ihn Franziskus 2013 als Kardinalstaatssekretär zurück nach Rom. Als Parolins diplomatisches Meisterstück gilt das 2018 geschlossene Geheimabkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China über Bischofsernennungen. Hardliner kritisieren den Pakt mit Peking, sie bemängeln der Vatikan biedere sich den Kommunisten an.
„Moderat, diskret, effizient“, schreibt der Corriere della Sera über Parolin. Kirchenpolitisch liegt der Italiener auf dem Franziskus-Kurs, seine Stellungnahmen sind aber stets von Vorsicht geprägt nach der Devise: „Lieber ein Wort zu wenig als eines zu viel.“ Parolin ist Fürsprecher einer synodalen Kirche, bremste aber als Kardinalstaatssekretär den Synodalen Weg in Deutschland aus. Die von Franziskus erlaubte Segnung homosexueller Paare begrüßte er, forderte aber „weitere Vertiefungen“ im Verständnis. Der 70-Jährige ist gegen die Ehe für alle, gegen die Weihe von Frauen zu Priesterinnen aber auch gegen die alte Messe.
Als das Staatssekretariat 2019 wegen ominöser Finanzoperationen im Zusammenhang mit einer Londoner Vatikan-Immobilie in die Schlagzeilen geriet, konnte sich Parolin herausreden, er sei über die obskuren Machenschaften nicht informiert gewesen. Manche bemängeln, Parolin habe keine Erfahrung als Seelsorger oder Diözesanbischof. Mit seiner kühlen norditalienischen Art, hat es Parolin im Vergleich zum charismatischen Franziskus schwer. Feinde oder Gegner hat der Italiener kaum. Auch das macht ihn zum Top-Kandidaten auf die Nachfolge von Franziskus.
Ich kenne den Kardinal nicht, aber : "Chi va Papa al conclave, esce cardinale“
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