Robin Hardt (29) und Siegfried Geldner (81) sind ein gutes Team. Neulich waren sie zusammen in einem Konzert. Eigentlich ist Hardt Geldners persönlicher Computer-Experte. Zweimal die Woche besucht er den Rentner in seinem Haus in Kiedrich. Der ehemalige Jurist und EDV-Experte sieht schlecht, Hardt hilft ihm bei E-Mails oder stellt ihm auf dem Bildschirm eine größere Uhr ein.
Hardt ist einer von rund 70 Ehrenamtlichen, die beim Verein Nachbarschaftshilfe Oberer Rheingau in Eltville rund 400 pflegebedürftige Senioren unterstützen. Auch Geldners Haushaltshilfe, die dreimal die Woche zu ihm kommt, wurde vom Nachbarschaftshilfeverein vermittelt. Acht hauptamtliche Mitarbeiter unterstützen die ehrenamtlich Tätigen, da die Nachfrage größer ist als diese abdecken können.
131 Euro im Monat von der Pflegekasse
Wer zu Hause lebt, aber einen Pflegegrad hat, hat Anspruch auf einen «Entlastungsbetrag» in Höhe von 131 Euro pro Monat. Den zahlt die Pflegeversicherung für Unterstützung im Alltag. Medizinisch-pflegerische Aufgaben gehören ausdrücklich nicht dazu. Die Helfer bekommen eine Aufwandsentschädigung von zehn Euro pro Stunde.
Nachbarschaftsvereine gibt es viele in Hessen, viele sind seit Jahrzehnten aktiv. Neu ist, dass die lokalen Initiativen zusammenarbeiten. Gerade wurde der Landesverband Nachbarschaftshilfen Hessen e.V. gegründet. Er ist aus einem Forschungsprojekt entstanden, das am 28. Februar endet. «Es muss nicht jeder das Rad neu erfinden», sagt Eymann, der den Eltviller Verein in seinem Wohnzimmer gegründet hat und nun auch dem Landesverband mit vorsteht.
Forschungsprojekt begleitete sechs Vereine
Für das Projekt «NAH sein - Nachbarschaftshilfe im Alltag und im Haushalt Älterer» haben zwei Forschungsinstitute 15 Monate lang 6 Nachbarschaftsvereine in Hessen begleitet. Was sind die konkreten Probleme vor Ort? Was sind die Best-practice-Beispiele, sie zu lösen?
Die größte Baustelle: der Generationenwechsel. «Viele Nachbarschaftsvereine sind in den 1990er Jahren entstanden, die Gründer scheiden aus, aber der Nachwuchs fehlt», sagt Christa Larsen vom Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität, einem der beiden Projektpartner. Ein weiteres Problem: «Viele Nachbarschaftsvereine sind isoliert - gerade weil sie so engagiert sind», sagt Larsen.
«Pflege ist ein Riesenthema»
Zum Jahresende 2023 erhielten laut Statistischem Landesamt 423.400 Menschen in Hessen Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. 366.000 von ihnen wurden zu Hause versorgt. Im hessischen Pflegebericht 2023 prognostizierte das IWAK-Institut, dass die Zahl bis 2030 um 11,7 Prozent steigt. «Das ist weder in der stationären noch in der ambulanten Pflege auffangbar», sagt Stefan Ekert von InterVal, dem zweiten Projektpartner.
«Pflege ist ein Riesenthema», findet auch Yasmin Alinaghi, Geschäftsführerin des Paritätischen Hessen. «Das professionelle System kann es alleine nicht mehr stemmen.» Nachbarschaftsvereine würden daher immer wichtiger. Die Ehrenamtlichen dürften aber nicht überfordert werden.
«Wichtig sind zwei Dinge», betont Alinaghi: «Ziel ist es, eine Pflegebedürftigkeit so weit wie möglich hinauszuzögern. Und es ist nicht die Aufgabe der Ehrenamtlichen, aufzufangen, was Profis aus Kostengründen oder Personalmangel nicht leisten können.»
Ziel: möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben
Für Sozialministerin Diana Stolz (CDU) leisten die Nachbarschaftsvereine «einen unverzichtbaren Beitrag zum möglichst langen Verbleib Älterer in ihrer eigenen Häuslichkeit». Die ehrenamtlichen Helfer leisteten auch einen Beitrag zum Abbau der Einsamkeit im Alter. «Diese Struktur gilt es zu sichern und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln.»
Eymann hofft, dass es in ein paar Jahren flächendeckend in Hessen Nachbarschaftsvereine mit einer einheitlichen Struktur gibt. Der Dachverband könnte Schulungen organisieren, beim Aufbau digitaler Systeme helfen, bei rechtlichen Fragen unterstützen und den Vereinen helfen, neue Ehrenamtliche zu finden. Denn die sind überall Mangelware. Auch in Eltville ist die Warteliste der Klienten lang, «wir kriegen zeitweise vielleicht ein Drittel hin».
«Etwas tun, wo Sinn dahinter steckt»
Robin Hardt gefiel sein Ehrenamt so gut, dass er jetzt fest angestellt beim Nachbarschaftsverein arbeitet. «Ich wollte etwas tun, wo ich denke, da steckt Sinn dahinter», sagt der studierte Sozialarbeiter.
Rund zehn pflegebedürftige Menschen betreut er aktuell, fährt sie zum Arzt, begleitet sie ins Krankenhaus, geht mit ihnen spazieren oder putzt die Wohnung. Wichtiger als das, was auf dem Studenzettel steht, ist vermutlich etwas anderes, glaubt er: «ein offenes Ohr haben».



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