Diabetes ist in Deutschland weit verbreitet. Laut Diabetesnetz Deutschland, einer vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geförderten Seite, leben hier derzeit etwa sieben Millionen Diabetikerinnen und Diabetiker – und die Zahl der Erkrankten steigt. Jedes Jahr kommen „mehr als 500.000 Erwachsene mit einer Neu-Diagnose hinzu“, schreibt Diabetesnetz. Laut dem BMG steigen auch die Erkrankungszahlen bei Kindern und Jugendlichen. Dabei kann es allerdings auch zu Fehldiagnosen kommen.
Fehldiagnose Typ-1- oder Typ-2-Diabetes? Es könnte sich um MODY-Diabetes handeln
Geht es um Diabetes ist insbesondere Typ 2 häufig anzutreffen. Rund 93 Prozent der Menschen mit Diabetes leiden laut dem Diabetesinformationsportal diabinfo.de an dieser Form der Erkrankung. Ebenfalls zu den Hauptformen gehört Typ-1-Diabetes, auch wenn dieser mit etwa sechs Prozent deutlich seltener auftritt. Diese Form wird dem BMG zufolge meist im Kindes- und Jugendalter festgestellt und ist bisher nicht heilbar.
Aber neben Typ-1- und Typ-2-Diabetes gibt es noch viele weitere Formen des Diabetes. Hierzu zählt auch MODY-Diabetes. Die Abkürzung steht laut der Deutschen Diabetes Hilfe für „Maturity Onset Diabetes of the Young“ – zu Deutsch also „Erwachsenendiabetes, der bei Jugendlichen auftritt“.
Im Register zur Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV-Register) macht MODY nur etwa 0,2 Prozent aller Diabetes-Fälle bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus. Wie die Forschenden rund um Stefanie Lanzinger von der Universität Ulm in einer MODY-Diabetes-Studie, die 2024 im Journal of Diabetes mit dem Titel „Clinical characteristics, treatment, and treatment switch after molecular-genetic classification in individuals with maturity-onset diabetes of the young: Insights from the multicenter real-world DPV registry“ veröffentlicht wurde, erklären, ist die Dunkelziffer vermutlich höher. Ein Grund: MODY-Diabetes wird den Studienautoren zufolge oft fälschlicherweise als Typ-1- oder Typ-2-Diabetes diagnostiziert und entsprechend falsch behandelt. Wir haben mit Kinderendokrinologin und Diabetologin Dr. med. Constanze Lämmer von der Augsburger Kinder- und Jugendklinik Josefinum über die Erkrankung gesprochen.
Was ist MODY-Diabetes und wie häufig tritt er auf?
MODY-Diabetes ist eine genetisch bedingte Diabetes-Form. Die Erkrankung wird autosomal dominant vererbt – heißt: „MODY tritt familiär gehäuft auf“, erklärt Lämmer. „Wenn ein Elternteil einen MODY hat, beträgt das Risiko für das Kind auch an MODY zu erkranken 50 Prozent. Dabei ist das Risiko für Töchter und Söhne gleich groß.“ Tritt Diabetes in einer Familie über drei Generationen auf und passt die Symptomatik nicht zu Typ-1- oder Typ-2-Diabetes, sollte bei der Diagnose daher „unbedingt an MODY gedacht werden“, sagt die Ärztin.
Die Erkrankung entsteht durch verschiedene Genveränderungen, die eine Störung in den insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse, den sogenannten Beta-Zellen, verursachen. In der Folge wird weniger Insulin produziert und die Blutzuckerwerte steigen an. Bislang wurden im Zusammenhang mit der Stoffwechselerkrankung 14 Genveränderungen entdeckt, also 14 MODY-Typen. Benannt werden sie inzwischen nach dem einzelnen veränderten Gen, das zur Erkrankung führt:
- HNF4A (früher MODY 1)
- GCK (früher MODY 2)
- HNF1A (früher MODY 3)
- PDX1 (früher MODY 4)
- HNF1B (früher MODY 5)
- NEUROD1 (früher MODY 6)
- KLF11 (früher MODY 7)
- CEL (früher MODY 8)
- PAX4 (früher MODY 9)
- INS (früher MODY 10)
- BLK (früher MODY 11)
- ABCC8 (früher MODY 12)
- KCNJ11 (früher MODY 13)
- APPL1 (früher MODY 14)
Lämmer zufolge ist nicht auszuschließen, dass mit der Zeit noch weitere Genveränderungen und damit neue MODY-Typen gefunden werden. Dennoch haben alle Formen der Erkrankung eine Gemeinsamkeit: Die Insulinausschüttung ist aufgrund der Veränderung in den Beta-Zellen gestört.
Am häufigsten kommen Lämmer zufolge die früheren MODY-Typen 3, 2, 1 und 5 vor. Mit nur 0,2 Prozent im DPV-Register gilt MODY-Diabetes trotzdem als eher selten. Aber: In der Realität wird die Zahl der Betroffenen deutlich höher geschätzt. Lämmer geht davon aus, dass ein bis fünf Prozent aller Diabetikerinnen und Diabetiker einen MODY haben. Diese Zahlen nennt auch diabinfo.de.
In welchem Alter tritt MODY-Diabetes auf?
Der Erwachsenendiabetes bei Jugendlichen tritt laut der MODY-Diabetes-Studie aus Ulm typischerweise bei jüngeren Menschen vor dem 25. Lebensjahr auf. Wann genau die Erkrankung ausbricht, hängt allerdings von unterschiedlichen Faktoren ab, unter anderem von der MODY-Form. Anhand der letzten Auswertung des DPV-Registers erklärt Lämmer, dass GCK-MODY, die zweithäufigste Form, im Mittel mit 9,9 Jahren festgestellt wird. KCNJ11-MODY, eine eher seltene Form, hingegen wird im Mittel mit 14,3 Jahren diagnostiziert. Wichtig ist: „Die genetische Veranlagung besteht bereits bei der Geburt. Dennoch wird MODY zu unterschiedlichen Zeiten im Leben festgestellt“, sagt Lämmer.
Doch warum ist das so und kann man einer Entstehung überhaupt entgegenwirken – so wie bei Typ-2-Diabetes? Jein. Da es sich bei MODY-Diabetes um eine genetisch vererbte Erkrankung handelt, kann man gegen die Veranlagung nichts tun. Wann MODY allerdings ausbricht, hängt von Umweltfaktoren ab, sagt Lämmer. Regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung können also einen Einfluss auf den Zeitpunkt des Krankheitsausbruchs haben – und auch auf das Ausmaß der Stoffwechselstörung.

Dabei muss MODY-Diabetes nicht bereits im Kindes- oder Jugendalter auftreten. Bei Frauen kann sich die Krankheit zum Beispiel erst während der Schwangerschaft zeigen, sagt die Endokrinologin. Das hängt mit der Hormonveränderung zusammen, die der Körper in dieser Zeit durchläuft. Ein ähnlich signifikantes Lebensereignis, das zum Ausbruch führen kann, gibt es beim anderen Geschlecht nicht. „Frauen sind zwar nicht unbedingt häufiger betroffen, aber Männer werden nun mal nicht schwanger und die Hormone machen einen großen Unterschied“, erklärt Lämmer.
MODY-Diabetes: Was ist der Unterschied zu Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes?
Der MODY-Diabetes-Studie aus Ulm zufolge wird MODY aufgrund des frühen Krankheitsbeginns und des Fehlens typischer Hinweise auf Typ-2-Diabetes oft fälschlicherweise als Typ-1-Diabetes diagnostiziert. In der Studie hatten 27,6 Prozent der 1640 Teilnehmenden mit MODY zunächst eine andere Diabetes-Diagnose bekommen. 71,8 Prozent davon wurde ein Typ-1-Diabetes bescheinigt. In der Folge kann es laut den Studienautoren anfangs zu einer falschen Behandlung kommen. Wie kann man Typ-1- und Typ-2-Diabetes aber von MODY-Diabetes unterscheiden?
Typ-2-Diabetes tritt laut gesund.bund.de in der Regel erst im höheren Alter auf. Die Stoffwechselerkrankung führt dazu, dass sich Zucker im Blut ansammelt und die Körperzellen Insulin immer schlechter aufnehmen und verwerten können. Das Hormon ist eigentlich dafür verantwortlich, Zucker in die Muskelzellen zu transportieren, erklärt Lämmer. Werden die Speicher aber nicht durch Sport oder Bewegung geleert, „wird mehr Insulin ausgeschüttet, um mit ‚Nachdruck‘ den Zucker in die Muskeln zu pressen“, sagt die Endokrinologin. „Der Rezeptor am Muskel wird im Gegenzug unempfindlich, also resistent.“ Die Insulinresistenz führt dann meist begleitet von starkem Übergewicht zu Typ-2-Diabetes. Zur Behandlung reicht laut gesund.bund.de oft schon ein Lebenswandel mit mehr Bewegung und einer Ernährungsumstellung aus, andere Betroffene sind auf Antidiabetiker oder Insulin angewiesen.
Typ-1-Diabetes hingegen ist genetisch bedingt und eine Autoimmunerkrankung, bei der körpereigenes Gewebe – in diesem Fall die Beta-Zellen – angegriffen wird, erklärt Lämmer. In der Folge werden die insulinproduzierenden Zellen zerstört und der Körper kann das Hormon nicht mehr selbst herstellen. Betroffene müssen daher ihr Leben lang Insulin spritzen.
Zu den typischen Symptomen bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes zählen laut gesund.bund.de vermehrter Harndrang, starker Durst, Müdigkeit, Antriebsschwäche, Übelkeit und Schwindel. Ist der Blutzuckerspiegel sehr stark erhöht, kann es zu Bewusstseinsstörungen bis zum diabetischen Koma kommen. Das gilt auch für MODY- Diabetes.

Die Diabetes-Symptome „sind oft sehr unspezifisch“, erklärt Lämmer. Trotzdem ist eine Abgrenzung möglich. Im Gegensatz zu Typ-2-Diabetes sind Menschen mit MODY laut diabinfo.de in der Regel nicht übergewichtig und ihre Werte für den Fettstoffwechsel sowie Blutdruck liegen meist im Normbereich. Und anders als bei Typ-1-Diabetes lassen sich bei einer Blutuntersuchung bei MODY keine Autoantikörper gegen die Beta-Zellen nachweisen. „Wenn nach längerer Krankheitsdauer außerdem weiterhin eigenes Insulin nachweisbar ist“, sollte die Diagnostik nochmals aufgerollt werden, erklärt Lämmer. Zudem kann es nur bei Typ-1-Diabetes zu einer Ketoazidose, also einer potenziell lebensbedrohlichen Übersäuerung, kommen, nicht aber bei MODY-Diabetes.
Um MODY zu diagnostizieren, wird eine genetische Untersuchung durchgeführt. Dazu wird eine Blutprobe auf die entsprechenden Gendefekte getestet. Erweist sich ein Gen als verändert, ist neben der MODY-Diagnose auch klar, welche der 14 Formen vorliegt. Da es sich bei dieser Untersuchung um ein vergleichsweise teures Verfahren handelt, wird die genetische Diagnostik laut diabinfo.de oft nur bei einem begründeten Verdacht durchgeführt.
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