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Schwabenlandtower in Fellbach: Das größte Hochhaus Baden-Württembergs ist ein spektakulärer Bauflop

Schwabenlandtower

Das größte Hochhaus Baden-Württembergs in Fellbach ist eine kolossale Bauruine

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    Der Schwabenlandtower in Fellbach. Das Hochhaus befindet sich seit Jahren im Bau und wird einfach nicht fertig.
    Der Schwabenlandtower in Fellbach. Das Hochhaus befindet sich seit Jahren im Bau und wird einfach nicht fertig. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Keine Frage: Dieses Hochhaus ist eine weit sichtbare Landmarke etwas östlich von Stuttgart. Es ragt am Rand der Stadt Fellbach stolze 107 Meter in die Höhe. Die 34 Stockwerke können vom Neckar- wie vom Remstal aus gesehen werden, von den Trollinger-Lagen der bekannten Winzerdörfer Beutelsbach oder Strümpfelbach sowieso. Kein Hochhaus in Baden-Württemberg ist höher. Das Dumme daran: Der Schwabenlandtower, wie es inzwischen heißt, ist noch immer ein Rohbau und sein Ruf höchst unrühmlich. Er fällt nämlich unter die Kategorie von Gebäuden, die anscheinend nie fertig werden. Schon lange macht ein abschätziges Urteil die Runde: Dies ist eine kolossale Bauruine.

    „Selten sieht man mal jemanden, der daran herumwerkelt“, berichtet eine Frau aus der Nachbarschaft. Murat Yilderim erzählt, während er einem nahen Supermarkt zueilt: „Keine Ahnung, was da passiert. Ich bin vor fünf Jahren hergezogen. Ich kenne das Hochhaus nur als verlassene Bauruine.“ Weitere Passanten winken im Schatten des Schwabenlandtowers nur ab, gefolgt von Aussagen wie „ein hoffnungsloser Fall“, „Schande“ oder „am besten wieder abreißen“.

    In dem Hochhaus in Fellbach sollten 66 Luxuswohnungen sowie Geschäftsräume und ein Hotel entstehen

    Letztlich sind die Aussagen wenig überraschend, liegt der Spatenstich zu diesem Fiasko weit genug zurück, um jegliche Emotionen zu nähren. 2014 ging es los. Die ursprüngliche Idee war, eine alte Industriebrache am Ortsrand von Fellbach aufzuwerten. 66 Luxuswohnungen sowie Geschäftsräume sollten im damals noch Gewa-Tower genannten Hochhaus entstehen, dazu ein Hotel. Der ursprüngliche Gebäudename geht dabei auf den Bauunternehmer Michael Georg Warbanoff zurück. Er bezieht sich auf die Anfangssilben seines zweiten Vornamens sowie des Nachnamens.

    Jedenfalls schienen die Stadtoberen von Fellbach durchaus glücklich zu sein, was ihnen Warbanoff für 60 Millionen Euro an den Ortsrand stellen wollte: nicht nur ein Hochhaus zur Bepflasterung der Industriebrache, sondern ein architektonisch wertvoll anmutendes Monument, quasi ein Leuchtturm. Dies hat wohl auch der Seele Fellbachs geschmeichelt. Der damalige Oberbürgermeister Christoph Palm, ein Kommunalpolitiker der CDU, zeigte sich als großer Unterstützer des Projekts.

    Dazu muss man wissen: Die Stadt mit ihren knapp 50.000 Einwohnern ist aus einem ländlich geprägten Dorf hervorgegangen. Im Raum Stuttgart geht Fellbach inzwischen jedoch im Siedlungsbrei des mittleren Neckarraums unter. Die letzten erinnerlichen Schlagzeilen zu der unscheinbaren Kommune betrafen ein riesengroßes Flatrate-Bordell: den früheren Pussy-Club, der gegenwärtig als Flüchtlingsquartier vorgesehen ist. Wegen des besagten Flatrate-Angebots wurde das Haus der käuflichen Liebe 2009 zu einem bundesweit registrierten Skandalort.

    Mittlerweile wird die Geschichte des Schwabenlandtowers schon mit der des unvollendeten Hamburger Elbtowers gestellt, vor wenigen Jahren ein Prestigeprojekt des 2024 pleite gegangenen Innsbrucker Großinvestors René Benko.
    Mittlerweile wird die Geschichte des Schwabenlandtowers schon mit der des unvollendeten Hamburger Elbtowers gestellt, vor wenigen Jahren ein Prestigeprojekt des 2024 pleite gegangenen Innsbrucker Großinvestors René Benko. Foto: Johann Groder, Expa/dpa/APA

    Nun sorgt der Schwabenlandtower für große Aufmerksamkeit. Dabei geht es aber vor allem um Spott. Zuletzt hat die politische Fernseh-Satiresendung „Extra 3“ mit Moderator Christian Ehring Fellbach veräppelt. Das einstige örtliche Vorzeigeprojekt wurde dabei neben den unvollendeten Hamburger Elbtowers gestellt, vor wenigen Jahren ein Prestigeprojekt des 2024 pleite gegangenen Innsbrucker Großinvestors René Benko. Ehring urteilte in seiner Sendung: Beide Hochhäuser seien „durch unfähige Politiker und korrupte Investoren zu Ruinen geworden“. Tatsächlich lässt sich dies weder im Fall Benko konkret verifizieren, noch am Fellbacher Beispiel. Auch wenn der Österreicher gerade in Untersuchungshaft sitzt, wurde er doch lange Zeit selbst von der Hochfinanz geschätzt. Ebenso besaß der Gewa-Tower-Bauherr Warbanoff offenbar einen guten Leumund.

    Anleger bangen darum, ob sie von ihrer Turm-Anleihe in einer Gesamthöhe von 35 Millionen Euro wieder etwas sehen

    Als der Turmbau vorbereitet wird, besitzt er ein regional gut eingeführtes Immobilen-Unternehmen im nahen Esslingen. Zur Kundschaft gehört auch Daimler, also die edelste Konzernadresse der Stuttgarter Gegend. Warbanoff und seine am Unternehmen beteiligten Söhne sind in der Landespolitik sowie in der Wirtschaft gut vernetzt. Der Vater hat als Seniorchef den Ruf eines schwäbischen Vorzeigeinvestors.

    Warbanoff nimmt für den Bau das renommierte Backnanger Architektenbüro Wolf mit an Bord, durchaus erfahren in entsprechenden Projekten, wie es auf seiner Internetseite darstellt. Doch dann geht irgendetwas schief. Im November 2016 meldet Warbanoff für seine Gewa 5 to 1 GmbH & Co. KG Insolvenz an. Die Folge für den bereits im Rohbau bis zum höchsten Stockwerk stehenden Tower: Noch im selben Monat stoppen alle Bauarbeiten – mehr oder weniger bis heute.

    Den Fellbachern bleibt ein imposanter Schandfleck. Anleger bangen darum, ob sie von ihrer Turm-Anleihe in einer Gesamthöhe von 35 Millionen Euro wieder etwas sehen. Dasselbe gilt für Interessenten an 44 der Luxuswohnungen. Sie haben bereits Anzahlungen geleistet: für „höchste Wohnträume“, wie ihnen vom Bauherren versprochen worden war.

    Beobachter der Szene gehen davon aus, dass sich Warbanoff mit dem 60-Millionen-Euro-Projekt einfach übernommen hat. Eine Vermutung betrifft den Umstand, dass der Verkauf der hochpreisigen Appartements schleppend verlaufen sei. Für 22 davon hatten sich noch nicht einmal zahlungswillige Interessenten gefunden. Kaum erstaunlich, raunen Insider. Ein Generalproblem des Towers sei seine Lage: am Stadtrand in einem Gewerbegebiet mit Supermärkten, einem Wohnmobil-Handel, Lagerhallen. Daneben führt eine viel befahrene vierspurige Ausfallstraße vorbei. Da hat die Höhe des Towers vor allem einen Vorteil: Oben schwebt man praktisch über dem fragwürdigen Ambiente. Aber so anregend ist dies wohl auch nicht. Weshalb Warbanoff Geld aus Wohnungsverkäufen gefehlt habe, will mancher im regionalen Immobilienbereich tätige Mensch wissen.

    Mitte 2025 soll es im Fall des Fellbacher Schwabenlandtowers einen Prozess wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung geben

    Aus dem Unternehmen heißt es hingegen nach der Insolvenz, man sei einfach an die falschen Partner geraten. Unternehmerisches Pech? Oder doch noch etwas anderes?

    Schon 2016 startet die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen. Acht Jahre später stellt die Stuttgarter Zeitung eine Anfrage ans zuständige Stuttgarter Landgericht. Ein Sprecher bestätigt demnach: „Im Zusammenhang mit Vorgängen um den Gewa-Tower aus dem Jahr 2016 hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart am 20. 09. 2023 Anklage gegen zwei Beschuldigte erhoben.“ Der Vorwurf: vorsätzliche Insolvenzverschleppung in zwei Fällen. Mit einem Prozessbeginn wird nicht vor Mitte 2025 gerechnet.

    Schon 2016 startete die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Fall des unvollendeten Hochhauses Ermittlungen.
    Schon 2016 startete die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Fall des unvollendeten Hochhauses Ermittlungen. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Wie ist es aber mit dem Gewa-Tower weitergegangen? Die Antwort fällt fast so aus, als würde auf ihm ein Fluch ruhen. 2018 kauft die Berliner CG Gruppe des Immobilienentwicklers Christoph Gröner die Baustelle für 15 Millionen Euro. Das Hochhaus erhält nun den Namen SLT 107 Schwabenlandtower. Die ursprünglich geplanten 66 Luxuswohnungen sollen in 192 Mietwohnungen umgebaut werden. Zwei Jahre später wird die CG-Gruppe jedoch aufgelöst.

    Die Bauruine wandert weiter in die ebenfalls in Berlin ansässige Adler Group. Besser wird die Lage deshalb nicht. Adler stellt sich als finanziell angeschlagen heraus. 2023 gibt das Unternehmen bekannt, den Schwabenlandtower loswerden zu wollen. Als sichtbares Zeichen für diese Entscheidung lässt dieser Investor jetzt den letzten verbliebenen Baukran entfernen. Jüngst heißt es im März 2025, die Adler Group sei nach ihren Angaben „in fortgeschrittenen Verhandlungen mit Kaufinteressenten“. Näheres wird nicht bekannt gegeben.

    In luftiger Höhe ist inzwischen das Wanderfalkenpaar Alvar und Alizée eingezogen

    Naheliegend ist, dass die Fellbacher Kommunalpolitik höchst gerne ein Ende des Fiaskos sehen würde. So hat die aktuelle Oberbürgermeisterin Gabriele Zull, eine Parteilose, zuletzt geklagt: „Der Turm war von Anfang an unser Sorgenkind, und er ist es leider auch bis heute geblieben.“ Doch der Stadt sind die Hände gebunden. Zum einen leidet sie selbst unter hohen Schulden. Zum anderen handelt es sich bei der Bauruine eben um ein Privatprojekt.

    Bestätigt fühlen dürfen sich längst die Angehörigen einer einstigen Bürgerinitiative gegen das Bauprojekt. Sie ist gegründet worden, als die ersten Hochhaus-Überlegungen auftauchten. Dies war schon 2007. Der griffige Name der Initiative: „Fellbach ist nicht Manhattan“. Die Stadt wolle um jeden Preis „ein Wolkenkratzerle“. Als ein Schlüssel-Mitglied der Initiative ist Harald Raß bekannt, langjähriger SPD-Fraktionsvorsitzender im Fellbacher Gemeinderat wie im Stuttgarter Regionalparlament. Er hat das Projekt von Anfang an als Großmannssucht überambitionierter Kommunalpolitiker verteufelt.

    Nun ist die Bauruine eben da. Wie es weitergeht, steht in den Sternen. Ein Abriss des Kolosses wäre extrem teuer. Und ob wirklich jemand den Weiterbau ernsthaft finanzieren will, ist ungewiss – zumal längst auch Reparaturen am Rohbau fällig werden. Wobei: Ganz unnütz steht der Schwabenlandtower nicht in der Landschaft. In luftiger Höhe ist das inzwischen durch örtliche Medien bekannt gemachte Wanderfalkenpaar Alvar und Alizée eingezogen, beobachtet von extra installierten Webcams des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu).

    Anfang des Jahres musste Alizée von der Feuerwehr gerettet werden, nachdem sie sich in einem Baunetz verfangen hatte. Doch im April meldete der Nabu, unter der Obhut des Falkenpärchens seien vier Küken geschlüpft. So hat der Schwabenlandtower zumindest die Ehre, Deutschlands höchstgelegenes Vogelnest zu sein – und wohl auch das teuerste.

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