Von Außenseitern zu Weingut-Besitzern: "Schau mal, Schatz, was ich gekauft habe"
Von Outsidern aus Paris zu Besitzern prestigeträchtiger Weinberge in der Region um Bordeaux: Wie es Gérard Perse und seine Frau nach ganz oben geschafft haben.
Chantal Perse erinnert sich noch genau an den Abend, als ihr Mann Gerard beschwingt und mit einer guten Flasche Wein nach Hause kam. "Schau mal, Schatz, was ich gekauft habe." Auf dem Etikett stand Château Monbousquet, es handelte sich um einen guten Tropfen aus dem Bordelais, der Weinregion um Bordeaux. "Ich dachte, er spricht von der Flasche. Aber nein, er meinte das Anwesen", sagt Chantal Perse. Als sie ihr Weingut Château Monbousquet, den jüngsten Zukauf ihres Mannes und damit auch ihren eigenen Besitz, zum ersten Mal sah, sei sie dem Herzinfarkt nahe gewesen. "Es gab kein Dach, das Wasser wurde durch große Becken abgefangen, manche Fenster waren zugemauert."
Aber wie immer folgte sie ihrem Mann, den sie einen "Visionär" nennt, weil er mit seinem Mut und den blitzschnellen Kaufentscheidungen für Objekte in schlechtem Zustand weit gekommen ist. Seit 52 Jahren sind sie miteinander verheiratet. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass ihr gemeinsamer Weg so verlaufen würde, sagt die elegante 73-Jährige heute. In ihrer Stimme liegt noch immer Staunen.
Das Paar feiert in diesem Jahr zwei Jubiläen
In diesem Jahr feiert das Paar zwei Jubiläen. Seit 30 Jahren besitzt es das Château Monbousquet, dem sie zu neuem Glanz verholfen haben, und seit 25 Jahren das Château Pavie. Bei letzterem handelt es sich mit einer Fläche von 42 Hektar um das größte zusammenhängende Weingut in der prestigeträchtigen Anbauregion Saint-Émilion. Der einflussreiche US-Weinkritiker Robert Parker gab mehreren der dortigen Tropfen die Bestnote – eine Art Gral der Winzer weltweit. Neben der Produktion von Wein, Oliven und Honig gehört ein Luxushotel und ein Restaurant unter der Ägide vom Sternekoch Yannick Alléno zu den Winzerbetrieben. Die ausladende, vom Star-Architekten Alberto Pinto designte Dachterrasse erlaubt einen Blick auf die Weinberge, die die Unesco in die Liste der immateriellen Güter aufgenommen hat.
Die Geschichte der Besitzer zeigt, dass der Weg von unten nach oben auch in Frankreich, wo sich Reichtum und Karrierechancen oft von Generation zu Generation vererben, möglich ist. Gérard Perse wuchs als Ältestes von neun Kindern in bescheidenen Verhältnissen auf. Als der begeisterte Radfahrer in seiner Jugend ein lokales Rennen gewann, überreichte ihm ein Mädchen aus der Nachbarschaft, Chantal da Jong, auf der Tribüne einen Blumenstrauß. Sie wurde mit zur Feier eingeladen. Eine Romanze begann, die nicht mehr endete. Auch Chantal stammte aus dem Ort, ihre Eltern hatten einen kleinen Lebensmittelladen, in dem sie mithalf.
Zunächst arbeitete Gérard als Jockey, Maler auf dem Bau oder Obst- und Gemüseverkäufer auf Märkten, bis er ein erstes kleines Geschäft im Pariser Vorort Boulogne-Billancourt kaufte. Bald kamen weitere, immer größere Supermärkte im Großraum Paris dazu. Schließlich verfügte er über ein kleines Imperium mit insgesamt 1500 Mitarbeitern. "Mir ging das manchmal viel zu schnell, und mehr als einmal hat er mir große Angst eingejagt", sagt Chantal Perse. Aber sie unterstützte ihren Mann stets. "Es kann nur einen Piloten im Flugzeug geben, und das ist er."
Sie galten als Outsider, aber sie bissen sich durch
Der Kauf von Château Monbousquet und vor allem des Château Pavie leiteten eine Wende ein. Während Chantal, deren Vater Holländer war, nie Wein trank, hatte Gérard längst seine Liebe dazu entdeckt und arbeitete als Wein-Einkäufer für seine Supermärkte. Für die neue Investition musste er diese veräußern, er begann umfangreiche Renovierungsarbeiten, ließ die alten Weinreben ausreißen und neue pflanzen. Die Familie zog in den Südwesten Frankreichs. Lange galten sie dort als Outsider, denn das Weingeschäft in Bordeaux und auch Saint-Émilion, diesem mittelalterlich idyllischen und doch so lukrativen Dorf, ist überwiegend in der Hand von alteingesessenen Familien. Doch die Perses bissen sich durch. Inzwischen führen ihre Tochter Angélique und ihr Schwiegersohn Henrique da Costa das Hotel, das Restaurant und die Weinbetriebe, auch deren ältere Tochter Emma interessiert sich für die Gastronomie. Was einst mit einem Überraschungs-Coup begann, ist zu einer Geschichte mit langer Perspektive geworden.
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