Herr Baum, lassen Sie uns über Humor sprechen. Und um gleich mal mit der Türe ins Haus zu fallen: Wer ist der lustigste Deutsche?
Henning Baum: Das kann ich so auf Anhieb gar nicht sagen. Loriot war natürlich sehr fein. Ich bin auch ein großer Fan von Hape Kerkeling, Bastian Pastewka oder Anke Engelke. Auch Annette Frier ist sehr geistreich. Aber da vergisst man zwangsläufig jemanden. Heinz Erhardt, den viele gar nicht mehr kennen, wird beispielsweise oft unterschätzt. Der war ein präziser Beobachter seiner Zeit. Aber im Grunde müsste man da einen Humorforscher fragen.
In Bayern gibt es übrigens auch noch einige gute Humoristen.
Baum: Ja, Polt! Der ist wahnsinnig gut. Ich bin ein Riesenfan von ihm. Bei dem fällt mir wirklich gar nichts ein. Wenn ich Sketche von ihm sehe, kann ich mich weghauen. Der konnte die Blödheit einer Gesellschaft schon früh vorausahnen. Mit seiner grantigen Art hat er das wunderbar rüber gebracht. Der Mann ist ein Orakel.
Was ist für Sie persönlich guter Humor?
Baum: Gute Frage. Mein Humor war und ist immer schon etwas robust. Ich lache heute noch über die alten Witze in der Muppet-Show, wenn ich etwas Aufmunterung bedarf. Auch über den scharfen Witz von Harald Schmidt konnte ich immer lachen. Der war zwar ein Meister des Zynismus, aber seine Pointen waren spitz, gut gezielt und trafen meist ins Schwarze.
Gibt es noch etwas an Lustigem, das Sie gut finden?
Baum: Man verweist an dieser Stelle gerne auf den britischen Humor. Ich finde aber, die Deutschen waren da eine Weile im Schnitt gar nicht schlecht. Zuletzt sind sie aber wieder etwas clumsy (unbeholfen, die Red.) geworden. Das mag daran liegen, dass alles wieder politisch korrekt sein soll. Wenn man das sein will, geht es immer auf Kosten des Humors. Denn Witze muss man manchmal auch aushalten können. Ich habe den Eindruck, dass wir in dieser Hinsicht ein wenig mimosenhaft geworden sind.
Sie sind im Ruhrgebiet groß geworden.
Baum: Ja, da ist der Humor kernig. Wenn man hier seine Freunde besucht, bekommt man sofort einen Spruch um die Ohren gehauen, beispielsweise, wie beschissen man gerade aussieht. Als ich jetzt mit meinen Kumpels zusammen war, kam einer rein, der etwas kräftiger ist, und dann kam gleich die Frage: „Hör ma, biste im neunten Monat schwanger?“ Im Ruhrgebiet wird immer noch ein robuster Humor gepflegt. Andernorts kommt sehr schnell die deutsche Humorpolizei.
Humor halten Sie für wichtig für eine Gesellschaft. Um Dampf abzulassen, brauche es ihn. Sonst, so sagten Sie einmal wörtlich, komme es zu einer Art gesellschaftlicher Verstopfung. Können Sie das erklären?
Baum: Ja, ich halte Humor für geradezu überlebenswichtig. Wenn diese Fähigkeit abhandenkommt, dann können die täglichen Probleme nicht mehr verarbeitet werden. Humor ist ein ganz wichtiger Teil des gesellschaftlichen Stoffwechsels, eine Art Enzym. Wer den Humor verliert, verliert dieses wichtige Verdauungsenzym. Dann kommt es zu Blähungen und Verstopfungen.
Was also tun?
Baum: Da bin ich zu wenig Experte, um das sagen zu können. Aber ich weiß, dass ich keine konformistische Gesellschaft will, die ein bestimmtes, tugendhaftes Weltbild propagiert. Das spaltet nur. Manchmal habe ich den Eindruck, in diesem Land fehlen die Schmidts – und zwar der Harald und der Helmut. Überspitzt formuliert, kann man sagen, die beiden waren für die Gesellschaft echte Stützen.
Inwiefern?
Baum: Das waren beide Typen, die eine gewisse Funktion für die Gesellschaft hatten, weil sie auch unbequeme und unpopuläre Wahrheiten ausgesprochen haben. Der eine, weil er einen scharfen Witz gefahren hat, der andere, weil er große politische Erfahrung hatte und einen scharfen Verstand. Wenn solche Menschen nicht mehr da sind und es stattdessen stromlinienförmiger und ordentlicher zugeht, dann bin ich mir nicht sicher, ob das gut ist. Humor muss wie ein Pflug sein, der durch die Erde scharrt.
Das passiert durchaus auch in der aktuellen ZDF-Komödie „So weit kommt’s noch“. Sie spielen neben Annette Frier den Ehemann Lutz, der nicht versteht, dass seine Frau einem Mann aus Bangladesch finanziell helfen will. In der turbulenten Geschichte wäre die Ehe darüber fast zerbrochen. Was würden Sie denn privat machen, wenn Ihre Frau so eine Idee hätte?
Baum: Das habe ich mich noch gar nicht gefragt. Aber es ist auch gar nicht so, dass Lutz das Ganze nicht versteht, sondern das Fehlverhalten liegt bei der Ehefrau.
Sie meinen, die Ehefrau ist sozusagen übergriffig, weil sie ihren Mann nicht in die Entscheidung einbindet.
Baum: Ja, das ist in gewisser Weise respektlos. Sie geht über die Interessen ihres Mannes hinweg. Sie stellt die Tugend ihrer guten Absicht über alles andere.
Damit liegt sie ja auch irgendwie gesellschaftlich im Trend.
Baum: Exakt. Das geschieht in diesem Fall halt familiär verpackt, aber es ist tatsächlich ein Vorgang, den man sich genauer anschauen kann. Denn dieser tugendhafte Rettungsversuch wird als Legitimation genommen, um eine alleinige, unabgesprochene Entscheidung zu treffen. In diesem Fall wird der Ehemann, der bisher mitgemacht hat, schlichtweg ausgeschlossen und es kommt zum Bruch. Für ihn ist die Ehe damit beendet, auch wenn es der Film letztendlich offen lässt.
Nicht ganz unwahrscheinlich, denn seine Frau hat ihn schon ziemlich vorgeführt.
Baum: Ja, er hat immer seine eigenen Interessen hintangestellt. Die sublimiert er, indem er im Keller sitzt und Modellboote bastelt. Und sie sagt ihm dann auch noch, er wird seinen Traum, ein Segelboot zu kaufen, sowieso nie verwirklichen. Anders formuliert, hält sie ihm entgegen: „Du bist ja sowieso nicht in der Lage, deine Wünsche zu verwirklichen.“ Sie beraubt ihn im Grunde seiner Männlichkeit. Sie nimmt einfach sein Geld für die gute Tat, weil sie sagt, dass ihre Motivation so edel ist, dass es keine Absprache mehr braucht.
Diese Argumentation kommt einem bekannt vor.
Baum: Ja, es gibt heute auch auf öffentlicher Ebene so eine Argumentation, mit der moralischen Überlegenheit, alles zu legitimieren. In manchen Kreisen neigt man dazu, dass es dann dazu auch keinen politischen Diskurs mehr gibt. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Denn nur, wenn man als Gesellschaft wichtige Punkte ausreichend diskutiert, dann kann man auch etwas umsetzen. Wenn sich eine kleine Gruppe aus einer scheinbaren moralischen Überlegenheit heraus über die anderen hinwegsetzt, dann kann es zu einem Bruch kommen. Das kann man in Deutschland derzeit gut beobachten.
Den Grünen, aber auch Klimaschützern oder Veganern wird vorgeworfen, manchmal so vorzugehen.
Baum: Wenn man auf die Gesellschaft schaut, kann man schon sagen, dass die Diskurs-Offenheit trotz der großen Herausforderungen nicht unbedingt zugenommen hat. Sie ist eher degeneriert. Ich würde mir wünschen, dass mehr miteinander gesprochen und versucht wird, jeweils die Argumente der anderen auch zu verstehen.
Haben Sie eine Idee, wie man wieder besser miteinander ins Gespräch kommt?
Baum: Ich meine, es bedarf dazu vor allem der Voraussetzung, dass jeder Mensch bedenken sollte, dass er irren könnte. Denn wenn jemand grundsätzlich davon ausgeht, recht zu haben, dann erstarrt jede Diskussion. Eine Diskussionskultur müsste schon in der Schule besser gefördert werden. Heute werden Ideologien schon früh in Kinder hineingelegt.
Es geht aber auch viel um Rechthaberei derjenigen, die alle die Wahrheit gepachtet haben wollen.
Baum: Ja, das hat stark zugenommen. Ebenso wie moralische Verurteilungen. Das galt besonders für die Coronazeit.
In die ZDF-Komödie sind damit ganz schön viel Gesellschaftskritik und Themen rein gepackt: von der Armut in der Dritten Welt bis hin zum Harakiri an der Börse. Was gefällt Ihnen an der Produktion?
Baum: Ein guter Film braucht ja gar nicht unbedingt eine starke Botschaft. Wir Filmemacher wollen die Menschen in erster Linie unterhalten. In diesem Fall, so meine ich, ist die Geschichte gut geschrieben und gut gespielt. In den Figuren können sich viele wiedererkennen. Der Film hat Schwung. Erziehen oder gesellschaftlich Einfluss nehmen, ist aber nicht das Motiv.
Spielen Sie eigentlich gerne Komödien oder doch lieber Dramen mit Shakespeare‘scher Tiefe?
Baum: Interessante Frage. Ich frage mich das selber manchmal. Hier ist es eine Tragikkomödie, die in dieser Form in Deutschland gar nicht so häufig produziert wird. Aber es hat großen Spaß gemacht, da mitzuspielen. Die Tragödie dagegen ist im deutschen Fernsehen manchmal sehr langsam und mit tiefen, traurigen Blicken flankiert. Das kann dann sehr grau werden. Da ist mir die Komödie mit ihrer Schnelligkeit und Melodie lieber. Die erschließt sich auch dem Zuschauer schneller.
Herr Baum, danke fürs Gespräch. Die Schluss-Pointe dürfen Sie selbst setzen. Haben Sie einen Witz parat?
Baum: Ich habe neulich einen von einem Kind gehört, das fragte: „Wie nennt man eine Erbse auf dem Friedhof?“ – „eine Sterbse“.
Zur Person
Henning Baum, 1972 in Essen geboren, wurde unter anderem mit der Serie „Der letzte Bulle“ bekannt. Im Film „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ spielte er den Lukas. „So weit kommt's noch“ läuft am Sonntag, 29.9.2024, um 20.15 Uhr im ZDF.
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