Reim sieht "Verdammt ich lieb dich" als Rezept fürs ganze Leben
An seinen Hit "Verdammt, ich lieb dich" kommt Matthias Reim nicht mehr heran. Aber die Liebe ist für ihn immer noch das große Thema – als Sänger wie auch privat.
Herr Reim, können wir über die Liebe reden?
Matthias Reim: Selbstverständlich!
„Verdammt, ich lieb dich“ war Ihr größter Hit. Gab es damals, Ende der Achtzigerjahre, einen bestimmten Anlass, diesen Text zu schreiben?
Reim: Eigentlich nein. Das war damals eher so eine unterbewusste Geschichte. Ich war nicht ganz glücklich mit meinem Leben. Ich war 31 und auf Krawall gestrickt. Der Text war wirklich in 20 Minuten geschrieben. Die Botschaft kam aus einem großen Frust heraus. Dass daraus etwas so Positives werden kann, hätte ich nie gedacht. Aber es ist ein Rezept fürs ganze Leben: Man muss das Negative nehmen und es drehen.
Das ist Ihnen schon öfter gelungen.
Reim: Ja. Man kann sogar sagen, dass es so ist: Alles, was sich mir im Leben zunächst einmal als Problem in den Weg stellte, stellte sich im Nachhinein als Glücksfall heraus. Weil es mir meist unbewusst gelang, es zu wenden. Ob das die Entstehung von „Verdammt, ich lieb dich“ ist oder mein finanzielles Desaster von vor 20 Jahren. Alles hat sich im Nachhinein als wunderbare Entwicklung nach der jeweiligen Krise herausgestellt.
Jetzt bringen Sie ein neues Album auf den Markt. Auch hier spielt die Liebe wieder eine Rolle. Haben Sie in Sachen Liebe mehr Enttäuschungen oder mehr Höhenflüge erlebt?
Reim: Ich kann die Liebe nur als etwas sehr Schönes beschreiben, das in unserem Leben eine ungeheure Rolle spielt. Damit in Texten und Songs zu spielen, macht mir eine ungeheure Freude. Nicht alles, was ich schreibe, ist autobiografisch, aber auch ich habe geliebt und auch ich habe verloren. Wobei ich meine, es ist besser, geliebt und verloren zu haben als nicht geliebt zu haben. So wie es in einem Song von Nazareth so schön beschrieben wird: It’s better to have loved and lost, than never to have loved at all.
Kann man so stehen lassen.
Reim: Liebe ist einfach ein Thema, das zur Musik gehört. Wir reagieren auf bestimmte Akkordfolgen und Harmonien. Keiner weiß genau, warum das so ist, aber es ist in uns. Schon im Mittelalter gab es den Minnegesang. Auch da waren es immer die Liebeslieder, die die Zuhörer am meisten gefesselt haben.
Weil die Liebe das stärkste Gefühl ist?
Reim: Definitiv. Sie ist stärker als Hass und sie ist nicht mit Vernunft zu erklären. Das ist wie Glaube, denn Liebe ist nicht beweisbar. (Reim trällert vor sich hin) Ich kann durch meine Liebe nicht beweisen.
Die Zeile geht als neuer Refrain durch.
Reim: Ja, wenn ich einige Zeilen über meine Steuererklärung reimen würde, dann würde die jedenfalls keiner hören wollen.
Das neue Album heißt schlicht „Matthias“. Wie wichtig ist es für einen Künstler in einer Zeit, in der Konzerte permanent abgesagt oder verschoben werden, eine Platte herauszubringen?
Reim: Die Absage von Konzerten ist etwas unvorstellbar Trauriges – weniger für mich, weil mir geht es wirtschaftlich gut, aber für meine Mitstreiter aus der Crew. Wir haben versucht, die Konzerte noch alle zu spielen, aber wir mussten jetzt aufgeben. Das ist aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Jetzt heißt es halt, wieder ins Studio zu gehen. Denn im kommenden Sommer werde ich dafür wahrscheinlich keine Zeit haben. Aber es ist nicht leicht, sich zu motivieren und so kurz nach dem Ende einer Produktion schon wieder im Studio zu arbeiten. Es ist also so zwischen Lust und Frust.
Hat sich Ihre Beziehung zur Liebe im Laufe der Jahre geändert?
Reim: Natürlich, sonst wäre ich unbelehrbar. Ich bin inzwischen auch 64 Jahre und stelle fest, dass ich inzwischen sehr entspannt bin. Ich pflege meine Beziehung und tue alles, damit sie gedeiht. Ich bin ein glücklicher Ehemann, ja!
Das kann nicht jeder von sich sagen.
Reim: Wohl wahr. Ich kenne ja auch die andere Seite, als ich ein unglücklicher, unentspannter Ehemann war. Deswegen genieße ich die Zeit gerade, auch noch einmal eine Schwangerschaft mitzuerleben. Ich mache das dieses Mal mit einer wunderbaren Gelassenheit, über die ich selbst erstaunt bin. Für mich ist die Welt in Ordnung.
Das ist interessant, weil für manche Menschen seit der Corona-Zeit die Welt gar nicht mehr in Ordnung ist und das Verständnis füreinander nachlässt. Liebe aber beruht auch auf Verständnis füreinander. Wann ist uns das in der Gesellschaft abhanden gekommen?
Reim: Stimmt schon, wir leben in einer schwierigen Zeit. Auch ich habe Gespräche mit meiner Großmutter führen dürfen, die ich immer wieder gefragt habe, wie das 1943, 1944 oder 1945 war. Und wenn man da aufmerksam zuhört, weiß man: Nichts ist mit dem Elend unserer Eltern und Großeltern zu vergleichen, dagegen ist die Corona-Epidemie ein Lacher.
Trotzdem werden manche Menschen immer aggressiver und lassen sich von Fake News irreführen.
Reim: Ja, weil durch die sozialen Medien die Regeln der Kommunikation ausgehebelt wurden. Man kann sich beschimpfen und man kann Hass ausleben, ohne dass man dem Gegenüber ins Gesicht sehen muss. Früher in der Schule waren diese Störenfriede isoliert, aber heute finden sie in den sozialen Netzwerken genügend andere Idioten, die darauf einsteigen.
Bringen nicht auch zwei Ihrer Kinder gerade neue Musik auf den Markt?
Reim: Stimmt. Die haben auch den Beruf des Papas gewählt. Beide sind sehr talentiert, und ich unterstütze sie mit Rat und ein bisschen mit Tat. Aber ich habe ihnen auch klar gemacht: Der Weg ist das Ziel. Arena-Konzerte und große Open-Airs, das kriegste nicht geschenkt. Da kann man nicht sagen, mein Papa heißt doch soundso, das hilft nicht viel. Es ist eine Ochsentour, sich in die Herzen der Menschen zu singen und zu spielen.
Haben Sie Ihren Kindern zugeraten, in dieses nicht einfache Geschäft einzusteigen?
Reim: Ja. Ich habe gesagt, wenn es euer Traum ist, zieht es durch, aber seid darauf gefasst, dass es länger dauern könnte, als ihr es euch erträumt.
Wie stolz sind Sie auf Ihre Kinder?
Reim: Sehr, denn sie haben das Herz am rechten Fleck. Ich habe mit ihnen ein tolles und inniges Verhältnis. Wir kennen uns. Sie wissen, was sie mit mir machen können, aber auch, wo sie nicht weiterkommen.
Und Sie werden zum siebten Mal Vater. Alles okay mit der Schwangerschaft?
Reim: Alles okay. Wir genießen die Zeit. Für meine Frau ist es sehr aufregend, und ich versuche, sie aufzufangen, wo ich kann. Sie weiß, dass ich an ihrer Seite bin. Ihr diese Sicherheit geben zu können, ist ein sehr schönes Gefühl.
Zur Person: Sänger Matthias Reim, 64, gelang der Durchbruch 1990 mit „Verdammt, ich lieb dich“. Die Single verkaufte sich 2,5 Millionen Mal. Reim, geboren in Korbach (Hessen), ist seit 2020 mit der Sängerin Christin Stark, 32, verheiratet.
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