Die Rollläden des Hauses waren heruntergelassen, die Fenster verschlossen. Als die Polizei dieser Tage Einlass begehrte, stießen die Beamten auf ein Bild des Grauens – und auf drei deutsche Jungen, die offenbar seit Jahren kein Tageslicht gesehen hatten. Später sagte der Polizeichef: „Wir haben das Horrorhaus zerschlagen.“
Kinder wurden in Oviedo offenbar jahrelang im Haus eingesperrt
Was die Ermittler in der Villa am Stadtrand der nordspanischen Stadt Oviedo entdeckten, erschüttert derzeit ganz Spanien: zwei achtjährige Zwillinge und ein Zehnjähriger, die offenbar seit Jahren von ihren Eltern eingesperrt wurden. Bei den Eltern handelt es sich um einen 53-jährigen Deutschen und eine 48 Jahre alte US-Amerikanerin mit deutschem Pass.
Der Polizeibericht, aus dem die Regionalzeitung La Nueva España zitiert, enthält schockierende Details zu dem Fall, der Ende April in der nordspanischen Region Asturien bekannt wurde. Müllberge, Katzenkot, verängstigte Kinder in Windeln, mit gekrümmten Rücken, die völlig von der Außenwelt abgeschottet lebten: Die Ermittlungen begannen Mitte April nach dem Hinweis einer Nachbarin. Sie hatte monatelang Kinderstimmen und Schreie hinter den Fenstern gehört. Die Kinder, so ihre Aussage, hätten aber nie den Garten betreten, seien nicht zur Schule gegangen – sie hätten das Haus überhaupt nie verlassen.
Ein verräterisches Paket brachte die Ermittler in Spanien weiter
Daraufhin begann die Polizei in Oviedo mit diskreter Beobachtung. Und sie stellte fest: „Niemand verließ das zweistöckige Einfamilienhaus. Nur der Mann zeigte sich gelegentlich, um Supermarktlieferungen entgegenzunehmen.“ Doch die Essenskartons seien zu groß gewesen für eine Einzelperson. „Als er einmal ein Paket entgegennahm, sahen wir, wie sich an einem Fenster im Obergeschoss etwas bewegte. Da wussten wir: Dort sind noch andere Personen“, so die Polizei. Die Mutter habe laut Protokoll spontan erklärt, sie wolle nicht, dass ihre Kinder das Haus verließen. Seit der Corona-Zeit hätten sie sich zunehmend isoliert.
Als die Polizisten die Kinder erstmals sahen, waren diese vollkommen verängstigt. „Sie liefen gebückt, hatten Angst. Jeder trug drei übereinandergezogene Schutzmasken.“ Als die Jungen schließlich ins Freie geführt wurden, machte einer der Beamten eine eindrückliche Beobachtung: „Die Kinder atmeten tief durch, als hätten sie noch nie frische Luft gespürt.“ Offenbar hatten sie tatsächlich nie den Garten betreten. Einer der Jungen berührte das Gras, als wäre es ihm völlig fremd. Auch während der Fahrt im Polizeiwagen staunten die Kinder über alles, was sie durch die Fenster sahen.
So begründen die Eltern, was sie ihren Söhnen angetan haben
Auf die Frage, warum die Kinder das Haus nicht verlassen durften, sagten die Eltern, diese hätten „schwere gesundheitliche Probleme“. Sie erklärten, den Kindern Medikamente gegen eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) zu verabreichen – bestellt im Internet, ohne ärztliche Kontrolle oder Rezept. „Die vorgelegten Unterlagen hatten laut Dolmetscherin jedoch keinen medizinischen Bezug“, heißt es im Polizeibericht.
Inzwischen wurden die Eltern der Untersuchungsrichterin vorgeführt. Diese ordnete U-Haft ohne Kaution an und entzog dem Paar das Sorgerecht. Die Obhut übertrug sie den örtlichen Sozialbehörden. Gegen die Eltern wird nun wegen des Verdachts auf häusliche Gewalt, psychische Misshandlung und Kindeswohlgefährdung ermittelt – zudem prüft die Justiz, ob der Tatbestand der Freiheitsberaubung vorliegt.
Die Regionalregierung von Asturien bestätigte, dass die drei Kinder in einem staatlichen Heim untergebracht wurden. „Wir gewährleisten derzeit ihr bestmögliches Wohlergehen“, sagte Sozialministerin Marta del Arco. Für eine Einschätzung möglicher Langzeitfolgen sei es jedoch noch zu früh.
Wir haben drei Kindern das Leben zurückgegeben.
Francisco Javier Lozano, Leitender Kommissar
Als die Familie noch ein Deutschland wohnte, hatte die Mutter offenbar bei den dortigen Behörden angefragt, ob Heim-Unterricht erlaubt sei – mit der Antwort: Wenn die Kinder nicht zur Schule gingen, würde das Jugendamt einschreiten. Das könnte der Auslöser für die Auswanderung nach Spanien gewesen sein. Seit Dezember 2021 lebte die Familie in dem Haus im Norden Oviedos.
Der Fall erschüttert nicht nur durch das Leid der Kinder, sondern auch durch die Erkenntnis, wie lange diese Situation unbemerkt bleiben konnte. „Wir haben drei Kindern das Leben zurückgegeben“, sagte der leitende Kommissar Francisco Javier Lozano später.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden