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Paris eröffnet wieder Badestellen in der Seine – ein Jahrhundert nach dem Badeverbot

Frankreich

Paris geht endlich baden: In der Hauptstadt schwimmen die Menschen wieder in der Seine

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    Das Wasser sei herrlich, rief die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo (rechts), als sie 2024 vor den Olympischen Spielen erstmals in die Seine hüpfte.
    Das Wasser sei herrlich, rief die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo (rechts), als sie 2024 vor den Olympischen Spielen erstmals in die Seine hüpfte. Foto: Emmanuel Dunand, afp

    Es ist ein Moment, den Jacques Chirac wohl zu gerne erlebt hätte. Der frühere Bürgermeister von Paris und spätere Präsident Frankreichs hatte schon 1988 versprochen, dass er bald „vor Zeugen“ in der Seine schwimmen werde. Ihm selbst, der 2019 starb, wurde das Vergnügen nicht mehr zuteil, und aus dem „bald“ wurden 37 Jahre. Doch seine Nach-Nachfolgerin Anne Hidalgo hat den lange gehegten Plan nun umgesetzt. An diesem Samstag, genau zum Abklingen einer heftigen Hitzewelle mit Temperaturen von bis zu 39 Grad, öffnen in Paris drei neue Badestellen. Bis einschließlich 31. August, dem letzten Ferientag, werden diese unter Überwachung und kostenlos zugänglich sein. Fast zur gleichen Zeit findet an einem längeren Abschnitt des unteren Seine-Ufers „Paris-Plages“ statt, eine Sommer-Veranstaltung, in der Strand-Atmosphäre inklusive Sand, Liegestühlen und Cocktailbars geschaffen wird.

    Hidalgo, die sich Chiracs Versprechen zu eigen gemacht hatte, sprang bereits vor einem Jahr in einem Neopren-Ganzkörperanzug in den Hauptstadtfluss, machte ein paar Armbewegungen und rief in die Kameras, das Wasser sei herrlich. Kurz danach wurde die Seine bei den Olympischen Sommerspielen Austragungsort für mehrere Schwimmwettbewerbe. Unumstritten war dies nicht, da mehrere Testveranstaltungen und Trainings wegen erhöhter Bakterienwerte im Fluss verschoben oder abgesagt werden mussten, starke Regenfälle die Wasserqualität beeinträchtigten und einige Athletinnen und Athleten nach dem Schwimmen in der Seine erkrankten. Doch die strahlenden Bilder von den Wettbewerben mitten in der Stadt bleiben.

    Die Kosten für die umfassende Reinigung von Seine und Marne beliefen sich auf 1,4 Milliarden Euro

    Olympia galt als Beschleuniger für das ehrgeizige Ziel, die Seine wie auch den Nebenfluss Marne im Südosten der Hauptstadt für Badeliebhaber wieder zugänglich zu machen. Die Kosten für die umfassende Reinigung beider Flüsse beliefen sich auf 1,4 Milliarden Euro. Dazu gehörten die Sanierung von 23.000 Abwasserzuflüssen, der Bau neuer Kläranlagen und eines riesigen Regenwasser-Speicherbeckens. Zwischen 150 und 300 Menschen haben an den Badestellen jeweils gleichzeitig Platz im Schwimmbereich, eine Anmeldung ist nicht nötig. Außenduschen, Schließfächer und Umkleidekabinen werden aufgestellt.

    Zwar verziehen einige Pariserinnen und Pariser weiterhin das Gesicht bei der Vorstellung, ihren Körper in den Fluss der Stadt zu tauchen, in deren Geschichte ist dies aber keineswegs neu. Bereits Mitte des 17. Jahrhunderts begannen die Menschen zunehmend, zunächst nackt, aber nach Geschlechtern getrennt zu baden. Ab dem 18. Jahrhundert galten offizielle Regeln hinsichtlich der erlaubten Orte, bis 1783 ein Verbot aufgrund der damaligen Anstandsregeln erfolgte, welches in der Folge wieder aufgeweicht wurde. „Es handelte sich mehr um den Wunsch nach sozialer Kontrolle als um eine Frage der Gesundheit“, sagt Agathe Euzen, Wissenschaftlerin am nationalen Forschungszentrum CNRS. Sorge um die hohe Verschmutzung kamen erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. In einem damaligen Interview rieten Forscher dazu, „beim Schwimmen den Mund zu schließen, um so wenig wie möglich von der Brühe zu schlucken“. Auch empfahlen sie eine Typhus-Impfung. Trotzdem wurden 1900 einige der Wettbewerbe der damaligen Olympischen Spiele in der Seine veranstaltet.

    Die Seine-Quais wurden teils wieder verkehrsberuhigt und für Flaneure geöffnet

    Ein offizielles Badeverbot erfolgte 1923 aufgrund der Verschmutzung des Wassers und der Gefahren durch die Schifffahrt, auch wenn Agathe Euzen zufolge noch jahrzehntelang Menschen in die Seine und die Marne hüpften. Das endete mit der zunehmenden Industrialisierung der Ufer und dem dortigen Bau von Schnellstraßen ab den 1960er Jahren. Längst ist eine Gegenbewegung entstanden: Die Seine-Quais wurden teils wieder verkehrsberuhigt und für Flaneure geöffnet, die Flüsse zudem wieder den Menschen zugänglich gemacht – und das nun bis zur letzten Konsequenz.

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