In der Affäre um die geschasste hessische Staatssekretärin Lamia Messari-Becker hat sich die Staatskanzlei vom Vorwurf eines «Fehlverhaltens» distanziert. Diesen Begriff habe sich die Regierungszentrale «zu keinem Zeitpunkt zu eigen gemacht», teilte ihr Chef Benedikt Kuhn (CDU) in seiner Antwort auf einen offenen Brief der Oppositionsfraktionen der Grünen und der FDP mit zehn Fragen an Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) mit.
Die Formulierung «nicht hinnehmbares Fehlverhalten» mit Blick auf Messari-Becker (parteilos) stammt laut Kuhn aus einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministers Kaweh Mansoori (SPD) vom 22. Juli, «die in dessen alleiniger Zuständigkeit und Verantwortung abgegeben wurde».
Die Vorwürfe
Mansoori hatte damals erklärt, die parteilose Bauphysik-Professorin Messari-Becker, einst vom weltbekannten Thinktank Club of Rome als Mitglied aufgenommen, wegen eines außerdienstlichen «Fehlverhaltens» zu entlassen. Medienberichten zufolge warf der Vize-Ministerpräsident der Politik-Quereinsteigerin vor, in einem Elterngespräch an der Schule eines ihrer Kinder mit der Position als Staatssekretärin Druck für eine bessere Schulnote ausgeübt zu haben. Öffentlich äußerte sich Mansoori bisher nicht dazu. Messari-Becker wies die Vorwürfe vehement als unzutreffend zurück.
Laut Staatskanzleichef Kuhn hat die schwarz-rote Landesregierung die Entscheidung, die Wissenschaftlerin in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, «nicht aufgrund eines etwaigen «getroffen», sondern weil Mansoori darum «mit Verweis auf ein nicht mehr gegebenes Vertrauensverhältnis» gebeten habe. Mit diesem allgemeinen Hinweis können Staatssekretäre generell ohne weitere Begründung verabschiedet werden.
Grüne und Liberale: «Grenzt an Rufmord»
Die Grünen und Liberalen hatten vergangene Woche in ihrem offenen Brief an Ministerpräsident Rhein dessen Stellvertreter Mansoori vorgehalten: «Es grenzt an Rufmord, ein Fehlverhalten der Staatssekretärin in den Raum zu stellen, dann aber nicht zu sagen, worin dieses Fehlverhalten besteht.»
Mit Blick auf Messari-Beckers Elterngespräch erinnerten Grüne und Freidemokraten daran, dass Bildungsminister Armin Schwarz (CDU) von einem «Sachverhaltsbericht» eines Schulleiters gesprochen und dieses Schreiben als schulrechtlich irrelevant eingestuft hatte. Wie könne so ein Bericht dennoch zu Messari-Beckers Rauswurf geführt haben?
«Diskussion im schulischen Kontext»
Laut Staatskanzleichef Kuhn wurde dieses Schreiben «nach einer Diskussion im schulischen Kontext» erstellt. Am 5. Juli - zweieinhalb Wochen vor Mansooris Pressemitteilung - sei der Bericht dem Bildungsministerium zugeleitet worden. Am 8. Juli erfuhr Kuhn nach eigenen Worten von Bildungsstaatssekretär Manuel Lösel (CDU) von dem «Sachverhaltsbericht» und gab noch am selben Tag Mansoori einen Hinweis «über eine Diskussion im Zusammenhang mit der Staatssekretärin».
Mansoori «hinterlegte» nach Kuhns Worten am 22. Juli Messari-Beckers Versetzung in den einstweiligen Ruhestand und beantragte diesen Schritt formell am 25. Juli bei Ministerpräsident Rhein. Erst am 26. August sei Messari-Becker laut Bildungsministerium auf Antrag Akteneinsicht durch das zuständige Schulamt gewährt worden, ergänzte Kuhn. Bildungsminister Schwarz hatte sich im Kultuspolitischen Ausschuss des Landtags auf Nachfrage geweigert, genaue Angaben zu den Zeitabläufen zu machen.
Kuhn: «Kein Fehlverhalten dokumentiert»
Zu Mansooris Hinweis im Wirtschaftsausschuss, das angebliche Fehlverhalten der aus der Regierung geworfenen Expertin für nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz sei dokumentiert, erklärte Kuhn, in der Staatskanzlei sei «kein Fehlverhalten von Frau Prof. Dr. Messari-Becker dokumentiert». Auf welche Dokumentation sich diese von Grünen und FDP zitierte Ministeraussage beziehe, «ist der Staatskanzlei nicht bekannt».
Der Staatskanzleichef dankte der geschassten Wissenschaftlerin für «die dem Land Hessen geleisteten Dienste» und wünschte «für ihre berufliche wie private Zukunft alles Gute».
Die Fraktionschefs der Grünen und der FDP, Mathias Wagner und Stefan Naas, erklärten anschließend: «Ministerpräsident Rhein (CDU) lässt seinen Stellvertreter Mansoori (SPD) im Regen stehen. Rhein distanziert sich überdeutlich von den bisherigen Einlassungen von Mansoori in der Entlassungsaffäre.» Welches «Fehlverhalten» Messari-Becker vorgeworfen werde, könne nur Mansoori beantworten.» Deutlich wird laut Wagner und Naas: «Die Staatskanzlei will mit dem unprofessionellen und unwürdigen Handeln nichts zu tun haben.»
Untersuchungsausschuss?
Allerdings stehe nach wie vor Messari-Beckers Rufschädigung im Raum. An diesem Donnerstag befasse sich der Wiesbadener Landtag damit. Wagner und Naas ergänzten mit Blick auch auf einen möglichen Untersuchungsausschuss: «Wir schließen hierbei weiterhin kein parlamentarisches Instrument aus.»
Messari-Becker, die gegen ihren Rauswurf Widerspruch eingelegt hat, gab zur Antwort der Staatskanzlei auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zunächst keine Stellungnahme ab.
Der BFW Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland forderte unterdessen eine umgehende Neubesetzung ihrer Stelle im hessischen Wirtschaftsministerium: Derzeit hätten Immobilienfirmen hier auf der Führungsebene «keinen für Wohnungsbau verantwortlichen Ansprechpartner mehr».
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