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ProSieben-Chef Hannes Hiller über Heidi Klums Erfolg und Stefan Raabs Scheitern

Interview

ProSieben-Chef Hannes Hiller: „Fernsehen ist nicht tot, es ist nur woanders“

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    ProSieben-Chef Hannes Hiller sagt über „Germany‘s Next Topmodel“: „Uns ist es gelungen, dem Konzept treu zu bleiben und zugleich mit der Zeit zu gehen“.
    ProSieben-Chef Hannes Hiller sagt über „Germany‘s Next Topmodel“: „Uns ist es gelungen, dem Konzept treu zu bleiben und zugleich mit der Zeit zu gehen“. Foto: Amelie Niederbuchner/ProSiebenSAT.1 Media SE

    Herr Hiller, Sind Sie ein Diktator?
    HANNES HILLER: Ich weiß, auf welche Aussage Sie anspielen. Meinen Führungsstil würde ich jedenfalls als das genaue Gegenteil bezeichnen. Nein, ich hatte das Fernsehen als „demokratische Diktatur“ beschrieben.

    Wie meinten Sie das?
    HILLER: Ganz wenige Menschen entscheiden, was bei uns im linearen Fernsehen oder im Streaming auf Joyn kommt. Wir entscheiden aufgrund unserer Erfahrung, aufgrund von Daten oder aufgrund des Angebots. Aber was dann läuft, soll ja von möglichst vielen Menschen geguckt werden. Und wenn die etwas nicht mehr sehen wollen, wählen sie es ab. Es sind also wenige, die entscheiden, was kommt, und ganz viele, die entscheiden, wie lange eine Sendung kommt.

    Wie fielen Ihre besten Entscheidungen?
    HILLER: Am Ende oft aus der Intuition heraus. Eine gute Entscheidung war zum Beispiel vor vielen Jahren, dass wir uns sehr intensiv um Joko und Klaas bemüht haben.

    Joko Winterscheidt (links) und Klaas Heufer-Umlauf sind die Aushängeschilder des Senders. Kürzlich wurde ihr Exklusiv-Vertrag um weitere fünf Jahre verlängert.
    Joko Winterscheidt (links) und Klaas Heufer-Umlauf sind die Aushängeschilder des Senders. Kürzlich wurde ihr Exklusiv-Vertrag um weitere fünf Jahre verlängert. Foto: Daniel Karmann/dpa

    Die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf kamen 2013 von ZDFneo zu ProSieben, wo sie zuvor schon zu sehen waren. Sie sind das Aushängeschild Ihres Senders.
    HILLER: Damals war ProSieben stark durch Stefan Raab geprägt, der sich Ende 2015 hinter die Kamera zurückzog. Es war absehbar, dass wir an die Jahre nach ihm denken müssen. Das haben wir zu einem sehr frühen Zeitpunkt getan und uns umgeschaut. Bei Joko und Klaas haben wir direkt gespürt, dass sie wirklich gut sind und zu uns passen könnten.

    Sie haben kürzlich den Exklusiv-Vertrag mit den beiden um fünf Jahre verlängert. Keine Sorge, dass Sie sich zu stark an sie binden – wie einst an Raab, von dem man denken musste, er allein sei ProSieben?
    HILLER: Diesen Vergleich möchte ich nicht mitgehen. Klar, Stefan war ein wichtiger Bestandteil von ProSieben. Der Sender war und ist aber deutlich mehr. Wir bieten 24 Stunden täglich Programm, mit Magazinen und News, Shows, Blockbuster-Filmen, Sport, Reportagen, Sitcoms ...

    Im linearen Programm werden seit Jahrzehnten US-Serien wie „The Big Bang Theory“ oder „Two and a Half Men“ weggesendet.
    HILLER: Nach meinem Verständnis werden diese Serien alles andere als „weggesendet“, wie Sie es nennen. Wir merken, dass unsere Zuschauerinnen und Zuschauer sie nach wie vor sehen wollen. Sie sind erfolgreich, sonst würden wir sie nicht anbieten. Sie befriedigen einen Bedarf und bereichern das kostenfreie Mediatheken-Angebot auf unserem Superstreamer Joyn.

    Suchen Sie, wie damals im Falle Raabs, bereits Nachfolger für Joko und Klaas?
    HILLER: Wir sind super happy, dass wir mit ihnen die nächsten fünf Jahre gestalten dürfen und bestens zusammenarbeiten. Andererseits machen wir uns selbstverständlich Gedanken über das Morgen und schauen: Wen gibt es im Markt, der spannend ist und den wir aufbauen können?

    Und: Wen gibt es?
    HILLER: Wenn ich das verrate, würde ich jetzt schon meine zukünftige Verhandlungsposition schwächen.

    Stand-up-Comedian Chris Tall?
    HILLER: Chris ist toll, den haben wir schon exklusiv in die ProSieben-Familie geholt. Wir versuchen, diese immer mehr zu erweitern. Im Moment sind für unser Publikum Joko und Klaas, Heidi Klum oder Sebastian Pufpaff sehr wahrnehmbar. Wir arbeiten jedoch auch projektweise etwa mit den Wolter-Zwillingen zusammen.

    Dennis und Benni Wolter sind durch die Web-Show „World Wide Wohnzimmer“ bekannt geworden.
    HILLER: Und es könnte eine tolle Zukunft mit ihnen auf ProSieben werden.

    Wo Heidi Klum ist, sind die Fotografen und Kameraleute nicht weit: Am 19. Juni läuft das Finale ihrer Show „Germany‘s Next Topmodel“.
    Wo Heidi Klum ist, sind die Fotografen und Kameraleute nicht weit: Am 19. Juni läuft das Finale ihrer Show „Germany‘s Next Topmodel“. Foto: Joel C Ryan/Invision/AP/dpa

    Sie erwähnten Heidi Klum. Deren Show „Germany’s Next Topmodel“ ist gerade in der 20. Staffel. Das Finale wird am 19. Juni live aus Köln gesendet. Wie lange kann eine solche Show eigentlich laufen?
    HILLER: 20 Jahre sind eine lange Zeit. Aber wissen Sie: Ich wohne seit mehr als 30 Jahren in Augsburg. Und das auch immer lieber. Damit will ich sagen: Eine gewisse Treue zahlt sich auf lange Sicht gesehen stets aus. Was „Germany’s Next Topmodel“ betrifft, merken wir, dass wir das Rad nicht neu erfinden. Doch wir haben die Show mit Heidi permanent weiterentwickelt. Denken Sie an die Anfänge!

    Die Kandidatinnen mussten eine Mindestgröße haben und die Show wurde massiv kritisiert. Sie propagiere ein problematisches Frauenbild, hieß es.
    HILLER: Inzwischen kann jeder mitmachen, egal welchen Geschlechts und Alters. Uns ist es gelungen, dem Konzept treu zu bleiben und zugleich mit der Zeit zu gehen und immer wieder eine Frische hineinzubringen. Dafür wurde die Show 2024 mit dem Blauen Panther ausgezeichnet. So stelle ich mir Unterhaltung vor: als eine Kombination aus Verlässlichkeit und Überraschendem.

    Wird Heidi Klum noch mit 60 Jahren „Topmodels“ suchen? Sie ist jetzt 52 – und damit wahrscheinlich älter als die Zielgruppe, die Sie erreichen möchten.
    HILLER: Es gibt einen großen Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung von ProSieben und dem tatsächlichen Durchschnittsalter unserer Zuschauer. Wir haben mit Abstand das jüngste Publikum unter den deutschen TV-Sendern, dennoch liegt das Durchschnittsalter bei 48 Jahren. Ich will Ihre Frage so beantworten: Wir wachsen gesund mit dem Markt, der insgesamt altert.

    Und die innovative Frische?
    HILLER: ... konzentrieren wir vor allem auf die Primetime, die Hauptsendezeit am Abend: Dort sind die Reichweiten und die Werbeeinnahmen am größten.

    Wie wird das große Finale von „Germany’s Next Topmodel“?
    HILLER: Spektakulär! Ich kann sagen, dass die Vorjahressieger:innen sowie Tom und Bill Kaulitz mit Tokio Hotel auftreten.

    Steht das Konzept der 21. Staffel schon?
    HILLER: Lassen Sie uns erst einmal die 20. Staffel ins Ziel bringen.

    Stimmen Sie denn der These zu, dass das lineare Fernsehen trotz diverser Neuerungen verstärkt zu einem Angebot für ein älteres Publikum wird? Also zum Nostalgie-TV?
    HILLER: Ich halte es für falsch zu glauben, dass das, was früher funktionierte und was man mochte, nach wie vor Bestand hat. Einfach auf Nostalgie zu setzen, das geht nicht auf.

    Klingt nach Kritik an Ihrem Konkurrenten RTL, zu dem Stefan Raab wechselte. Mit „Du gewinnst hier nicht die Million“ versuchte er dort ein Comeback. Die Show war eine getreue Kopie seiner früheren Erfolgsformate – und wird wegen schlechter Quoten abgesetzt.
    HILLER: Das große Geheimnis ist wohl, einerseits auf ein bestimmtes nostalgisches Grundgefühl zu setzen. Andererseits muss man den Zuschauerinnen und Zuschauern genügend Anknüpfungspunkte an die Jetzt-Zeit geben. Das ist das, was uns mit „TV total“ gut gelingt.

    Stefan Raab kam nach Jahren der Bildschirmpause auf RTL zurück vor die Kameras: Seine Comeback-Show „Du gewinnst hier nicht die Million“ wird nun aber abgesetzt.
    Stefan Raab kam nach Jahren der Bildschirmpause auf RTL zurück vor die Kameras: Seine Comeback-Show „Du gewinnst hier nicht die Million“ wird nun aber abgesetzt. Foto: Julia Feldhagen/Raab Entertainment/RTL/dpa

    Die Kultsendung von und mit Raab, die nun Sebastian Pufpaff moderiert.
    HILLER: Es war interessant zu erleben, dass die Marke „TV total“ in sich erhalten geblieben ist – sie aber von Puffi mit einem anderen, frischen, modernen Geist aufgeladen und in der Primetime etabliert werden konnte.

    Hat RTL es versäumt, die Raab-Show mit neuen Elementen ins Jahr 2025 zu holen?
    HILLER: Mir steht es nicht zu, das zu bewerten. Wir sind gut beraten, auf uns selbst zu schauen und unsere Lage zu interpretieren. Uns geht es in erster Linie um unser Wachstum und unsere Marktchancen, nicht darum, auf andere zu schauen oder anderen zu schaden. Deshalb sind wir mit „TV total“ vom Mittwoch auf den Dienstag gegangen.

    Damit sind Sie einem Fernduell ausgewichen: RTL wollte Raab mit dessen neuer Show „Du gewinnst hier nicht die Million“ mittwochs gegen dessen alte Show „TV total“ mit Pufpaff antreten lassen. Medien schrieben von „Frontalangriff“.
    HILLER: Wir haben uns den Gesamtmarkt und bestimmte Zuschauer-Milieus genau angesehen. Wir fragten uns: Was ist für uns das Beste? Uns ging es darum, letztlich in der Gesamtreichweite besser dazustehen als vorher. Dieser Plan ist aufgegangen.

    Finden Sie Raabs Scheitern traurig?
    HILLER: Ich bin mit ihm groß geworden, erst als Zuschauer, später bei ProSieben. Seinen ersten Boxkampf gegen Regina Halmich durfte ich damals als junger Redakteur der Talkshow „Arabella“, bei der ich im Jahr 1998 anfing, in einem Spezial-Talk begleiten. Stefan Raab war und ist ein TV-Denkmal. Wir haben uns allerdings entschieden, mit anderen Sendergesichtern in die Zukunft zu gehen. Weil wir glauben, dass sie eine Modernität mitbringen, die uns in Zeiten digitaler Transformation hilft.

    Ihr Vorstandschef Bert Habets kündigte an, man wolle sich „voll und ganz auf Entertainment“ konzentrieren. Gleichermaßen muss ProSiebenSat.1 sparen – es werden mehr als 430 Stellen abgebaut.
    HILLER: Wir müssen bei der Herstellung unserer Shows immer darauf achten, dass es für alle wirtschaftlich ist – für die Produzenten genauso wie für die Künstler und uns. Im Moment befinden wir uns in recht anspruchsvollen Zeiten. Wir erleben, wie angespannt der Werbemarkt ist und müssen darauf reagieren. Die Qualität unserer Sendungen aber – das ist das Letzte, an dem wir sparen dürfen. Unsere Zuschauerinnen und Zuschauer haben dafür ein sehr empfindliches Näschen, und mir geht es da nicht anders: Auch ich will begeistert werden von den Inhalten unseres Senders.

    Klassisches TV wird schon lange totgesagt. Wie geht es mit dem Fernsehen weiter? Gibt es in ein paar Jahren bloß noch Streaming-Plattformen?
    HILLER: Fernsehen ist nicht tot, es ist nur woanders. Denn die Art und Weise, wie wir Fernsehen konsumieren, hat sich einfach verändert. Gerade weil sich Zuschauerinnen und Zuschauer zunehmend vom vermeintlichen Diktat befreien, zu einer festgelegten Zeit eine Sendung schauen zu müssen. Wir passen uns an diese Entwicklung an – und können sie mit unserer Streaming-Plattform Joyn mitgestalten. Das Zusammenspiel von linearem Fernsehen und Streamingangebot wird immer entscheidender. Übrigens sind die Einschaltquoten des vorangegangenen Tages für uns schon lange nicht mehr das Maß aller Dinge. Was für uns zählt, ist die Gesamtreichweite, wie viele Menschen wir auf unseren unterschiedlichen Kanälen erreichen.

    Zur Person

    Hannes Hiller, 1971 in Freiburg im Breisgau geboren, ist seit November 2023 Chef des Privatsenders ProSieben, der seinen Sitz in Unterföhring bei München hat. Zuvor war er unter anderem Entwicklungschef Entertainment für die Seven.One Entertainment Group und ProSieben-Unterhaltungschef.

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