Im beschaulichen Mannenbach im Schweizer Kanton Thurgau, rund zwölf Kilometer westlich von Konstanz, scheint die Welt in Ordnung zu sein. Das Wetter ist gut – Spaziergänger, Radfahrer und Restaurantbesucher genießen die warme Aprilsonne. Doch etwas ist trotzdem anders. Läuft man am Bodensee-Ufer entlang, steht dort ein Boot nach dem anderen, verpackt in graue und grüne Folien. Saisonstart? Sieht anders aus. Die Boote stehen buchstäblich auf dem Trockenen. Der Mannenbacher Hafen ist völlig ausgetrocknet. Wo eigentlich klares Bodenseewasser ans Ufer schwappen sollte, kommen hier eher Nordseegefühle auf. Der Hafen wirkt so, als könne man hier Wattwandern, statt mit seinem Schifflein auf den Untersee hinauszufahren.
Einen solch niedrigen Pegelstand habe er noch nie erlebt, sagt Philemon Diggelmann vom Umweltamt des Kantons Thurgau. Auch für viele seiner langjährigen Mitarbeiter sei der trockene Hafen ein Novum. „Sie sehen das zum ersten Mal, haben sie gesagt“, sagt Diggelmann. Nach Messungen westlich von Mannenbach war der Pegel dort zuletzt am 1. April 1972 mit 394,40 Meter über dem Meeresspiel so niedrig – jetzt sind es 394,52 Meter.
Fehlender Schnee im Einzugsgebiet des Rheins und damit weniger Schmelzwasser ist Grund für die jetzige Trockenheit
In der Schweiz wird der Pegel anders als in Deutschland anhand des Meeresspiegels bemessen, nicht anhand eines Wertes über einem definierten Pegel-Nullwert. In Konstanz liegt der Pegel bei 2,72 Metern und damit noch rund 14 Zentimeter über dem saisonalen Tiefstwert. Der absolute Tiefstwert liegt noch 40 Zentimeter unter dem aktuellen Pegel. Fehlender Schnee im Einzugsgebiet des Rheins und damit weniger Schmelzwasser aus den Alpen nennt Diggelmann als Ursache. Dazu kommt der geringe Niederschlag in diesem Frühjahr. Die Wetterprognose sieht weiterhin ungünstig aus. Laut Prognose bleibt Regen in den kommenden zehn Tagen aus, und auch die Schmelzwassermenge dürfte sich nicht markant erhöhen.
Verfolgte man in diesen Tagen Meldungen zum sinkenden Bodenseepegel im Internet, stieß man etwa auf solche Titel bei wetter.de: „Der Bodensee hat kaum noch Wasser.“ Das klingt erschreckend. Und es ist ja auch so, dass Strandabschnitte breiter in Erscheinung treten oder Spaziergänge an Uferabschnitten möglich werden, wo man sonst im Wasser watet. Mithin handelt es sich um ein schönes Naturerlebnis für alle, die im Bodensee vor allem dessen Freizeitwert erkennen. Doch ist er auch Deutschlands größter Trinkwasserspeicher, und es stellt sich die Frage, ob uns irgendwann dürsten wird, wenn der Pegel weiter sinkt.

Beim Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung (BWV) auf deutscher Seite in Sipplingen stellt Sprecherin Teresa Brehme klar: „Schwankungen im Wasserstand sind ein natürlicher Vorgang im Bodensee und haben keine Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung. Wir entnehmen das Wasser ja in 70 Metern Tiefe, weshalb wir von den schwankenden Pegelständen nicht betroffen sind.“ Und wie ist es mit Blick auf den Klimawandel? Brehme sagt: „Nach den heutigen Erkenntnissen werden wir auch in Zukunft genügend Wasser im Bodensee haben. Klimamodelle prognostizieren zwar eine zeitliche Verschiebung bei den Niederschlägen.“ Es gebe dann höhere Niederschlagsmengen im Winter und geringere Mengen im Sommer. „Die Jahressumme der Niederschläge auf der Alpennordseite und somit im Wassereinzugsgebiet des Bodensees wird in etwa gleich bleiben.“ Das Ab- oder Wegschmelzen der Gletscher habe nur geringfügige Auswirkungen auf den Gesamtzufluss.
Auch am Bodensee ist der Klimawandel unübersehbar
Wobei der Klimawandel am Bodensee unübersehbar ist. „Außergewöhnliche Wasserstände, Besiedlung durch Pflanzen und Tiere aus weit entfernten Gebieten oder schwächere Zirkulation im Winter sind einige der Indizien“, sagt Teresa Brehme. „Die Bodensee-Wasserversorgung beschäftigt sich natürlich mit den möglichen Auswirkungen des Klimawandels am Bodensee und bereitet sich vor.“ Zur Vorsorge gehört beispielsweise der Ausbau der Behälterkapazitäten, Ersatzstromanlagen und Pumpen in genügender Anzahl.

In Mannenbach läuft Diggelmann am Ufer entlang und blickt auf den ausgetrockneten Hafen. Eigentlich sollte am 13. April die Saison losgehen und die jetzt auf dem Grund liegenden Boote eingewässert werden. Daraus wird jetzt wohl nichts – die Bootsanlieger müssen sich weiter gedulden, schätzt Diggelmann. Bis das Hafenbecken wieder gefüllt ist, könne es noch dauern. „Das ist ein sehr langsamer Prozess, bis das Wasser wieder steigt“, sagt der Schweizer. Es bräuchte mindestens ein so nasses Frühjahr wie im Vorjahr, damit sich der Mannenbacher Hafen schnell wieder füllt.
Der Pegel in Konstanz hat bereits eine rund 200 Jahre alte Historie. Aktuell liegt der Pegel dort bei rund 270 cm. Die niedrigsten Pegelwerte waren immer noch rund 40 bis 50 cm niedriger und stammen gehäuft aus dem 19. Jahrhundert, z. B. 226 cm Anfang März 1858 oder 227 cm im Januar 1836. Die "modernen" Minima wurden im Winter 2006 (rund 230 cm ) und im März 1972 (237 cm) erreicht. Letztendlich zeigt sich auch hier, wie variabel die Witterung und damit auch der Einfluss auf ein Abflussregime in Mitteleuropa sein kann und dass es bereits große Schwankungen gab, wo man sich am Ende der kleinen Eiszeit über eine Erwärmung gefreut hätte...
Abgesehen davon, dass wir im Moment keine kleine Eiszeit haben, danke ich Ihnen für Ihre historische Einordnung des Pegelstandes des Bodensees. Wenn Sie uns darlegen, dass es immer schon klimatische Veränderungen gab, die den aktuellen Verhältnissen ähneln, stell im mir dennoch die Frage, ob Sie abstreiten, dass die gehäuften Klimaveränderungen etwas mit dem von Menschen verursachten Einfluss auf das Klima zu tun haben.
“ Die niedrigsten Pegelwerte waren immer noch rund 40 bis 50 cm niedriger und stammen gehäuft aus dem 19. Jahrhundert, z. B. 226 cm Anfang März 1858 oder 227 cm im Januar 1836.” Sie unterschlagen, daß der Bodensee damals bei weitem nicht so intensiv zur Trinkwassergewinnung herangezogen wurde wie heute. Aber Sie können gerne noch weiter in der Historie zurückgehen, bis zu der Zeit, als es den Bodensee noch gar nicht gab…
"Gehäufte Klimaveränderungen"? Klima ist nichts statisches und vor allem nichts "stabiles" und gehört zur Erdgeschichte dazu. Dass der Mensch da auch einen Anteil daran hat, nachdem sich die Weltbevölkerung in rund 200 Jahren fast verachtfacht hat, ist doch völlig klar. Unklar ist der genaue Anteil, da man natürliche Klimavariabilität und einen menschlichen Einfluss nicht für jedes Klimaelement exakt trennen kann. Recht klar ist der thermische Klimawandeleffekt (Temperaturzunahme, Gletscherschmelze, Verschiebungen in der Vegetation usw.), beim dynamischen Anteil (Großwetterlagen, Stürme, Gewitter, Niederschlagsbildung) wird es dann schon viel schwieriger und wenig eindeutig, vor allem wenn man das regionaler betrachten möchte.
Haben Sie den Artikel nicht gelesen? „Schwankungen im Wasserstand sind ein natürlicher Vorgang im Bodensee und haben keine Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung. Wir entnehmen das Wasser ja in 70 Metern Tiefe, weshalb wir von den schwankenden Pegelständen nicht betroffen sind.“
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