Ein Haus in Maria Enzersdorf, ein kleiner Ort im „Speckgürtel“, wie man in Wien die nähere Umgebung der Stadt nennt. An einem Januartag stehen dort Polizisten vor der Tür, Ermittler des Landeskriminalamts Niederösterreich, mit dabei haben sie einen Durchsuchungsbeschluss, es öffnet ein junger Mann. Die Polizisten nehmen das ganze Haus unter die Lupe. In einem begehbaren Schrankraum stoßen sie auf einen geheimen Raum, der sich nur mit einem speziellen, verborgenen Mechanismus öffnen lässt. Drinnen: Ein rund eine Tonne schwerer Tresor – und eine Geldzählmaschine.
Polizei findet im Haus der „Schamanin“ Goldbarren, Schmuck und jede Menge Bargeld
Was die Polizisten im Inneren des Tresors finden, gleicht einem Schatz: Zahlreiche Goldbarren, goldene und silberne Münzen, Gold- und Modeschmuck in jeder erdenklichen Ausführung, teure Uhren – und eine ganz beträchtliche Menge an Bargeld: 4,1 Millionen Euro in dicken Bündeln, dazu 2,1 Millionen Schweizer Franken, Dollarnoten und deutsche Mark. Das Depot aber gehört nicht einer Einbrecher- oder Räuberbande, sondern mutmaßlich einer Frau, die sich selbst „Amela“ nennt. Ihr richtiger Name ist Mariana M., auf sie ist ein internationaler Haftbefehl ausgestellt – sie ist eine selbsternannte „Schamanin“.
Betrug mit Esoterik: Opfer der „Schamanin“ im gesamten deutschsprachigen Raum
Dass im Bereich Esoterik häufig auch Geschäftemacherei, nicht selten sogar Betrug im Spiel ist, ist nichts Neues. Der Fall von Maria Enzersdorf aber sprengt alle bisher dagewesenen Dimensionen – und ist in seiner Ausführung wohl einzigartig. Um einen insgesamt zweistelligen Millionenbetrag soll „Amela“ Opfer im gesamten deutschsprachigen Raum gebracht haben. Sie selbst befindet sich auf der Flucht, der 29-jährige Sohn der „Schamanin“ wurde festgenommen.
Auf die Spur von Mariana M. hatte die Beamten eines ihrer Opfer gebracht. Schon im Mai letzten Jahres soll jene Frau, die „Amela“ später angezeigt hatte, von der „Schamanin“ angesprochen worden sein – wegen ihrer „Aura“, wie die Ermittler und Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Montag in einer Pressekonferenz berichteten. Die Betrügerin habe den angeblich bevorstehenden Tod der Tochter der Frau vorausgesagt – und wohl auch Abhilfe versprochen. Insgesamt drei „Reinigungsrituale“ habe die „Schamanin“ danach mit ihrem Opfer durchgeführt, sich dafür insgesamt über 700.000 Euro bezahlen lassen, anschließend soll sie den Kontakt abgebrochen haben. Eine weitere weibliche Person habe dem Opfer ausrichten lassen, „Amela“ sei nach den Reinigungsritualen selbst „in ein Koma gefallen“.
Österreichische Polizei bittet um Mithilfe und rät zur Vorsicht
Es müssen zahlreiche Opfer sein, die die selbsternannte „Schamanin“ mit dieser oder ähnlichen Maschen mutmaßlich um teils beträchtliche Vermögenswerte gebracht hat. Nach bisherigem Stand der Ermittlungen, so Innenminister Karner, sollen die späteren Opfer von der gebürtigen Serbin und österreichischen Staatsbürgerin vor Apotheken und vor Arztpraxen angesprochen worden sein – vorwiegend in Österreich, aber auch in Deutschland und in der Schweiz. Die österreichischen Behörden haben eine eigene Webseite eingerichtet, auf der die zahlreichen Wert- und Schmuckgegenstände zu sehen sind. Die Polizei bittet mögliche weitere Opfer, sich zu melden – und mahnte am Montag zur Vorsicht. „Wenn Sie das Gefühl haben, das etwas nicht stimmt, vertrauen Sie auf Ihre Intuition – und beenden Sie das Gespräch“, sagte Landespolizeidirektor Franz Popp. „Reden Sie mit Freunden und Familie, sprechen Sie mit anderen über Ihre Erfahrungen.“ Oft helfe schon ein offenes Gespräch, um sich vor Betrug zu schützen, sagte Popp weiter. Skepsis sei der beste Schutz.
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