Es war ein extremer Auftakt in Wimbledon: Statt Regen oder Wind bestimmte Hitze das Geschehen und stellte Tennisspieler wie Plätze auf die Probe. Am Montag zeigte das Thermometer 32,3 und am Dienstag sogar 34,2 Grad.
Viele Zuschauer schützten sich mit Hüten oder provisorischen Schirmen, andere fächelten sich mit allem, was greifbar war, ein wenig Luft zu. Auf dem Platz wurde jede Bewegung zur Prüfung. „Ich hatte mehr Probleme als gewöhnlich“, sagte der Franzose Adrian Mannarino mit Blick auf die Bedingungen zum Auftakt des Turniers. Auch die deutsche Spielerin Eva Lys litt unter dem Wetter: „Ich habe das Gefühl, jeder kämpft gerade mit der Hitze.“
Doch nicht nur die Sportler geraten bei diesen Bedingungen an ihre Grenzen, auch der legendäre Wimbledon-Rasen bestehend aus ausdauerndem Weidelgras (Perennial Ryegrass), der auf exakt acht Millimeter gestutzt wird, steht unter besonderer Beobachtung. Denn unter der brennenden Sonne braucht der Boden mehr Fürsorge als sonst üblich. Die hohen Temperaturen machten zusätzliche Bewässerung nötig, um ein rasches Austrocknen der Plätze und damit mögliche Rissbildung zu verhindern.
18 Courts, 50.000 Pflanzen - das ist Wimbledon
„Im Moment sind diese kurzen Hitzephasen noch gut beherrschbar”, sagt Neil Stubley, Leiter der Rasenpflege, der nicht nur für alle 18 Courts, sondern auch für die rund 50.000 Pflanzen auf dem Gelände verantwortlich ist. Trotz des heißen Starts habe es positives Feedback von den Spielern zum Zustand der Plätze gegeben. Doch im Hintergrund arbeitet der traditionsreiche All England Lawn Tennis Club (AELTC) angesichts des fortschreitenden Klimawandels bereits an Lösungen für eine immer heißere Zukunft. „Wir nehmen die Prognosen sehr ernst und richten unsere Forschung entsprechend darauf aus“, sagt der Rasenchef.
Hierzu testet der Club in Zusammenarbeit mit dem britischen Sports Turf Research Institute (STRI), einer auf Sportrasen spezialisierten Organisation, unter anderem in Australien robustere Sorten. „All unsere Forschungen rund um den Rasen zielen inzwischen darauf ab, Gräser auszuwählen, die widerstandsfähiger gegenüber Belastung und Trockenheit sind. Sorten, die wir dann auch im Vereinigten Königreich einsetzen können, nachdem sie sich anderswo bereits bewährt haben”, sagt Stubley.
Die Herausforderungen für den Tennissport resultieren dabei nicht nur aus heißeren Sommern, die das Risiko für invasive Unkräuter erhöhen, sondern auch aus milderen Wintern, durch die Rasenplätze anfälliger für Pilzkrankheiten werden. „Das Wetter ist nicht mehr so berechenbar wie früher. Und so sehr man auch versucht, vorausschauend zu handeln und vorbeugende Pflegemaßnahmen zu treffen: Es wird schwieriger“, sagt Sam Swires, Forschungsleiter beim STRI.
Neben der Entwicklung neuer Gräser-Sorten, die besser mit höheren Temperaturen zurechtkommen, wird auch an sogenannten Hybridplätzen gearbeitet, die zu fünf bis zehn Prozent aus synthetischen Fasern bestehen. Das Ziel: Die Beimischung von Kunststoff in den Naturrasen soll die Oberfläche langlebiger machen und so die Nutzungsdauer der Plätze ausweiten. „Wenn Rasenplätze länger bespielbar bleiben, weil sich etwa die Grundlinien nicht so schnell abnutzen, ist das für einen kommunalen Tennisclub ein deutlich tragfähigeres Modell als ein herkömmlicher Platz“, sagt Sally Bolton, Geschäftsführerin des All England Lawn Tennis Club.
Das wasser wird nasser
Wimbledon begegnet Hitze und steigenden Wasserpreisen überdies schon jetzt mit einer unscheinbaren, aber wirkungsvollen Maßnahme: einem sogenannten „Wetting Agent“. Die Substanz wird direkt in den Boden eingebracht und verändert die Oberflächenspannung des Wassers. Dadurch kann der Boden Feuchtigkeit besser aufnehmen und an die Wurzeln abgeben. „Es klingt merkwürdig, aber es macht das Wasser tatsächlich nasser“, sagt Stubley. Auch bei trockenen Bedingungen können die Gräser so noch Feuchtigkeit aufnehmen, das sonst versickern oder verdunsten würde. Der Effekt: ein stabiler Rasen – selbst bei Rekordtemperaturen wie zu Turnierbeginn. Doch langfristig könnte diese Strategie an ihre Grenzen stoßen. Rasenchef Stubley das Grün grün hält.
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