Die Stadt Gießen hat erfreut auf die Anerkennung der sogenannten Rotwelsch-Dialekte, zu denen auch das in Gießen beheimatete Manisch gehört, als Immaterielles Kulturerbe der Unesco in Deutschland reagiert. «Das ist eine latscho Nachricht für Gießen», erklärte Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) unter Verwendung eines Begriffes aus dem Manischen - also eine gute Nachricht.
Manisch sei längst ein Identifikations- und Alleinstellungsmerkmal für Gießen geworden, meinte Becher. Wer Gießener sei, kenne die Sprache oder zumindest einzelne Wörter. «Und wer zuzieht, braucht auch nicht lange, um den Reiz dieser ursprünglichen Geheimsprache zu verspüren.»
Gremmels: Kultur wird auch in der Sprache gelebt
Hessens Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels (SPD) erklärte, Kultur sei nicht nur in Museen und Theatern zu finden, sondern werde täglich von Menschen gelebt – «auch und gerade in der Sprache». Manisch sei ein Identifikationsmerkmal der Region, dem man auf Souvenirs, in Graffiti-Kunst und im Gespräch am Kiosk begegne. «Ich freue mich, dass wir mit dem Gießener Manisch nun einen weiteren Eintrag mit Hessenbezug im bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes haben.»
Den Antrag auf Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe hatte der Sprachwissenschaftler Klaus Siewert, Vorsitzender und Gründer der Internationalen Gesellschaft für Sondersprachenforschung, im Herbst 2023 eingereicht. Die Stadt habe den Antrag mit einem Begleitschreiben unterstützt.
Sprachliches und soziales Erbe
Die Anerkennung der Rotwelsch-Dialekte hatte die Kommission bereits bekanntgegeben. Diese vermittelten konkrete Sprachkompetenzen, aber auch kulturelles Wissen, das seit Jahrhunderten über Generationen hinweg weitergegeben werde, heißt es auf der Homepage der Deutschen Unesco-Kommission. «Sie sind sowohl ein sprachliches als auch ein soziales Erbe, das eng mit der Geschichte von verfolgten Minderheiten wie jüdischen und jenischen Gemeinschaften sowie Sinti und Roma verbunden ist.»
Ihre Bewahrung und Weitergabe seien nicht nur kulturelle, sondern auch soziale Anliegen, «da sie auch heute noch eine wichtige Identitätsquelle für die Sprechergemeinschaften darstellen». Das Manische wurde und wird vor allem in den Gießener Stadtteilen Eulenkopf, Margaretenhütte und Gummiinsel gesprochen.
Manisch-Sprechende einst ausgegrenzt
Manisch-Sprechende seien zur Zeit ihrer ersten Ansiedlung Ende des 19. Jahrhunderts in Gießen bewusst aus der Stadtgesellschaft ausgegrenzt und gemieden worden, heißt es auf der Homepage der Stadt. Heute jedoch diene diese Sondersprache in großen Teilen als Gießener Zugehörigkeitsmerkmal.
Ursprünglich wurden die Rotwelsch-Dialekte von sozial Benachteiligten, Fahrenden und Händlern als geheime Sprache entwickelt. Der Begriff «Manisch» ist die in Gießen verwendete umgangssprachliche Bezeichnung für die Sprache Jenisch, die nach Angaben der Stadt zu den am meisten vom Romanes beeinflussten Sondersprachen im deutschsprachigen Raum gehört.
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