Nach dem großen Warnstreik an den größeren deutschen Flughäfen nimmt die Gewerkschaft Verdi wieder andere Bereiche des öffentlichen Dienstes ins Visier. Für die nächsten Tage sind zehntausende öffentlich Beschäftigte von der Müllabfuhr bis zu den Wasserstraßen zu weiteren Arbeitsniederlegungen aufgerufen.
In Hessen sind unter anderem die Verkehrsgesellschaften in Frankfurt, Wiesbaden, Offenbach und Kassel das Ziel. In Frankfurt werden voraussichtlich von Dienstag bis Donnerstag keine U-Bahnen und Straßenbahnen unterwegs sein. Kunden könnten aber die nicht bestreikten Busse und S-Bahnen nutzen, rät die Verkehrsgesellschaft Traffiq. Bei der Kasseler Verkehrsgesellschaft ist für Mittwoch ein eintägiger Warnstreik geplant.
Die Lufthansa wie auch andere Gesellschaften streben für den Dienstag einen möglichst reibungslosen Neustart an. Flugzeuge würden entsprechend positioniert und Dienstpläne angepasst, teilte der Konzern mit. Zu Tagesbeginn könne es noch ruckeln, der Flugbetrieb werde sich aber im Laufe des Tages normalisieren, sagt ein Sprecher des Frankfurter Betreibers Fraport.
Leere Terminals
Der zum Teil schon am Vortag begonnene Warnstreik an 13 deutschen Flughäfen hat am Montag große Teile des Flugverkehrs lahmgelegt. An den Flughäfen blieben die Abflughallen leer, weil die meisten Passagiere rechtzeitig von den Aktionen gehört hatten. Allein am größten deutschen Airport in Frankfurt wurden 1.070 Starts und Landungen gestrichen.
Dem Flughafenverband ADV zufolge sind deutschlandweit mindestens 3.500 Flüge ausgefallen und 560.000 Passagiere nicht an ihr Ziel gekommen. Bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) wurde für Montag mit 3.900 Instrumentenflügen ein deutlicher Rückgang im Luftraum um rund 60 Prozent registriert, wie ein Sprecher in Langen berichtet. Die meisten verbliebenen Flugbewegungen waren Überflüge ohne Start oder Landung in Deutschland.
Einige wenige Passagiere kamen trotz der flächendeckenden Streiks an ihr Ziel, weil Fluggesellschaften einige Flüge an nicht bestreikte Flughäfen in der Nachbarschaft verlagern konnten. Am Hunsrück-Flughafen Hahn starteten auf einmal Jets der Lufthansa-Tochter Discover zu Überseezielen, nachdem die Passagiere aus Frankfurt mit dem Bus dorthin gefahren wurden.
Mehrere Tarifkonflikte
Aufgerufen hatte Verdi die öffentlich Bediensteten der Flughafenbetreiber, der Bodenverkehrsdienste sowie die Beschäftigten an den Luftsicherheitskontrollen.
Hintergrund sind zwei verschiedene Tarifkonflikte: Die Gewerkschaft fordert in den Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen unter anderem acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber monatlich 350 Euro mehr, sowie drei zusätzliche freie Tage. Die Arbeitgeber haben bisher kein konkretes Angebot vorgelegt. Die nächste Verhandlungsrunde ist für diesen Freitag (14. März) in Potsdam geplant.
In der Luftsicherheit fordert Verdi unter anderem die Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, 30 Tage Urlaub und Zusatzurlaub für Schichtarbeit. Über den neuen Manteltarifvertrag mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) wird erst am 26. und 27. März wieder verhandelt.
Die Beschäftigten demonstrieren für ihre Anliegen. «Es ist einfach alles teurer geworden», sagt beispielsweise Lademeister Birol Kartag. Die Arbeiter am größten deutschen Flughafen spürten die Inflation unmittelbar, nicht wenige hätten einen zweiten Job angenommen, um über die Runden zu kommen, sagt der Verlader Sultan Qurbanzada.
Missbrauch des Streikrechts?
Die Luftverkehrsbranche wirft Verdi Missbrauch des Streikrechts vor. Es würden sogenannte Warnstreiks als Tarnung für weitreichende Ausstände genutzt und Knotenpunkte der Volkswirtschaft gezielt lahmgelegt, sagt der Eurowings-Chef und Präsident des Branchenverbandes BDL, Jens Bischof. Die im BDLS organisierten Arbeitgeber kritisierten die Warnstreikausweitung, Verhandlungsführer Christian Huber bezeichnete sie als «nicht zielführend».
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden